Grüne kritisieren Rechtsverständnis des Ex-Ministers
Als ehemaliger Bundesminister zu behaupten, dass das Verfahren politisch motiviert sei, «ist ein unerhörter Angriff auf unseren Rechtsstaat», empört sich der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Helge Limburg. «Es reiht sich aber leider nahtlos in das aktuelle Verhalten verschiedenster CSU-Politiker ein», fügte er hinzu und verwies in diesem Zusammenhang unter anderem auf ein Berliner Gerichtsurteil zu Grenzkontrollen.
Scheuer hat im April 2024 sein Bundestagsmandat niedergelegt. Er hat inzwischen eine Beratungsfirma gegründet. Der deutsche Staat musste infolge des Maut-Debakels 243 Millionen Euro Schadenersatz an die einst vorgesehenen Betreiber zahlen. Das hatte eine Verständigung nach einem Schiedsverfahren ergeben.
Weitere Reaktionen auf die Anklage
CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann kritisiert die Anklage gegen den früheren Verkehrsminister. «Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ist nicht nachvollziehbar», sagte der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten.
«Die Vorwürfe, um die es geht, wurden bereits in einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags umfassend geprüft, und es wurde keine Falschaussage des damaligen Bundesverkehrsministers und seines Staatssekretärs festgestellt. Ich gehe davon aus, dass dieses Verfahren zum gleichen Ergebnis kommen wird.»
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) wollte die Anklage gegen Scheuer nicht kommentieren. Auf die Frage, wie er das Vorgehen des früheren Ministers bei der Maut bewerte, sagte Schnieder der Deutschen Presse-Agentur: «Das ist aufgearbeitet worden durch den Untersuchungsausschuss. Hier gibt es jetzt offensichtlich strafrechtliche Ermittlungen oder es wird dann ein Verfahren geben. Das wird Gerichtssache.» Für das Verkehrsministerium sei die Sache mit dem Schiedsverfahren erledigt.
So kam es zu den Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft hatte Anfang Mai 2022 bekanntgegeben, dass sie im April wegen des Verdachts einer Falschaussage im Untersuchungsausschuss des Bundestags ein Ermittlungsverfahren gegen Scheuer sowie den früheren Verkehrsstaatssekretär Schulz eingeleitet hat.
Grundlage waren nach Angaben der Behörde mehrere Strafanzeigen von Privatpersonen. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass Scheuer und Schulz bei einer Zeugenaussage «bewusst wahrheitswidrig» ausgesagt hätten, hieß es damals.
Darum ging es im U-Ausschuss
Die Opposition hatte Scheuer schwere Fehler im Haushalts- und Vergaberecht zulasten der Steuerzahler vorgeworfen. Er habe Verträge zur Pkw-Maut abgeschlossen, noch bevor Rechtssicherheit beim EuGH bestand. Scheuer hatte die Vorwürfe stets bestritten.
Manager der später vorgesehenen Betreiberfirmen hatten im U-Ausschuss von einem Angebot an Scheuer berichtet - sie hätten ihm dieses Ende November 2018 bei einem gemeinsamen Frühstück mit Scheuer im Ministerium gemacht. Der Chef des Ticketspezialisten CTS Eventim, Klaus-Peter Schulenberg, hatte gesagt, Scheuer habe das Angebot abgelehnt. Er habe deutlich gemacht, der Maut-Start müsse 2020 sein, im Wahljahr 2021 sei das inakzeptabel. Der Chef des zweiten Konsortialpartners Kapsch, Georg Kapsch, der ebenfalls an dem Frühstück teilnahm, bestätigte die Darstellung.
Scheuer dagegen hatte Anfang Oktober 2020 vor dem Ausschuss ausgesagt, ein solches Angebot der Betreiber habe es nach seiner Erinnerung nicht gegeben. Auch Schulz hatte ausgesagt, ein solches Angebot habe es in seiner Erinnerung nicht gegeben.
Dem Ausschussbericht zufolge ging es laut Scheuer bei dem Treffen mit den Managern um einen «allgemeinen politischen Gedankenaustausch», bei dem die Bedeutung der geplanten Pkw-Maut für den Bund bekräftigt werden sollte. Schulz hatte von einem «Kennenlerngespräch» gesprochen. Damit stand Aussage gegen Aussage.
So geht es weiter
Wegen der besonderen Bedeutung des Falles und der Position Scheuers wurde der Fall beim Landgericht Berlin angeklagt, wie es von der Staatsanwaltschaft hieß. Das Gericht muss nun entscheiden, ob es die Anklage zulässt.
«Die Sache befindet sich im Zwischenverfahren», erklärte eine Gerichtssprecherin. Wann die zuständige Kammer darüber entscheide, sei offen. Damit ist unklar, ob und wann es zum Prozess kommt.
Kommt es zur Verhandlung vor dem Landgericht, ist ein U-Ausschuss 2.0 zu erwarten. Es ist davon auszugehen, dass damalige Zeugen auch im Prozess von den Richtern befragt werden.
Das droht bei einer Verurteilung
Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird laut Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.