Die Stimme des Vampirs

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Johannes Raspe (links) leiht Robert Pattinson alias Edward Cullen seine Stimme. Fotos: Concorde, privat
Moderator Steven Gätjen (links) interviewt die Synchronsprecher (von links) Max Felder (Jacob), Annina Braunmiller (Bella) und Johannes Raspe (Edward) bei der Deutschlandpremiere von Breaking ...
 
Robert Pattinson (Edward) macht Fans bei der Deutschlandpremiere von Breaking Dawn glücklich. Foto: Concorde
 
Taylor Lautner (Jacob) im Interview bei der Deutschlandpremiere von Breaking Dawn in Berlin Foto: Concorde
 
Robert Pattinson, Taylor Lautner, Bill Condon und Wyck Godfrey bei der Deutschlandpremiere von Breaking Dawn in Berlin Foto: Concorde
 

Johannes Raspe ist kein Vampir, er spricht nur wie einer: Der 33-jährige Münchner synchronisiert Robert Pattinson in den Twilight-Filmen. Heute kommt der erste Teil von Breaking Dawn, dem Abschluss der Vampir-Saga, in die deutschen Kinos.

Es war eher Zufall, dass Johannes Raspe die deutsche Stimme von Twilight-Vampir Edward wurde: Der Synchronsprecher war gerade im Studio, als der Regisseur ihn bat, einen Trailer für "irgend so einen Vampirfilm" zu sprechen. Es blieb nicht beim Trailer. Raspe bekam die Hauptrolle.

Herr Raspe, was passiert einem so, wenn man die deutsche Stimme von Robert Pattinson alias Edward Cullen ist?
Johannes Raspe: Ja, da kommt es schon vor, dass man gefragt wird: "Kannst Du mal für mich knurren" oder "sag' mal was" oder "oh Gott! Ich hab' eine Freundin, die ist ja totaler Twilight-Fan, kannst du die mal anrufen?" oder: "Also, wenn du den mal triffst, kannst du mir dann ein Autogramm mitbringen?"

Und, machen Sie das?
Naja, es ist für mich jetzt keine große Anstrengung, durchs Telefon zu knurren oder jemandem eine Freude zu bereiten, in dem ich mit ihm oder ihr zwei Minuten lang telefoniere. Das mache ich dann letztendlich gern. Es kommt immer darauf an, wer fragt. In Bezug auf ein Autogramm von Robert Pattinson - das würde ich natürlich nicht machen. Ich mein', wie doof ist das denn: "Hey, I'm your german voice - can I have an autograph for my friend?" (Lacht). Solange es nur um mich geht, kein Problem. Aber sobald es um Pattinson geht, werde ich mich hüten, dem irgendwie da auch noch zur Last zu fallen. Das fände ich peinlich.

Das ist natürlich sehr rücksichtsvoll ...
(Lacht).

Haben Sie Robert Pattinson denn schon mal getroffen?
Getroffen kann man nicht sagen. Bei der Deutschlandpremiere letzten Freitag in Berlin stand ich ungefähr eine halbe Stunde lang in seiner unmittelbaren Nähe. Er hat Interviews gegeben, ich habe Interviews gegeben. Aber sie haben mich nicht an ihn rangelassen, er wurde total abgeschirmt. Es hieß dann, ich wäre nicht "approved", was wohl heißt, es wäre nicht sichergestellt, dass ich da kein Attentat auf die Hauptdarsteller verüben würde oder sowas. Die deutsche Verleihfirma Concorde hat alles versucht. Aber selbst bei so einem Meet & Greet, das die "Bravo" veranstaltet hat, kamen wir Synchronsprecher nicht rein. Naja, ich warte jetzt auf einen kleineren Film, bei dem ich ihn synchronisiere - und vielleicht gehen wir ja dann ja mal einen trinken!

Wie es denn das jetzt so im Alltag, wenn Sie zum Beispiel im Kaufhaus eine Verkäuferin ansprechen - passiert es dann, dass die sagt, "Moment, die Stimme kenn' ich doch"?
Nein, das passiert nicht. Das passiert deshalb nicht, weil die Leute erstens nicht erwarten, dass da gerade ein Synchronsprecher beziehungsweise die Stimme von Edward mit ihnen spricht. Und zweitens verstelle ich meine Stimme auch bei Edward. Gerade bei Edward. Sogar ziemlich extrem.

Wie sind Sie denn überhaupt die deutsche Stimme von Robert Pattinson geworden? Wie haben Sie die Sprecherrolle bekommen?
Ich war für gerade für eine andere Produktion im Studio. Und dann fragte mich der Regisseur, ob ich noch fünf Minuten Zeit hätte. Denn da wäre noch so ein Trailer für irgendeinen komischen Vampirfilm zu sprechen ...

Und Sie hatten diese fünf Minuten!
Ja. Und dann habe ich da die ersten zwei Sätze oder einen Satz und einen Laut von Robert Pattinson in Twilight 1 gesprochen. Da war noch lange nicht klar, dass Twilight so ein großes Ding werden würde. Das kam erst, als der Trailer schon lange im Kino gelaufen war.
Und dann gab's noch mal so ein kleines, internes Probesprechen für den zweiten Trailer. Da haben die Stimme von Emmett, Stefan Günther, und ich beide auf Pattinson gesprochen, und dann ich noch mal auf Emmett. Aber dann hat sich die Verleihfirma doch für die jetzige Konstellation entschieden. Lag ein bisschen daran, dass die Fans in den Foren sich sehr unflätig darüber geäußert haben, wie scheiße doch meine Stimme sei. Und dann waren wir ein bisschen verunsichert. Dann haben die von Concorde das noch mal überprüft, noch mal gecastet, ob's vielleicht noch bessere Varianten gibt. Dann haben sie mich wieder genommen für den zweiten Trailer, und im Forum gab's wieder die gleichen Einträge - mit dem Zusatz, "ja, zwar schon besser als die erste Stimme, aber immer noch scheiße". Und das Gleiche passierte dann noch mal beim Hauptfilm. Aber ab da hat dann der Verleih gesagt, "gut, dann lesen Sie jetzt halt nicht mehr so viel in den Foren, was da so geschrieben wird".

Wie spricht denn ein Vampir?
Also, im Buch wird die Stimme glaube ich so beschrieben, dass sie überwältigend und ergreifend ist. Extrem sexy und die schönste Stimme, die eine Frau jemals gehört hat oder sich überhaupt vorstellen kann. Da hat man natürlich als Sprecher gleich mal einen schlechten Start. Ich hab' halt diese Stimme. Jetzt spreche ich den, und es ist halt dann so, wie es ist. Und auch Robert Pattinson hat im Original ja auch nicht die Stimme, die sich Frau X so vorgestellt hat, als sie das im Buch so gelesen hat. Also, das ist eine schlechte Ausgangslage. Mittlerweile, bei Teil 4, passt das. Alle finden das total super. Viele sagen, "sag' mal das und das" und "wow, deine Stimme ist total toll". Aber am Anfang war das ganz anders.

Vorhin haben Sie gesagt, dass Sie Ihre Stimme für Edward extrem verstellen. Wie geht denn das überhaupt? Wie interpretiert man mit seiner Stimme eine Figur, von der man ein bestimmtes Bild im Kopf hat?
Das kann ich gar nicht so sagen. Das passiert irgendwie unbewusst. Man lernt, in den Charakter reinzuschlüpfen. Man schschaut dem ins Gesicht und wird automatisch zu dieser Figur. Da kann ich gar nicht viel dran rütteln.

Wie läuft denn das Synchronisieren dann im Studio ab?
Es gibt die technische Seite und es gibt die emotionale Seite. Es fängt damit an, dass man die Technik gebacken kriegen muss. Da ist das Bild, da ist ein Vorlauf - ein Schwarzbild mit einem Einzähler: 1,2,3 und bei 4 kommt dann das Bild. Dann geht dieser sogenannte Take los. Das kann man ein Satz sein oder zwei Sätze oder auch nur ein Atmer. Wenn die Figur im Film durch den Wald rennt und verfolgt wird, dann muss auch die Synchronstimme rennen. Und dann kriegt man vielleicht noch einen Ast ins Auge und muss da auch kurz was sagen. Das ist dann ein Take. Der ist so drei bis 12, 15 Sekunden lang. Den schaut man sich im Originalton an, dann geht der Originalton aus und man hat einen Text vor sich. Den muss man schnell drauf haben. Und dann gibt es die erste Aufnahme, da ist es dann still im Studio und man spricht halt genau an der gleichen Stelle wie der Schauspieler und möglichst so, dass es gut ausschaut und gut klingt. Nach dieser ersten Aufnahme sagt dann zum Beispiel die Cutterin: "Ja, also der eine Atmer , der war ja völlig daneben. Der hat gerade ausgeatmet, als du eingeatmet hast." Oder der Tonmeister sagt: "Also, ein bisschen mehr musst du schon rennen, da kommt ja gar nichts rüber übers Mikro. Das hört sich an, als würdest du gerade schlafen und nicht rennen." Wir gehen sehr locker miteinander um. Wir kennen uns auch schon seit vielen Jahren.
Nun, wenn man die Technik hingekriegt hat, also weiß, was man wie laut und wann sagen muss, dann kann man die Emotion reinbringen: Wenn man beispielsweise verfolgt wird, dann atmet man ja nicht nur, sondern man hat auch noch Angst - und das hört man dann auch am Atmer. Das ist schon eine hochkomplizierte Sache. Aber das ist das, was der Zuschauer haben will.

Das klingt sehr danach, dass Sie eine Schauspielausbildung hinter sich haben ...
Nee, habe ich nicht. Ich habe Sprechtechnik bei meinem Papa gehabt, der hat nach dem krieg' mit Synchronsprechen angefangen. Ich habe richtig mit elf Jahren angefangen, mache das jetzt seit 23 Jahren und lerne auch heute noch bei jeder Produktion etwas dazu. Aber der klassische Weg geht sicher über die Schauspielschule. Aber: Jeder, der eine Ausbildung hat und das machen will, kann sich bewerben und kriegt eine Chance. Synchronsprechen ist so eine Sache: Entweder man hat es drauf, in eine andere Rolle zu schlüpfen oder nicht. Also, selbst ein guter Schauspieler muss nicht automatisch ein guter Synchronsprecher sein. Denn viele Schauspieler wollen ihr eigenes Ding mitbringen und das ist beim Synchronsprechen ja nicht so gefragt. Man muss schon damit klarkommen, dass man etwas so macht, wie der Originalschauspieler das vorgegeben hat. Ich fange nicht an, die Art, wie Robert Pattinson den Edward spielt, neu zu interpretieren. Wäre nicht ganz mein Job!

Mögen Sie eigentlich die Figur Edward? Oder denken Sie sich manchmal, "Mann, was muss ich hier für einen Quark reden"?
Es ist eine ganz professionelle Sache. Ich komm' da rein und spreche einen Vampir - so, wie Pattinson ihn als Schauspieler vorgibt. Bei manchen Stellen denke ich schon, "das könnte man jetzt vielleicht auch ein bisschen mehr so machen", aber wir richten uns schon nach dem Original. Ansonsten: Naja, es ist halt ein Teenie-Film. Und ich bin kein Teenie mehr, ich finde den Hype schon toll - aber ich bin selbst kein großer Twilight-Fan.

Ich habe gelesen, dass Pattinson mittlerweile etwa 12 Millionen Dollar pro Film verlangen kann. Wie sieht's denn bei Ihnen aus?
Also, bei jeder Zeichentrickserie verdiene ich mehr als bei den Twilight-Filmen. Es ist so, dass man als Synchronsprecher pro Take - die ich vorhin erwähnt habe - bezahlt wird. Und bei einem Film wird eh nicht so viel geredet. Das sind im Ganzen vielleicht 150 Sätze. Und in einer Serie hast du pro Folge um die 200 Sätze. Also bei jeder Dokumentation, die ich spreche oder bei jeder Werbung verdiene ich mehr, als beim Synchronsprechen. Es ist unumstritten: Es gibt nichts, was mir mehr Freude in meinem Sprecherdasein beschert, als Synchronsprechen. Und die Abwechslung: Manchmal spreche ich früh einen Vampir, mittags einen Arzt, der eine Todesnachricht überbringen muss und dann zwischendurch eine Autowerbung. Es ist eine vielschichtige Arbeit, die nie langweilig wird.

Haben Sie Angst, dass Ihre Stimme für das Publikum auf ewig die von Edward Cullen sein wird?
Nein, die Gefahr besteht nicht. Ich verstelle meine Stimme für die Edward-Rolle so sehr, dass weder Fans noch Profis im Studio hören, dass ich den Edward spreche. Anders ist es zum Beispiel bei Tommi Piper, der Stimme von Alf. Der hat halt nicht mehr viel zu tun, weil jeder in ihm den Alf sieht. Meine Stimme ist sehr wandlungsfähig. Und das macht es leichter, ganz verschiedene Rollen zu sprechen.

Wem haben Sie denn sonst schon Ihre Stimme geliehen?
Ich bin zum Beispiel noch die Stammstimme von James McAvoy, der ist bekannt aus "Abbitte" und jetzt gerade "X-Men". Den spreche ich auch am liebsten, weil der so gut spielt, dass mein Anspruch sehr hoch ist, dem nichts kaputt zu machen in seinem Spiel. Ich freue mich immer darauf, den zu sprechen. Je mehr ich herausgefordert werde desto mehr Spaß habe ich an der Arbeit. Wichtig ist, dass man ein, zwei Große spricht, damit man eingeordnet werden kann. Wenn zum Beispiel ein Sprecher gesucht wird und es heißt, "hier ist der Raspe" - "ja, wer ist denn der Raspe?!" - "keine Ahnung" - "ja, dann den halt nicht". Aber wenn es dann heißt, "das ist die Stimme von Robert Pattinson", dann ist es viel einfacher. Dann umrunde ich sozusagen die erste Casting-Runde. Dann habe ich in der Serie "Die wilden 70er" noch den Eric gesprochen. Das war richtig schön, weil wir fünf Sprecher da immer zusammen im Studio waren. Heute ist es oft so, dass man allein im Studio ist, also Dialoge alleine mit sich spricht.

Auch bei Twilight?
Also, bei den ersten drei Teilen hat die Regisseurin, Ursula von Langen, dafür gekämpft, dass Annina Braunmiller, die Bella synchronisiert, und ich gemeinsam vor dem Mikro stehen - gerade bei den Liebesszenen. Und beim vierten Teil ging das irgendwie zeitlich nicht. Deshalb mussten wir alleine vorm Mikro stehen. Also, wenn sie dann sagt "ich liebe dich", dann sage ich "Ich lieb' dich auch" - dann höre ich aber nur "Ich lieb' dich auch". Dann muss ich mir vorstellen, wie sie das jetzt gesagt hat und noch mehr ins Original reinhören. Ich rede dann quasi den ganzen Tag mit mir selbst.

Schauen Sie sich die Twilight-Filme im Kino an?
Also, bei den Aufnahmen selbst sehe ich ja nicht viel von dem Film. Da ist alles schwarz-weiß und überall sind Timecodes drauf. Den richtigen Film sehe ich erst im Kino. Film eins und zwei haben wir Synchronsprecher uns zusammen angeschaut. Film 3 habe ich ausgelassen. Aber meine Frau hat ihn sich angesehen.

Und, wie lautete ihr Urteil?
(Lacht). Ehrlich gesagt, kann ich mich nicht mehr erinnern (lacht wieder). Sie guckt sich gerne meine Filme an, darüber freue ich mich immer. Mein größter und liebster Kritiker! Und jetzt schau' ich mir wieder Teil 4 an.

Was ist Ihr nächstes Projekt? Also, einen Twilight-Film wird es ja noch geben ... Aber sonst?
Als Nächstes freue ich mich auf den neuen Film von Pattinson, den er gerade mit Cronenberg dreht: Cosmopolis. Cronenberg mag ich selbst sehr gern als Regisseur. Und den Film hätte ich mir - egal, wer da mitspielt - sowieso im Kino angeschaut. Das ist etwas besonders Tolles, wenn man in einem Film mitspielt, den man sich sowieso angeguckt hätte.

Sind Sie als Sprecher schon gebucht?
Nein, noch nicht. Ich weiß nicht, ob ich Pattinson in diesem Fall sprechen werde. Ich habe noch keine entsprechende Anfrage bekommen. Das kommt auf den Verleih an. Wenn der sagt, "ach nee, nicht den Raspe - wir nehmen einen anderen", dann kann das durchaus so passieren. Ähnlich wie bei "Fluch der Karibik": Da hat David Nathan, die Stammstimme von Johnny Depp, erst ab dem vierten Teil Johnny Depp synchronisiert.

Herr Raspe, ich danke sehr für das interessante Interview!
Sehr gern.