Bunga-Bunga-Party an der Nürnberger Staatsoper

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Marcell Bakonyi im Glück (?). Szene aus der "Italienerin in Algier" an der Nürnberger Staatsoper Foto: Ludwig Olah
Marcell Bakonyi im Glück (?). Szene aus der "Italienerin in Algier" an der Nürnberger Staatsoper  Foto: Ludwig Olah
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Laura Scozzi inszeniert Rossinis "Italienerin in Algier" an der Staatsoper Nürnberg als brachialen Geschlechterkampf.

Grobe Überzeichnungen gehören zum Markenkern des so genannten Regisseurstheaters und insofern längst zu den Standardtechniken der Bühne. Fatal wird es jedoch, wenn eine Inszenierung an chronischer Überdosis krankt.
So gesehen am Samstag in der Staatsoper Nürnberg, wo Laura Scozzi die durchaus genialische, aber thematisch recht eindimensionale Oper "L'Italiana in Algeri" ihres Landsmanns Gioacchino Rossini auf die Bühne brachte. Darin geht es wie fast immer um Liebe und Macht, vor allem jedoch darum, wie - aktuell gewendet - Männertypen à la Donald Trump ihre ungezügelte Gier auszuleben gedenken. Das aufgebotene Testosteronpersonal jedenfalls scheint noch nie etwas von Sublimierung gehört zu haben, statt dessen wird gerauft und gerungen, dass es eine Freude ist, freilich unter nicht unerheblicher Beteiligung von wehrhaften Frauen. Doch bald stellt sich Überdruss ein am ständigen Gerangel, und man möchte Laura Scozzi zurufen, dass wir die Lektion vom unerbittlichen Antagonismus zwischen Mann und Frau längst begriffen haben.
Schon während der Ouvertüre mutiert eine scheinbare Anbandlungsszene zum blutig endenden Geschlechterkampf, und die erste Leiche liegt bald auf den Bühnenbrettern. Atmosphärisch fühlt man sich am Hofe des Bey von Algier zwischen Führungskräften von Drückerkolonnen und Vorstadtzuhältern situiert. Betriebsausflug mit Sex-Appeal, Bunga Bunga sozusagen. Die einschlägigen Utensilien dieser neureichen Halbwelt reichen vom Stringtanga bis zum Outfit einer Misswahl. Die Luden schaffen Frauennachschub aus Berlusconi-Land herbei, ein aufreizendes Terzett mit der schönen Isabella in der Mitte, doch die demonstriert bald, dass sie die Extreme im Umgang mit Männern beherrscht: sie einerseits an Marionettenfäden zappeln zu lassen, andererseits die Nymphomanin zu spielen. Das eigentlich Interessante am Genre der Türkenoper ist ja jener präkoloniale Aspekt, dass der Harem mit europäischen Frauen bestückt wird...
Das geschickt verschachtelte Bühnenbild erlaubt dank viel beschäftigter Drehbühne eine rasche Szenenfolge nach Art von Videoclips. Die allerdings haben es in sich, sorgen für Zuspitzungen und auch für manchen Schmunzler. Wenn es zum Beispiel um die waffentechnische Aufrüstung im Geschlechterkrieg geht, landet man nach dem zaghaften Beginn mit einer Pistole bald beim Schnellfeuergewehr. Rauscht in einer Szene ein Sofa vorbei, auf dem der Vertreter des starken Geschlechts mit dem Dolch im Rücken präsentiert wird, so findet sich bei der nächsten Bühnenumdrehung die Frau in der nämlichen Pose - stumme Szenen einer tumultuösen Ehe. Overkill, wohin man schaut, so lautet Laura Scozzis Devise.


Isabella als Batwoman

Das gilt insbesondere für die Erotikshow. Sadomaso, Bauchtanz, Porno-Fantasien, Striptease und eine Nikab-Trägerin unten ohne, nichts wird ausgelassen. Das kommt ständig so grell daher, dass die zwangsläufige Abnutzung bald zur Langeweile führt, allen originellen Ideen zum Trotz. Da mag der Mustafà (Marcell Ba-konyi mit sehr massiver Stimme) zum Drogenhändler mutieren oder die Isabella (rundum überzeugend: Ida Aldrian) als Domina im Kostüm einer Batwoman auftreten, stets wird dick aufgetragen. Und wenn es die Erotiktruppe dem Bey mal so richtig "besorgen" soll, dann muss es gefühlte zwanzigmal sein. Mustafà, als "Pappataci" der Lächerlichkeit preisgegeben, wird mit K.-o-Tropfen schachmatt gesetzt, damit Taddeo seinen Safe plündern und die Pässe ergattern kann. Es soll nämlich zurück nach Italien gehen. Flüchtlingsschicksal mit umgekehrten Vorzeichen, das ist eine ironisch-aktuelle Wendung!
In musikalischer Hinsicht war bei Guido J. Rumstadt, der selber am Cembalo saß, wieder alles in besten Händen. Er ließ es bisweilen ordentlich krachen, sorgte aber auch für intensive Momente, z. B. im vorzüglich gestalteten Ensemble "Confusi son". Aus der durchweg erstklassigen Sängerbesetzung vermochte Martin Platz (Lindoro) mit seiner noch nicht ganz koloraturenfesten, aber wunderbar timbrierten und in der Höhe leichten Tenorstimme hervorzustechen.

Weitere Vorstellungen 24., 28. Januar, 1., 5., 12., 26. Februar und weitere Termine in März und April
Karten unter www.staatstheater-nuernberg.de