Die Stuttgarter Kanzlei gibt ausdrücklich eine vorläufige Bewertung ab. «Eine ausführliche rechtliche Bewertung soll ggf. zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen», heißt es in dem Kurzgutachten.
Keine Lösung absehbar
Am Freitag war die Wahl zweier neuer Richterinnen und eines Richters für Karlsruhe kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags abgesetzt worden. Der Druck gegen die von der SPD vorgeschlagene Juristin Brosius-Gersdorf war in der Union zu groß geworden. Die Fraktionsführung konnte die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung nicht mehr garantieren. Abgeordnete hatten nach dpa-Recherchen vor der geplanten Abstimmung zum Teil viele E-Mails erhalten, in denen vor der Wahl der Staatsrechtlerin gewarnt wurde.
Nun ist völlig offen, wie CDU, CSU und SPD das Dilemma auflösen und doch noch gemeinsam Richter wählen können – denn Unionspolitiker halten an ihrer Kritik genauso fest wie die SPD an ihrer Kandidatin.
Brosius-Gersdorf spricht von Kampagne
Brosius-Gersdorf sagte in der Sendung «Markus Lanz», es gehe nicht mehr nur um sie. «Es geht auch darum, was passiert, wenn sich solche Kampagnen, und es war in Teilen eine Kampagne, durchsetzen, was das mit uns macht, was das mit dem Land macht, mit unserer Demokratie.» Dies müsse sie wägen.
«Ich möchte auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land, weil wir nicht wissen, was dann hinterher passiert. Das sind alles Aspekte, die nehme ich unheimlich ernst und die bedenke ich.»
CDU-Abgeordnete sieht nun SPD-Fraktionschef in Verantwortung
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig, die sich vehement gegen eine Wahl von Brosius-Gersdorf ausgesprochen hatte, gab dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch die Verantwortung für die verfahrene Situation. Dieser habe gewusst, dass es in ihrer Fraktion rumore. «Er hätte die Kandidatin zurückziehen müssen und uns allen diese Diskussionen ersparen sollen», sagte sie in einem «Welt»-Interview.
Die Signale seien mehr als deutlich, dass «von uns Abgeordneten diese Dame nicht wählbar ist». Das sei auch in einem großen Teil der Bevölkerung zu spüren. «Da ist Herr Miersch in der Verantwortung zu handeln.»
Die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann sagte in der Sendung «Frühstart» von RTL/ntv zum Interview mit Brosius-Gersdorf: «Eine solche Frage wird am Ende weder in Talkshows noch in den Medien entschieden, sondern es ist eine Frage, die im Gespräch zwischen den Koalitionsfraktionen zwischen SPD, CDU und CSU entschieden werden muss.»
Bamberger Erzbischof bietet persönliches Gespräch an
Nach Irritationen um eine Predigt bot der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl der Professorin ein persönliches Gespräch an. Er wolle damit Missverständnisse ausräumen, schrieb Gössl in einer Erklärung. Brosius-Gersdorf war im ZDF auf Gössls Predigt vom Wochenende zu sprechen gekommen. Sie finde es besonders verstörend, dass dieser in Bezug auf ihre Person von einem «Abgrund von Intoleranz und Menschenverachtung» gesprochen habe. «Ich finde das infam.»
Bei der Formulierung in der Predigt war es um den Schutz ungeborenen Lebens gegangen. Gössl betonte nun in seinem Schreiben: «Ich habe zu keinem Zeitpunkt die angesehene Juristin Frauke Brosius-Gersdorf persönlich angreifen oder diffamieren wollen. Ihre Kompetenz als Juristin und ihre persönliche Integrität habe ich niemals in Zweifel gezogen.»