"Statistisch gesehen ist das ein sehr geringer Wert", erklärt der Leiter für den Bereich Rettungsdienste beim Malteser Hilfsdienst, Michael Schäfers. Zugleich sagt er aber auch, dass die Straftaten gegen Rettungshelfer der Malteser im Vergleich zu 2015 um 17 Prozent zunahmen.
Auch Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes und der Johanniter Unfall-Hilfe halten Gewalt gegen Rettungskräfte für eine Ausnahme. "Die Fälle von Gewalt bewegen sich im Promillebereich", sagt Tobias Eilers vom Landesverband Nordrhein-Westfalen der Johanniter-Unfall-Hilfe.
Beschimpfungen und Beleidigungen
Bundesweite Zahlen zur Gewalt gegen Rettungskräfte fehlen. Einige Studien weisen jedoch darauf hin, dass Aggression gegen Sanitäter und Feuerwehrleute häufiger vorkommt, als dies die Hilfsdienste einräumen. So ergab eine Umfrage der Ruhr-Uni Bochum unter Notärzten und Rettungssanitätern in NRW, dass ein Viertel von ihnen in vorausgegangenen zwölf Monaten im Einsatz körperlich angegriffen wurde. Beschimpfungen und Bedrohungen waren rund 90 Prozent der Befragten ausgesetzt.
Offenbar gibt es dabei ein erhebliches Stadt-Land-Gefälle. Die Umfrage zeigt, dass gewaltsame Übergriffe in Metropolen mit mehr als 500.000 Einwohnern doppelt so häufig vorkommen wie in kleineren Städten.
Das bestätigt auch die Studie von Janina Lara Dressler. Für ihre Promotionsarbeit am Kriminologischen Seminar der Universität Bonn befragte die Wissenschaftlerin 2014 rund 1.600 Feuerwehrleute und Rettungssanitäter - ausschließlich in Metropolen. Die Ergebnisse der Umfragen in Berlin, Hamburg, München und Köln fallen deutlich drastischer aus als die der Wissenschaftler von der Ruhr-Universität. "Insgesamt ist etwas mehr als jeder zweite Befragte im Jahr 2014 Opfer irgendeiner Form von körperlicher Gewalt geworden", stellt Dressler fest.
Kaum Konsequenzen
Die Kriminalwissenschaftlerin vermutet, dass die tatsächlichen Zahlen noch höher liegen. Denn viele Straftaten würden gar nicht erst angezeigt. Der Grund: Zum einen seien die Meldewege innerhalb der Rettungsdienste und Feuerwehren zu aufwendig. "Zum anderen ist aber auch das Vertrauen der Einsatzkräfte darauf, dass ihre Meldung oder Anzeige für den Täter Konsequenzen hat, niedrig." Mehr als 60 Prozent der von ihr untersuchten Fälle seien durch die Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Das sorge für Frustration und Resignation bei den Einsatzkräften.
Die Fachgewerkschaft Komba NRW fordert eine Verbesserung der Meldewege und bessere Fortbildungsmöglichkeiten im Bereich Deeskalationstraining und Selbstverteidigung. Notfallsanitäter Zysno wünscht sich vor allem eine bessere Schulung im interkulturellen Bereich. Denn auch im ländlichen Hochsauerlandkreis habe er es oft mit Menschen aus fremden Kulturen zu tun: "Und da kann es leicht zu Missverständnissen kommen, die Aggressionen verursachen."