Mitglied in der neuen AfD-Jugendorganisation kann in der Regel nur noch sein, wer auch schon in der AfD ist. Verstöße gegen Regeln oder Fehlverhalten können somit geahndet werden, bis hin zum Parteiausschluss. Die Organisation soll für alle AfD-Mitglieder unter 36 offen sein.
Mehrere Verletzte - AfD-Abgeordneter berichtet von Angriff
Nach Weidels Angaben wurde am Rande der Proteste der AfD-Bundestagsabgeordnete Julian Schmidt «zusammengeschlagen». Er bestätigte der dpa einen Angriff. Er sei nach dem Parken des Autos nahe der Halle von rund 20 Leuten angegriffen worden. Blaue und rote Flecken auf Nase und Jochbein seien Folgen des Angriffs. Schmidt sprach von einer neuen Qualität der Konfrontation. Die Polizei sagte ohne Namensnennung, ein AfD-Bundestagsabgeordneter sei verletzt und ein mutmaßlicher Täter festgenommen worden. Die Ermittlungen liefen.
Bis zu 50.000 Teilnehmer waren von der Polizei in Gießen erwartet worden. Am Nachmittag sprach Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) von 25.000 bis 30.000 Demonstranten. Tausende Polizisten aus 15 Bundesländern waren im Einsatz, es war nach Behördenangaben einer der größten Polizeieinsätze in der Geschichte Hessens. Dies auch, weil vorab Gewaltaufrufe aus der linken Szene kursierten. Laut Poseck gab es mehrere Hundert gewaltbereite Demonstranten.
Blockaden von Bundesstraßen
Demonstranten blockierten unter anderem zeitweise die Bundesstraßen 49 und 429. Rund 2.000 Menschen besetzten die Bundesstraße 49. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, nachdem trotz mehrmaliger Aufforderung die Straße nicht freigemacht worden sei. Auch auf der B429 kam es zu einer Blockade und zum Einsatz eines Wasserwerfers. Zudem wurden Beamte laut Polizei auf der Konrad-Adenauer-Brücke in der Stadt mit Flaschen beworfen und nahe der Messehallen mit Leuchtspurmunition beschossen. An einer Blockadestelle hätten sich Beamte mit Pfefferspray gegen Steinewerfer verteidigt.
Eine Gruppe von Demonstranten versuchte am Nachmittag, zum Veranstaltungsort in den Messehallen durchzubrechen. Wie ein dpa-Reporter berichtete, versuchten etwa 30 bis 40 Personen, die Polizeiabsperrungen zu überwinden. Die Polizei drängte die Aktivisten auch mit einem Wasserwerfer zurück. Die Bundespolizei berichtete zudem von einem Dienstpferd, das «ohne Fremdeinwirkung» einen Abhang neben einer Straße hinuntergestürzt sei. Weder Reiterin noch Pferd seien verletzt worden.
«Alle zusammen. Gegen den Faschismus»
Die größte von zahlreichen Demonstrationen hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) organisiert. Rund 20.000 Menschen versammelten sich morgens. Protestierende skandierten etwa «Alle zusammen. Gegen den Faschismus» und «Stoppt die Brandstifter». Der Bezirksvorsitzende des DGB Hessen-Thüringen, Michael Rudolph, sprach von einem «beeindruckenden, sichtbaren und zutiefst demokratischen Zeichen gegen Menschenfeindlichkeit und Spaltung».
Die Polizei sicherte den Veranstaltungsort in den Messehallen mit einem Großaufgebot und riegelte die Zufahrtswege ab, darunter auch Brücken über die Lahn. In der Gießener Innenstadt - ein Stück entfernt vom Veranstaltungsort am anderen Lahnufer - blieb es weitgehend ruhig. Hubschrauber kreisten in der Ferne in Luft. Auf dem Weihnachtsmarkt waren deutlich weniger Stände offen - auch viele Geschäfte blieben geschlossen.
Bündnis sieht Erfolg
Das Einsatzkonzept sei nach Einschätzung der Polizeiführung «insgesamt aufgegangen», sagte ein Polizeisprecher. «Es gab einen Raum für friedlichen Gegenprotest. Gegen Blockaden, die ausschließlich der Verhinderung der AfD-Veranstaltung dienten, wurde differenziert und konsequent vorgegangen.»
Das Bündnis «Widersetzen» bezeichnete die Aktionen zivilen Ungehorsams gegen die Gründung der AfD-Jugendorganisation als «riesigen Erfolg». Rund 15.000 Menschen hätten an Blockaden teilgenommen und Zugänge zu dem Gründungskongress versperrt.
Merz kritisiert Gewalt
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kritisierte die Gewalt scharf. «Sie werden heute Abend Fernsehbilder aus der Stadt Gießen sehen, die alles andere als erfreulich sind, eine Auseinandersetzung zwischen ganz links und ganz rechts», sagte Merz beim Landesparteitag der sachsen-anhaltischen CDU in Magdeburg. «Ich möchte, dass wir in der politischen Mitte unseres Landes zeigen, dass wir Probleme lösen können.»
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt betonte: «Demonstrieren ist ein Grundrecht, deswegen muss man das ermöglichen. Sich versammeln ist auch ein Grundrecht, das muss man auch ermöglichen», sagte der CSU-Politiker in einer Rede beim Landesparteitag der sächsischen CDU in Leipzig. «Aber ich kann nur sagen: Größten Respekt vor den Polizistinnen und Polizisten, wenn ich jetzt schon wieder sehe, wie Vermummte, wie Chaoten, wie Leute mit Bengalos, mit Fackeln, gewaltbereit auf die Polizei zugehen.»