Kreuz-Erlass: "Söder trifft einen Nerv"

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Zeichnung: Klaus Stuttmann
Zeichnung: Klaus Stuttmann
Liane Bednarz
Liane Bednarz
 

Bei rechts gesinnten Christen aber kann Söder punkten. Das sagt die Publizistin Liane Bednarz.

Seit dem Erlass Markus Söders, Kreuze in baye-
rischen Amtsstuben aufhängen zu lassen, ist das Verhältnis zwischen Staat und Kirche zum Gegenstand hitziger Diskussionen geworden. Söders Erlass lässt sich auch als Symptom einer zunehmenden gegenseitigen Durchdringung von Religion und Politik interpretieren.
So haben in der Flüchtlingskrise beide große Kirchen den Kurs der Kanzlerin verteidigt und unmissverständlich gegen einen erstarkenden Rechtspopulismus Stellung bezogen. Auf der anderen Seite instrumentalisieren rechts gesinnte Christen die Religion zunehmend für ihre politische Agenda.
In ihrem aufschlussreichen neuen Buch "Die Angstprediger" (Droemer Verlag, 256 Seiten, 16,99 Euro) beschreibt die Publizistin Liane Bednarz, wie rechte Christen gegen eine angebliche Islamisierung kämpfen, gegen Zuwanderung und eine als zu liberal empfundene Kirche.

Spricht Markus Söder vielen Christen aus der Seele?
Liane Bednarz:
Er trifft einen Nerv bei rechten Christen sowie bei konservativen Gläubigen, die das Gespür für die Grenze zwischen dem konservativen Denken und einer rechtsautoritären Politik verloren haben. Hingegen durchschauen Kirchenvertreter wie Kardinal Marx, wie hier das Kreuz instrumentalisiert wird, um einen Kulturkampf gegen den Islam zu führen. Söder geht es in erster Linie darum, AfD-Wähler einzufangen, um die absolute Mehrheit der CSU zu verteidigen. Tatsächlich macht er so aber nur die AfD salonfähig.

Wann sind Christen konservativ?
Als konservativ definiere ich Katholiken, die den Zölibat befürworten, die Ordination von Frauen ablehnen und Anhänger einer strengen Hierarchie innerhalb der Kirche sind. Protestanten sind in meinen Augen dann konservativ zu nennen, wenn sie die Heilige Schrift wörtlich nehmen. In der Regel gehören sie dem evangelikalen Milieu in- und außerhalb der evangelischen Landeskirchen an.

Konservativ ist nicht gleichbedeutend mit rechts. Wann halten Sie Christen für rechts?

Wenn sie sich explizit rechtes Gedankengut angeeignet haben. Die politische Rechte und rechte Christen pflegen eine Reihe von gemeinsamen Feindbildern. Sie teilen die aggressive Angst vor einer vermeintlichen "Islamisierung", die Abscheu vor dem sogenannten "Genderwahn" und die Kritik dessen, was sie als "Lügenpresse" und "Meinungsdiktatur" empfinden. Daraus spricht unterm Strich eine Verachtung gegenüber einer liberalen und pluralistischen Gesellschaft. Auch rechte Christen reden vom "Eigenen" und dem "Fremden", so wie dieses Oppositionspaar das Weltbild der Identitären und von vielen innerhalb der AfD prägt.

Dabei ist das zentrale christliche Motiv der Nächstenliebe weder an Hautfarbe noch an Herkunft oder Religionszugehörigkeit gebunden.
Das stimmt. Allerdings sind rechte Christen recht geschickt darin, christliche Begriffe zu kapern und in ihrem Sinne umzudeuten. Sie drehen semantische Pirouetten mit der Unterscheidung zwischen Nächsten- und Fernstenliebe. Der Begriff der Nächstenliebe wird bisweilen unter den Vorbehalt der deutschen Volkszugehörigkeit gestellt. Einer theologischen Prüfung hält diese Auslegung natürlich nicht stand. Die ethnisch-kulturellen Kategorien hat das Neue Testament überwunden.

Sind rechte Christen in Netzwerken organisiert?
Es gibt Netzwerke, in denen man immer wieder auf gen rechts gedriftete Christen trifft, sei es als Redner oder Mitwirkende auf Podien. Dazu zählen etwa das päpstliche Hilfswerk "Kirche in Not", das "Forum deutscher Katholiken" sowie die "Demo für Alle". Weitere Gallionsfiguren des Milieus sind Beatrix von Storch und der Publizist Matthias Matussek, der inzwischen offen für die "Identitäre Bewegung" schwärmt.

Gerade der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat sich klar gegen Rechts positioniert.
"Christen dürfen nicht bei Pegida nicht mitmachen": Das war eine starke Aussage von Erzbischof Schick. Allerdings ist Schicks Aussage auf die Kritik vieler Christen gestoßen ist. Die Kirche solle sich nicht in politische Dinge einmischen, hieß es.

Es gibt auch unabhängig von Schicks Einlassung ein Unbehagen an einer politisierenden Kirche.
Das ist ein schmaler Grat. Eine Kirche, die sich selbst ernst nimmt, muss ihre eigenen Werte verteidigen. Eine Kirche, die zur Flüchtlingsfrage geschwiegen hätte, hätte sich blamiert. Allerdings sind Teile gerade der evangelischen Landeskirchen in steter Gefahr, eine links-grüne Politik als ziemlich alternativlos zu setzen. Eine liberale und rechtsstaatlich argumentierende Kritik an der Flüchtlingspolitik wird eigentlich nicht mehr repräsentiert. Konservativ denkende Christen frustriert das. Außerdem dürfen die Kirchen auch im Umgang mit der AfD nicht Maß und Mitte verlieren.

Tun Sie das denn?
In Köln beispielsweise haben die Kirchen im April 2017 unter dem Motto "Unser Kreuz hat keinen Haken" gegen einen AfD-Parteitag demonstriert. Sie haben damit die AfD mit dem Nationalsozialismus verglichen. Das ist unhistorisch und noch dazu hysterisch.

Welche Angebote sollten die Kirchen konservativen Christen machen?
Die beiden Kirchen müssen streng konservative christliche Positionen wieder stärker aushalten und ihnen mehr Raum geben. Allerdings gilt es dabei, stets auch klar aufzuzeigen, wo das rechte Denken beginnt und wo dessen Thesen und Forderungen nicht mehr mit dem Inhalt des Evangeliums kompatibel sind.

Welche konservativen Positionen könnten dies sein?
Die Abtreibungsthematik zum Beispiel. Oder auch die Themen Sünde, Tod und Erlösung.