Hunderte unerkannte Morde in Bayern? Rechtsmediziner hat erschreckende Vermutung

1 Min

Gibt es in Bayern deutlich mehr unnatürliche Todesfälle als bisher angenommen? Ein Rechtsmediziner plädiert dafür, wie in anderen Bundesländern eine zweite Leichenschau einzuführen, um keine Spuren zu übersehen. Denn die Zahlen, die er vorlegt, sind erschreckend hoch.

War es ein natürlicher Tod oder doch ein Verbrechen? Wenn ein Mensch stirbt, muss ein Arzt die Todesursache feststellen. Um auf Nummer sicher zu gehen, gibt es in allen deutschen Bundesländern die zweite Leichenschau kurz vor einer Feuerbestattung – überall, nur nicht in Bayern. Tausende Tötungsdelikte würden durch dieses Versäumnis unbemerkt bleiben, warnt ein Rechtsmediziner. Daher soll sich etwas im Freistaat ändern.

Ab Januar 2025 soll es auch in Bayern die zweite Leichenschau geben. Ursprünglich war der 1. Juli 2024 angepeilt worden, informiert die Bayerische Landesärztekammer mit Verweis auf das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention. In der Praxis bedeutet das: Soll ein Toter in einem Krematorium eingeäschert werden, muss ein Experte vor Ort nochmals die Leiche untersuchen. Denn ist die Leiche erst einmal eingeäschert, sind auch alle Beweise vernichtet.

Als einziges Bundesland: Keine zweite Leichenschau in Bayern - Änderung hat aber Folgen 

Zuständig ist das jeweilige Gesundheitsamt der Region, das auch bestimmen kann, wer die Leichenschau übernimmt. Laut der Ärztekammer können das Rechtsmediziner sowie Pathologen, aber auch "juristische Personen des öffentlichen Rechts" und "nach ärztlichem Berufsrecht zulässige Gesellschaften des Privatrechts" sein. Das Problem dabei ist: Die bayerischen Gesundheitsämter haben nicht genug Personal, um sich selbst um die Leichenschauen zu kümmern. Daher lief im Herbst eine öffentliche Ausschreibung, an der medizinisches Personal teilnehmen und seine Bereitschaft zeigen konnte.

Aber warum ist die zusätzliche Kontrolle so wichtig? Rechtsmediziner Oliver Peschel, der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München lehrt, rechnet vor, wie viele Tötungsdelikte mithilfe der zweiten Leichenschau ans Licht kommen könnten: Zwischen 1200 und 2400 solcher Fälle bleiben laut Peschel bisher unerkannt, während 700 bis 800 Tötungsdelikte als solche erkannt werden. Dazu zählen beispielsweise Mord oder schwere Körperverletzung mit Todesfolge, erklärt der Mediziner in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk.

Studien anderer Bundesländer zeigen, dass in der Vergangenheit jährlich rund 200 Todesursachen revidiert werden mussten, weil sie fälschlicherweise als natürlich vermerkt worden waren. Dies liege laut Peschel daran, dass die erste Leichenschau oftmals nicht sorgfältig genug und mit zu wenig Routine ablaufe. Da Feuerbestattungen in Deutschland zunehmen, wird die zweite Leichenschau noch relevanter. Laut der überarbeiteten Bestattungsverordnung sind daher entsprechende Fortbildungen für Ärzte vorgesehen. Doch das ist nicht die einzige Folge: Auf die Angehörigen der Verstorbenen kommen zusätzliche Kosten zu. Denn sie müssen dann zwei Leichenschauen bezahlen.

Aktuelle Trauerfälle auf unserem fränkischen Trauerportal
Vorschaubild: © Felix Kästle/dpa