Welche Karten fehlen Christian Ude möglicherweise zu einem Erfolg bei der Landtagswahl? Der Spitzenkandidat der SPD sollte sich unter anderem mal in Schonungen und Bad Rodach umschauen. Dort spielt der rote Nachwuchs groß auf.
Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis der jungen Roten, die in letzter Zeit aufhorchen ließen, wird man in Schonungen fündig, bei einer älteren Dame an dem Weg zum Einkaufen. Leider lässt sich der Tonfall ihrer Antwort im Druck nicht wiedergeben, denn der ist hochachtungsvoll, ein fränkischer Superlativ: "Des Bürschla, des mecht sei Zeuch."
Das "Bürschla" heißt Stefan Rottmann, ist Bürgermeister der Gemeinde der Großgemeinde vor den Toren Schweinfurts und war vor bis ein paar Tagen mit 25 der jüngste hauptamtliche Rathauschef in Deutschland. Dieses Prädikat hat der Unterfranke am 1. November gerne nach Oberfranken abgegeben: Tobias Ehrlicher, zehn Tage jünger als Rottmann, regiert die Kurstadt. Beide sind SPD-Mitglieder und haben vermeintliche Erbhöfe der CSU erobert, die in den bayerischen Großstädten schon immer schwach war, auf dem Land aber eine Macht ist.
"War", sagt Christian Ude, der München gefühlt schon immer als Oberbürgermeister regierte und bei der Landtagswahl 2013 als Spitzenkandidat der SPD am Stuhl von Horst Seehofer (CSU) sägt. Der 65-Jährige wirft natürlich seine Erfahrung, nicht die Jugend in die Waagschale und sieht im Erfolg der jungen Sozialdemokraten mehr als eine Randnotiz. Die Ehrlichers und Rottmanns stehen laut Ude für die Frischzellenkur der SPD: Die Erfolge sind "schon spektakulär", sagt der Münchner OB; für ihn ist es wichtig - und nicht nur für die SPD -, "ob sich junge Menschen für Politik begeistern können."
Dass die SPD sich nicht ganz aus freien Stücken verjüngt hat, klingt beim Gespräch mit den jungen und alten Roten bisweilen durch. Schröder steht in der SPD bis heute für eine radikale Erneuerung. Schluss mit der Sozialromantik. Dass der Erfolg für Schröder zum Pyrrhussieg wurde, ist eine Ironie der Geschichte, denn die späte Anerkennung für die Agenda-Politik erntete die SPD im Jammertal .
Die Jungen hatten also Zeit, erwachsen zu werden, könnte man gehässig sagen. Doch der SPD-Nachwuchs will seinen Erfolg selbst gar nicht so hoch hängen. "Ich konzentriere mich auf die Arbeit in Bad Rodach. Zu tun ist genug", sagt Tobias Ehrlicher, der sich als politischer Seiteneinsteiger (Bank/ Versicherung) mit vier Jahren Stadtratserfahrung keine Schonfrist gönnt: "Einarbeiten muss ich mich, klar, aber da liegt die Betonung auf Arbeit."
Die Vielfalt des Amtes reizt Ehrlicher ist der Chef über 130 Mitarbeiter, ein mittelständisches Unternehmen also, muss sich um die Therme und eine Reihe von Eigenbetrieben kümmern. Es ist die Vielfalt des Amtes, die ihn gereizt hat und reizt. Gerade weil er kein "gesetzter" Berufspolitiker ist. Ein Erfolgsgeheimnis hat er nicht. "Entscheidend ist, dass man auf die Leute zugeht und wie, dass man ihre Sprache spricht."
Wie Ehrlicher ging auch Stefan Rottmann im Wahlkampf von Haus zu Haus, gewann am Ende hauchdünn und ist jetzt dabei, die andere der Hälfte der Schonunger von sich zu überzeugen. "Das lässt sich gut an", sagt der gelernte Banker, der wieder von Haus zu Haus geht, wenn er etwas ändern will.
Aktuelles Beispiel ist der Bauplatzmangel. Der Bürgermeister hat die vielen brach liegenden Grundstücke ins Visier genommen, die Eltern oder Großeltern für ihre Kinder und Enkel reserviert haben. "Es gibt keinen Bauzwang, mit Druck oder öffentlichen Aufrufen kommt man nicht weit." Also sucht Rottmann das Gespräch, mit ersten Erfolgen.
Bürgernähe funktioniert in einer Gemeinde noch einfach, in der Landespolitik schwieriger, so dass ein Ude einiges, aber nicht alles bei seinen jungen Genossen lernen kann. Wie sieht es dazwischen aus? Florian Töpper wird es ab 1. Februar erfahren. Dann ist der Richter am Amtsgericht der neue Schweinfurter Landrat nach einem überraschenden Sieg gegen den Amtsinhaber Harald Leitherer von der CSU. Im Quartett der jungen erfolgreichen Roten ist der Jurist mit 33 der Senior und als Richter näher an der Verwaltung als seine Kollegen. Das nimmt er als Amtsbonus mit vom Gericht eine Straßenecke weiter ins Landratsamt.
"Die Doppelrolle als gewählter Politiker und Chefbeamter der Verwaltung sehe ich als Besonderheit im Amt des Landrats", sagt Töpper, der eine Zeitlang brauchte, um seinen Sieg zu fassen. In der CSU hieß es nach der Schlappe, die SPD habe es verstanden, ihre Stammwähler zu mobilisieren. "So viele haben wir ja im Landkreis Schweinfurt bei weitem nicht."
Nach der langen Ära Leitherer war die Zeit wohl reif für einen Wechsel, meint Töpper bescheiden und redet damit seinen eigenen Erfolg klein: Noch nie gab es in Unterfranken einen SPD-Landrat.
Der Vierte im Bunde ist zwar kein Franke, passt aber ins Bild: Michael Adam ist jung, evangelisch und bekennt sich offen zu seiner Homosexualität: So kann man als Genosse vielleicht in Berlin punkten, aber in Bodenmais und im tiefschwarzen Landkreis Regen?
Der richtige Ton Michael Adam hat es geschafft. Der Student wurde 2008 zum Bürgermeister gewählt, 2011 zum Landrat. Seither hat das "Bürschla" alle überrascht, die SPD-Spitze eingeschlossen, denn Ude stiehlt der bodenständige Bayerwälder im Bierzelt locker die Schau. Und poltert auf Facebook auch schon mal gegen den eigenen Parteivorstand.
Dass er auf seiner privaten Homepage akribisch alle Einkünfte auflistet, macht den einst jüngsten Bürgermeister und immer noch jüngsten Landrat der Republik jetzt auch zum gläsernsten aller Politiker.
"Ehrlicher muss die Politik werden, jünger, offener", ist sein Credo. Eine Watschn für die Alten? Vielleicht. Ganz schon keck sind sie allemal, die jungen Bürschla.