In einem Fort am Mittelmeer zelebrieren Merz und Macron trotz Regierungskrise in Paris den Neustart der deutsch-französischen Beziehungen. Der Kanzler schwärmt vom «Geist von Toulon».
Deutschland und Frankreich rücken in der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik enger zusammen. Beim Ministerrat in Toulon legten beide Regierungen ihren langen Streit über die Nutzung der Atomkraft weitgehend bei. Auf europäischer Ebene wollen sie nun zu einer Gleichbehandlung emissionsarmer Energiequellen einschließlich der Kernenergie kommen. Der Ukraine sicherten beide Seiten angesichts anhaltender russischer Angriffe weitere Hilfe bei der Luftverteidigung zu und drohten dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit neuen Sanktionen.
«Der deutsch-französische Motor ist also wieder angesprungen», sagte Merz nach dem Treffen. «Ein klarer Blick für die Realität und der beste Wille, sie zu gestalten, das ist für mich(…) der Geist von Toulon.»
Macron spricht von «europäischem Meilenstein»
Ähnlich äußerte sich Macron. «Wenn Frankreich und Deutschland beschließen, gemeinsam voranzugehen, dann verändert sich der Rhythmus ganz Europas», kommentierte er die Begegnung. «In Toulon wird nicht nur unsere Freundschaft bekräftigt. Es ist ein europäischer Meilenstein, der erreicht wird.»
Überschattet wurde das Treffen allerdings von der Regierungskrise in Frankreich. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und das halbe deutsche Kabinett trafen in Toulon auf eine französische Regierung, die vielleicht bald nicht mehr im Amt ist. Frankreichs Premierminister François Bayrou wird am 8. September die Vertrauensfrage stellen. Es wird erwartet, dass er sie verliert und die Regierung fällt. Der französische Präsident Emmanuel Macron ist davon zwar nicht direkt betroffen, wird durch die Krise aber politisch geschwächt.
Macron und Merz verstehen sich
Es war der erste sogenannte deutsch-französische Ministerrat seit dem Regierungswechsel in Berlin im Mai. Schon bei seinem Antrittsbesuch in Paris hatten Merz und Macron einen Neustart in den deutsch-französischen Beziehungen beschworen. Macron versteht sich mit Merz deutlich besser als mit dessen Vorgänger Olaf Scholz (SPD), zu dem das Verhältnis bis zuletzt unterkühlt blieb. Beide begrüßten sich in Toulon mit einer innigen Umarmung. «Politik wird von Menschen gemacht und nicht von Institutionen», sagte Merz bei der gemeinsamen Pressekonferenz vielsagend.
Inhaltliche Differenzen konnten Merz und Macron bisher aber kaum ausräumen. Das ändert sich nun an den ersten Stellen und der deutsch-französische Ministerrat zur Wirtschafts- und Sicherheitspolitik im Fort du Cap Brun aus dem 19. Jahrhundert über dem Mittelmeer soll dafür nur der Anfang sein.
Atom-Einigung wichtigster Wirtschaftsbeschluss
Im Mittelpunkt stand die Wirtschaftspolitik, zu der eine lange gemeinsame Agenda beschlossen wurde. Trotz unterschiedlicher Modelle - Frankreich setzt auf einen Ausbau der Kernenergie, während Deutschland alle AKW abgeschaltet hat - wollen beide sich in der Energiepolitik nicht mehr im Wege stehen, sondern unterstützen.