Ukraine-Krieg: Ankara in einer Vermittlerrolle
Die Türkei unterhält auch gute Beziehungen zu Russland und der Ukraine und war schon Austragungsort von Gesprächen zwischen den beiden Parteien. Die Vermittlerrolle bedeutet aber auch, dass sich die Türkei nicht an Sanktionen gegen Russland beteiligt. Im Gegenteil: Ankara bezieht große Mengen an Öl und Gas aus dem Land, dessen Streitkräfte vor mehr als drei Jahren in die Ukraine einmarschiert sind.
Neue Impulse für die Friedensbemühungen sind von dem Treffen zwischen Merz und Erdogan nicht zu erwarten. Seit Monaten blicken alle darauf, was US-Präsident Donald Trump macht. Zuletzt war ein angestrebtes Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Budapest nicht zustande gekommen.
Migration: Abschiebung nach Syrien über die Türkei?
In der Flüchtlingspolitik ist die Türkei seit Jahren ein zentraler Partner Deutschlands und der EU. Seit 2016 gibt es ein Abkommen, mit dem Migration von der Türkei zu den griechischen Inseln verhindert werden soll. Im Gegenzug zahlt die EU Milliardenhilfen für die Versorgung von Flüchtlingen, aber auch für den Ausbau der Grenzen.
Die Türkei hat Millionen Flüchtlinge aus dem ehemaligen Bürgerkriegsland Syrien aufgenommen und unterhält gute Beziehungen zur syrischen Übergangsregierung. Gegebenenfalls könnte die Regierung in Ankara daher auch behilflich bei der Abschiebung syrischer Straftäter ohne Bleiberecht aus Deutschland sein.
Die Türkei zählt außerdem zu den Hauptherkunftsländern von Asylbewerben in Deutschland. Schon die Ampel-Regierung hatte sich darum bemüht, die Rückführung abgelehnter Antragsteller in die Türkei zu beschleunigen. Derzeit handelt es sich nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge um 22.560 Menschen - knapp zehn Prozent aller ausreisepflichtigen Asylbewerber.
Rüstungskooperation: Eurofighter-Deal als Durchbruch
Wegen des türkischen Einmarschs in Syrien 2016 hatte die damalige Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen weitgehenden Rüstungsexportstopp gegen die Türkei verhängt. Die Kehrtwende hatte ihr Nachfolger Olaf Scholz (SPD) schon vor einem Jahr vollzogen und wieder militärische Ausfuhren für den Nato-Partner im größeren Stil zugelassen. Die Regierung Merz setzt diesen Kurs nun fort.
Am Montag wurde mit deutscher Zustimmung und Beteiligung ein Milliardengeschäft über die Lieferung von 20 neuen Eurofighter-Kampfjets abgeschlossen. Ein Deal mit hoher Symbolkraft.
Bei dem Merz-Besuch in Ankara dürfte es nun darum gehen, was sonst noch alles möglich ist. Wadephul sprach während seiner Türkei-Reise von «etlichen Projekten», die vor der Finalisierung stünden. Es sei «selbstverständlich, dass unsere Rüstungsindustrien auf das Engste miteinander kooperieren», sagte er.
Der Fall Imamoglu: Wird er eine Rolle spielen?
Der abgesetzte Istanbuler Bürgermeister Imamoglu sitzt seit März ohne Anklage in Untersuchungshaft. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte die Inhaftierung damals als «schweren Angriff» auf die Demokratie in der Türkei bezeichnet. Die Kritik aus der Union war schon damals deutlich zurückhaltender.
Kurz vor dem Merz wurde ein weiterer Haftbefehl gegen Imamoglu verhängt. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner erwartet, dass der Kanzler das anspricht. «Ungeachtet wichtiger bilateraler Themen und gemeinsamer Herausforderungen für Deutschland und die Türkei müssen solche brisanten Punkte selbstverständlich zur Sprache gebracht werden, wenn der Kanzler den türkischen Präsidenten trifft», sagt er.