Mehr als 100 Geisel werden weiter in der Gewalt der Hamas vermutet. Doch die Verhandlungen über ihre Freilassung sind erneut ins Stocken geraten. Das treibt die Angehörigen auf die Straße. Der Überblick:
Tausende Menschen haben in Tel Aviv und anderen israelischen Städten für die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas und gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu demonstriert. Die Kundgebung der Geiselfamilien im Zentrum von Tel Aviv stand im Zeichen des Internationalen Frauentages, der weltweit am Vortag begangen worden war. Unter dem Motto «19 Frauen in der Gewalt der Hamas» sprachen Verwandte von weiblichen Geiseln und Opfern der Hamas-Gewalt und eine junge Frau, die im November freigekommen war, zu den Teilnehmern der Kundgebung.
Wenige Hundert Meter entfernt demonstrierten mehrere Tausend Menschen gegen die Netanjahu-Regierung. Nahe dem Sitz des Verteidigungsministeriums hielt sie die Polizei davon ab, eine Stadtautobahn zu blockieren, berichteten israelische Medien. Die Behörde nahm 16 Demonstranten fest. Die Regierungsgegner werfen Netanjahu eine verfehlte und nur auf die eigenen Interessen bedachte Politik vor. Diese habe dazu geführt, dass das Land unvorbereitet war, als die islamistische Hamas und andere extremistische Gruppen am 7. Oktober den Süden Israels überfielen. Die Terroristen töteten 1200 Menschen und verschleppten weitere 250 als Geiseln. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive im Gazastreifen.
Hunderte Menschen demonstrierten vor der Residenz von Staatspräsident Izchak Herzog in Jerusalem. Auch sie verlangten Freiheit für die Geiseln. In Caesarea nahe Tel Aviv zog eine große Menschenmenge vor eine private Villa Netanjahus. Einer der Redner, ein ehemaliger General, sagte auf den Regierungschef bezogen: «Deine Politik zielt nur auf eines ab: um jeden Preis an der Macht zu bleiben, und der Krieg dient deinen Zwecken bestens.»
Mossad sieht kein Interesse der Hamas an Feuerpause
Etwas mehr als 100 Geiseln waren im vergangenen November bei einem Austausch gegen Palästinenser in israelischen Gefängnissen freigekommen. Die Umstände, unter denen die Hamas die verschleppten Menschen im Gazastreifen festhält, werden als horrend beschrieben. Nach israelischen Schätzungen befinden sich noch 134 Geiseln, unter ihnen rund 20 Frauen, in der Gewalt der Terroristen. Von den Geiseln dürften aber nach israelischen Angaben nur noch rund 100 am Leben sein. Indirekte Verhandlungen über eine zeitweilige Waffenruhe und eine weitere Geiselfreilassung stecken derzeit in einer Sackgasse.
Die Hamas ist nach Einschätzung des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad derzeit an keiner Waffenruhe im Gaza-Krieg interessiert. Vielmehr sei die islamistische Organisation bestrebt, «die (Nahost-)Region im (muslimischen Fastenmonat) Ramadan in Brand zu setzen», sagte Mossad-Chef David Barnea in einer Erklärung, die das Ministerpräsidentenamt am Samstagabend veröffentlichte. Zugleich bleibe Israel mit den Vermittlern USA, Katar und Ägypten in Verbindung und kooperiere mit ihnen, hielt die Erklärung fest.
Israel will Bau von Schiffsanlegestelle koordinieren
Die israelische Armee hat sich bereiterklärt, zusammen mit den US-Streitkräften den Bau einer provisorischen Schiffsanlegestelle an der Mittelmeerküste des Gazastreifens zu koordinieren. Humanitäre Hilfe könne dann nach entsprechender Inspektion durch Israel auf dem Seeweg nach Gaza gelangen, sagte Militärsprecher Daniel Hagari auf einer Pressekonferenz. Die Verteilung der Hilfsgüter würden anschließend internationale Organisationen übernehmen. Der Krieg gegen die islamistische Hamas gehe unabhängig davon bis zur Zerschlagung ihrer militärischen Fähigkeiten weiter, fügte er hinzu.
Die US-Regierung hatte angekündigt, angesichts der humanitären Notlage in Gaza einen temporären Hafen einrichten zu wollen, um Lebensmittel, Wasser und Medikamente in das Kriegsgebiet zu bringen. Bis dieser einsatzfähig ist, werde es etwa 60 Tage dauern, sagte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums.