"Bomben auf Berlin": Flugverbotszone mit großem Risiko für ganz Europa

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Kampfflugzeuge vom Typ Tornado der Bundeswehr
Sollte die Nato eine Flugverbotszone über der Ukraine einrichten, kommt es wohl fast automatisch zu einem globalen Krieg und zur Eskalation.
Kampfflugzeuge vom Typ Tornado der Bundeswehr
Thorsten Weber/Bundeswehr/dpa

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi fordert eine Flugverbotszone über der Ukraine durch die Nato. Das hätte mit großer Wahrscheinlichkeit dramatische Folgen. Was die Nato dennoch tun kann, erklärt Sicherheitsexpertin Marina Henke.

Russische Invasion in der Ukraine: Eine Flugverbotszone durch die Nato über der Ukraine kann dramatische Folgen haben. Sicherheitsexpertin Marina Henke (39), Professorin für internationale Beziehungen an der Hertie School Berlin, warnt in einem Interview mit Focus Online deutlich vor diesem Schritt. Für diesen Fall prophezeit die Expertin dramatische Folgen, womöglich sogar Bomben auf Berlin und andere Städte in Europa. 

Die Professorin sieht jedoch Möglichkeiten für die Nato-Staaten, um dem Angriffskrieg Russlands unter Putin Einhalt zu gebieten. Die bisherigen Maßnahmen reichten nicht aus, so Marina Henke. Putin kenne kein Zurück mehr, sondern wird das Vorgehen in der Ukraine "ohne Rücksicht auf Verluste" unter hohem Blutzoll in der Zivilbevölkerung durchziehen, da ist sich die Expertin sicher. 

Flugverbotszone: Dann "droht uns ein unglaubliches Risiko"

Das Wort "Flugverbotszone" fällt in diesen Tagen häufig. Immer wieder fordert vor allem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj diese Maßnahme von der Nato, um sich gegen die russischen Angriffe zu erwehren. Die Sicherheitsexpertin Marina Henke warnt im Gespräch mit Focus Online jedoch dringend vor diesem Schritt. Der Krieg würde sich dann über die Ukraine hinaus auf die Nato-Länder ausweiten. Denn: Eine Flugverbotszone bedeutet in der Praxis, dass die Nato mit Waffengewalt dafür sorgt, dass nicht zugelassene Flugzeuge innerhalb der definierten Zone dem Luftraum fernbleiben.

Als Voraussetzung hierfür müsste zunächst gesichert werden, dass Nato-Kampfflugzeuge den Luftraum über der Ukraine sichern können. Zu diesem Zweck müsste die Nato proaktiv russische Luftabwehrstellungen bombardieren und dann sehr wahrscheinlich auch russische Kampfjets angreifen. Dies käme einer Kriegserklärung gleich und würde von Russland auf jeden Fall als aggressiver Akt gewertet werden 

Für diesen Fall sieht Henke die Gefahr einer drastischen Antwort, etwa Raketen, die aufs Baltikum abgeschossen werden, "aber eventuell auch Bomben auf Berlin, Warschau, Brüssel oder Paris", so Henke im Interview. Um den Konflikt nicht so weit zu eskalieren, müsse jeglicher Kampfkontakt zwischen Nato-Truppen und russischen Soldaten vermieden werden. 

"Ohne Rücksicht auf Verluste": So weit wird Putin gehen

Die Berliner Expertin sieht ohne weiteres Engagement des Westens jedoch auch schwarz für die Ukraine: Auf lange Frist könne sich die Ukraine nicht halten. Sie bezeichnet die Lage Selenskyjs als "hoffnungslos". Die ukrainische Armee wehre sich tapfer, aber die Kräfte scheinen zu schwinden und die russische Armee gewinnt stetig, wenn auch langsam, an Boden. 

Die Ukraine werde sich zwar nicht einfach so ergeben und die Vorstellungen Putins eines Regimewechsels sind wohl ziemlich hoch gegriffen, aber ein Zurück gebe es nicht, so die Einschätzung der Expertin. Stattdessen würde Putin zu noch mehr Gewalt greifen, um seine Ziele, etwa die angebliche "Entnazifizierung der Ukraine", durchzuziehen. Hier wird er wohl auch nicht vor extremen Mitteln zurückschrecken: "Ich erwarte, dass die Russen auf diesem Weg ähnliche Taktiken wie im tschetschenischen Grosny oder in Aleppo und Homs in Syrien anwenden werden. Das ist absolut brutal. Wir werden leider mit sehr, sehr vielen toten Zivilisten rechnen müssen", so Henke im Gespräch mit Focus Online. 

Sie sieht sogar die Gefahr des Einsatzes von taktischen Atomwaffen: "Es wäre ein weiterer Schritt, um Angst und Schrecken zu verbreiten – sowohl in der Ukraine als auch bei der Nato und ihren Unterstützern. Putins Botschaft: Wenn ich nicht meinen Willen kriege, dann eskaliere ich." Wie auch immer Putin sich entscheidet, die Ukraine wird wohl lange ein Unruheherd bleiben, wie man am Beispiel von Irak oder Afghanistan sehe, so Henke.  Selbst wenn Selenskyi am Ende doch zurücktreten muss, um das Schlimmste zu verhindern, hätte Putin nur wenig gewonnen. 

Wie kann die Nato Putin noch stoppen?

Marina Henke sieht jedoch abseits eines militärischen Eingreifens, das unabsehbare Konsequenzen hätte, doch noch Möglichkeiten für den Westen, um Putins Krieg zu stoppen. Zum einen könne man die Ukraine weiter mit Waffenlieferungen unterstützen, damit sich die ukrainische Armee weiter gegen die Invasion durch die Kreml-Truppen effektiv wehren kann.

Empfindlich könnte man Putin aber treffen, wenn man keine Rohstoffe mehr aus Russland importieren würde, so die Sicherheitsexpertin. "Das würde Putins Kriegskasse empfindlich treffen." Täglich fließt fast eine Milliarde Euro aus Nato-Staaten nach Russland, um Gas und Öl zu beziehen. Damit füttere man die russische Kriegsmaschinerie, so Henke. Europa sei extrem abhängig von den Rohstoffimporten aus Russland, daher habe man sich bisher trotz des Angriffskriegs und trotz der Sanktionen nicht zu einem Einfuhrstopp durchringen können.  Dieser Schritt wäre jedoch sehr wirkungsvoll, betont Marina Henke. 

Am Montag, 07.03.2022, hatte Russland bereits mit einem Gas-Lieferstopp durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 gedroht. 

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