In Washington werden die WM-Gruppen ausgelost. Die über zweistündige Veranstaltung gibt einen Vorgeschmack auf das, was Fußballfans im nächsten Jahr erwartet: viel Show, wenig Fußball und ein Trump-Personenkult.
Man hat ja im Laufe der Jahre, die man vor dem Fernseher verbracht hat, schon einige Absurditäten gesehen: eine Hautärztin, die vor laufender Kamera Ekzeme ausdrückt. Einen Moderator, der sich Patronen in den Hintern schießt. Einen Ex-DSDS-Star, der als Jesus singend durch die Essener Fußgängerzone zu seiner Kreuzigung marschiert. Aber was die FIFA in Person von Gianni Infantino rund um die Auslosung der WM-Gruppen inszenierte, ist wohl schwerlich zu überbieten.
Denn der Schweizer lebt offenbar in einem Paralleluniversum. "Die FIFA ist der internationale Glücksbringer", jubelt er. Und die WM 2026 sei nicht nur die größte WM aller Zeiten (was bei 48 teilnehmenden Teams rechnerisch natürlich richtig ist), sondern überhaupt das "größte Ereignis, das die Menschheit je gesehen hat und je sehen wird". Klar. Was sind dagegen schon die Mondlandung, der Mauerfall oder Weihnachten?
Infantino gibt den Animateur
Und weil es nun einmal die beste und größte WM im "tollsten Land der Welt" ist (gemeint sind da natürlich weder Mexiko noch Kanada), erfordert die Auslosung auch eine gigantische Show mit den besten Moderatoren. Und die Bühne betreten: Kevin Hart und Heidi Klum. Da muss man auch erst einmal drauf kommen ...
Die beiden legen dann auch sofort los mit dem Moderieren, was man leider - oder glücklicherweise - aber als ZDF-Zuschauer nicht richtig mitbekommt, weil der Simultandolmetscher die Originaltonspur übertönt. Ob nun er oder doch Kevin Hart den ersten Stargast Andrea Bocelli beharrlich "Bocella" nennt, ist nicht zu verstehen.
Infantino jedenfalls findet offenbar, dass die Stimmung im Saal etwas angeheizt werden muss, und animiert die Vertreter der Gastgeber mit großen Gesten, den Namen ihres Landes zu skandieren. Die Reaktion fällt ungefähr so enthusiastisch aus wie die Zustimmung bei der letzten Vollversammlung des FC Augsburg. Am lautesten sind noch die Mexikaner, was man doch einigermaßen mutig finden kann, weil die ICE schließlich ihren Hauptsitz in Washington hat.
Trump als Friedensbringer
Es folgt der zweite Musik-Act, diesmal ein Song von Robbie Williams und Ex-Pussycat-Doll Nicole Sherzinger. Und dann kommt der Höhepunkt des Abends. Nein, immer noch nicht die Auslosung. Gianni Infantino überreicht den neu eingeführten FIFA-Friedenspreis. An - Trommelwirbel! - Donald Trump. Dessen Drohung, Venezuela zu bombardieren, muss man ja nicht ernst nehmen, ebenso wenig wie die, den demokratisch regierten US-Städten die Austragung der WM-Spiele zu entziehen.
Der Mann steht für Frieden, und wenn das Nobelpreiskomitee das nicht erkennt, springt halt Infantino in die Bresche. Trump hängt sich die Medaille gleich selbst um, weil man das eben so macht, wenn andere Menschen einem nicht das Wasser reichen können. Man kennt das von Napoleon. Und während sich Donny und Gianni tief und ganz beseelt in die Augen blicken, flimmern über die Leinwand Bilder von Trump im Kreise seiner ebenfalls für Frieden und Freiheit stehenden Kumpels wie Belarus' Präsident Aljaksandr Lukaschenko, Ruandas Präsident Paul Kagame und eine saudi-arabischen Delegation. Die Bildregie hat jedenfalls Humor.