WM-Auslosung als Polit-Groteske: Bei würdeloser Trump-Show zeigt wenigstens die Bildregie Humor

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WM-Auslosung
Donald Trump (links) bekam von Gianni Infantino einen Friedenspreis überreicht - und hängte ihn sich gleich selbst um.
2025 Getty Images/Andrew Harnik
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Ordneten die Show fürs ZDF ein: Hanno Balitsch und Katrin Müller-Hohenstein.
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Her mit der Medaille: Donald Trump ist kein Freund falscher  Zurückhaltung.
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Bundestrainer Julian Nagelsmann dürfte mit der Gruppe zufrieden sein.
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In Washington werden die WM-Gruppen ausgelost. Die über zweistündige Veranstaltung gibt einen Vorgeschmack auf das, was Fußballfans im nächsten Jahr erwartet: viel Show, wenig Fußball und ein Trump-Personenkult.

Man hat ja im Laufe der Jahre, die man vor dem Fernseher verbracht hat, schon einige Absurditäten gesehen: eine Hautärztin, die vor laufender Kamera Ekzeme ausdrückt. Einen Moderator, der sich Patronen in den Hintern schießt. Einen Ex-DSDS-Star, der als Jesus singend durch die Essener Fußgängerzone zu seiner Kreuzigung marschiert. Aber was die FIFA in Person von Gianni Infantino rund um die Auslosung der WM-Gruppen inszenierte, ist wohl schwerlich zu überbieten.

Denn der Schweizer lebt offenbar in einem Paralleluniversum. "Die FIFA ist der internationale Glücksbringer", jubelt er. Und die WM 2026 sei nicht nur die größte WM aller Zeiten (was bei 48 teilnehmenden Teams rechnerisch natürlich richtig ist), sondern überhaupt das "größte Ereignis, das die Menschheit je gesehen hat und je sehen wird". Klar. Was sind dagegen schon die Mondlandung, der Mauerfall oder Weihnachten?

Infantino gibt den Animateur

Und weil es nun einmal die beste und größte WM im "tollsten Land der Welt" ist (gemeint sind da natürlich weder Mexiko noch Kanada), erfordert die Auslosung auch eine gigantische Show mit den besten Moderatoren. Und die Bühne betreten: Kevin Hart und Heidi Klum. Da muss man auch erst einmal drauf kommen ...

Die beiden legen dann auch sofort los mit dem Moderieren, was man leider - oder glücklicherweise - aber als ZDF-Zuschauer nicht richtig mitbekommt, weil der Simultandolmetscher die Originaltonspur übertönt. Ob nun er oder doch Kevin Hart den ersten Stargast Andrea Bocelli beharrlich "Bocella" nennt, ist nicht zu verstehen.

Infantino jedenfalls findet offenbar, dass die Stimmung im Saal etwas angeheizt werden muss, und animiert die Vertreter der Gastgeber mit großen Gesten, den Namen ihres Landes zu skandieren. Die Reaktion fällt ungefähr so enthusiastisch aus wie die Zustimmung bei der letzten Vollversammlung des FC Augsburg. Am lautesten sind noch die Mexikaner, was man doch einigermaßen mutig finden kann, weil die ICE schließlich ihren Hauptsitz in Washington hat.

Trump als Friedensbringer

Es folgt der zweite Musik-Act, diesmal ein Song von Robbie Williams und Ex-Pussycat-Doll Nicole Sherzinger. Und dann kommt der Höhepunkt des Abends. Nein, immer noch nicht die Auslosung. Gianni Infantino überreicht den neu eingeführten FIFA-Friedenspreis. An - Trommelwirbel! - Donald Trump. Dessen Drohung, Venezuela zu bombardieren, muss man ja nicht ernst nehmen, ebenso wenig wie die, den demokratisch regierten US-Städten die Austragung der WM-Spiele zu entziehen.

Der Mann steht für Frieden, und wenn das Nobelpreiskomitee das nicht erkennt, springt halt Infantino in die Bresche. Trump hängt sich die Medaille gleich selbst um, weil man das eben so macht, wenn andere Menschen einem nicht das Wasser reichen können. Man kennt das von Napoleon. Und während sich Donny und Gianni tief und ganz beseelt in die Augen blicken, flimmern über die Leinwand Bilder von Trump im Kreise seiner ebenfalls für Frieden und Freiheit stehenden Kumpels wie Belarus' Präsident Aljaksandr Lukaschenko, Ruandas Präsident Paul Kagame und eine saudi-arabischen Delegation. Die Bildregie hat jedenfalls Humor.

Erinnern wir uns an dieser Stelle einmal kurz, dass das Credo von Infantino lautet, niemals Sport und Politik zu vermischen. Deshalb dürfen Fußballkapitäne auch keine Regenbogenfarben als Armbinde tragen, und politische Äußerungen von Spielern werden sanktioniert. Wie hieß es schon so treffend bei George Orwell? "Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher."

Das ZDF schaltet um - zu spät

In seiner Dankesrede erklärt Trump immerhin erfrischend ehrlich, worum es bei der WM tatsächlich geht. Um Profit. Nie wurden so viele Tickets verkauft, versichert er. Erwähnt dann auch mal kurz Pelé, damit die Welt auch merkt, dass er nicht nur der größte Präsident aller Zeiten, sondern auch der größte Fußballexperte aller Zeiten ist. Infantino schießen da die Tränen der Rührung in die Augen.

Das ZDF schaltet dann um zu den Nachrichten. Man hätte sich gewünscht, die Mainzer hätten das früher getan. Oder einfach später nach Washington geschaltet, denn dort rollen die Loskugeln immer noch nicht. Erst kommt noch Lauren Hill auf die Bühne, ehemals Frontfrau der Fugees, und auch sie versucht vergeblich, Stimmung im Saal zu machen, weil die dort Versammelten eben keine Show sehen wollen, sondern einfach nur wissen wollen, gegen wen ihr Team im nächsten Jahr antreten muss.

Aber stattdessen folgt der nächste Infantino-Selbstinszenierungseinspieler, diesmal mit Ziehungsleiter Rio Ferdinand und diversen Hollywoodgrößen in den Hauptrollen, und danach erklären ein paar süße Kids dem Ferdinand, wie denn jetzt die Auslosung funktionieren wird und dieses Filmchen würde man sogar ganz gelungen finden wenn, ja wenn man nicht einfach schon zutiefst erschöpft von der ganzen Seifenoper vorher wäre. Uff.

ZDF-Experte Balitsch: "Das war sehr befremdlich"

Nach rund 80 Minuten beginnt dann völlig unerwartet die Auslosung doch noch, und nachdem endlich feststeht, dass Deutschland in einer Gruppe mit WM-Neuling Curaçao, Elfenbeinküste und Ecuador spielt, treten die Village People auf und die Kamera zeigt einen tanzenden Trump. Wenn man den Kopf schrägt hält und doll schüttelt, fällt dieses Bild dann durchs Ohr hinaus?

Auch ZDF-Experte Hanno Balitsch ist nach dieser Veranstaltung deutlich angefasst: "Das war schon sehr befremdlich", stellt er fest und wirkt dabei etwas grün um die Nase. Als Zuschauer ist man voll bei ihm. Wen interessiert jetzt noch, dass die DFB-Elf eine machbare Gruppe erwischt hat? Und Frankreich eine schwere?

Diese Bromance-Show dürfte den meisten Menschen die Lust auf die WM gründlich verdorben haben. Wäre nur schön, wenn sich das auch in den Ticketverkäufen und Einschaltquoten niederschlagen würde. Mit schönen Grüßen von den Fans an die FIFA.

Quelle: teleschau – der mediendienst