Klassische Krankenhausserien zeigen medizinische Fälle und herausragende Ärzte. Anders die neue ARD-Medical "David und Goliath", die von den psychischen Belastungen des überforderten Klinikpersonals erzählt.
Rätselhafte Krankheiten, komplizierte Patienten, ehrgeizige Ärzte und so manches private Drama: Nach diesem bewährten Rezept funktionieren Krankenhausserien seit Jahrzehnten prächtig - von "Emergency Room" bis "Grey's Anatomy", von "In aller Freundschaft" bis "Betty's Diagnose". Mit der Realität in den Kliniken hatten viele der US- und hiesigen Publikumserfolge jedoch wenig zu tun. Das scheint sich langsam zu ändern, wie nun auch die neue ARD-Reihe "David und Goliath" beweist. Die zeitgeistig als "Medical" beworbene Serie startet mit vorerst zwei je anderthalbstündigen Filmen und erzählt vom herausfordernden Klinikalltag und den psychischen Belastungen, mit denen die Angestellten zu kämpfen haben.
Im Zentrum der WDR-Produktion, die in einem Essener Krankenhaus spielt, steht die Psychotherapeutin Dina Schwarz (Lou Strenger) - angeheuert von Klinikchefin Dr. Veronika Jelinek (Ulrike C. Tscharre) für die psychosoziale Betreuung des Personals. Kümmern soll sich die junge Psychotherapeutin um 4.000 Mitarbeitende auf 32 Stationen - wobei ihr anfangs selbst nicht so klar ist, worin ihre Aufgabe besteht. Sicher ist nur: Es wird kein einfacher erster Job, zumal es der oberen Etage vor allem darum geht, ohne große Wellen und natürlich ohne Steigerung der Kosten den Betrieb aufrechtzuerhalten. Dass die Mitarbeitenden, vom Pfleger zur Putzkraft, angesichts von Personalmangel und überbordender Arbeitszeiten völlig überfordert sind, merkt Dina Schwarz schnell. Allein: Ihre Hilfe wollen sie zunächst nicht.
Im laufenden Klinikbetrieb gedreht
Wie sich die Berufsanfängerin auf ihre Weise das Vertrauen erarbeitet, davon erzählt "David und Goliath". Dass Dina Schwarz auch in Stresssituationen empathisch und geistesgegenwärtig reagieren kann, hat sie jedenfalls schon vor ihrer offiziellen Einstellung unter Beweis gestellt: Als Intensivpfleger Nathan Freye (Tristan Seith) in Folge eins damit droht, vom Dach zu springen, ist die junge Psychotherapeutin zur Stelle - und flugs mittendrin im Chaos. Nach der bekannten alten Sage hat man die Reihe schließlich nicht umsonst benannt: Es sei "eine Erzählung von einem schier ausweglosen Kampf, der gut ausgeht", heißt es in der Ankündigung: "Weil er gut ausgehen muss."
Das überlastete Gesundheitssystem, die strukturellen und politisch gemachten Probleme, die unter Druck stehenden Chefs ("Ich bin kein Monster"), die Bürokratie, vor der viele Klinikmitarbeitende manchmal einfach nur kapitulieren wollen: All das thematisiert "David und Goliath" wie nebenher, all das kann man an den erschöpften Gesichtern der toll besetzten Figuren ablesen, all das wird detailiert kritisiert, ohne in moralische Predigten zu verfallen.
Der Alltag der Krankenhausmitarbeiter wird allumfassend gezeigt, vom gemeinsamen Spaßhaben und Getratsche bis zum Wutausbruch und Beinahezusammenbruch. Mit diesem Realismus, der auch dadurch gelingt, weil die Reihe während des laufenden Betriebs in einem echten Krankenhaus gedreht wurde, schließt "David und Goliath" an die hochgelobte und vielfach prämierte Apple- und ZDF-Produktion "KRANK Berlin" an.
"Die Menschen sind ganz ruhig, abgekämpft, übermüdet"
Hektische Flurszenen gibt es in "David und Goliath" indes selten zu sehen, man habe vor Ort im wahren Krankenhausleben eher das Gegenteil beobachtet, so Regisseur Janosch Chávez-Kreft: "Die Menschen sind ganz ruhig, abgekämpft, übermüdet." Das authentische Erzählen sei wichtig gewesen - und einige Situationen, von denen das Team auf den Fluren live Zeuge geworden sei, hätte man "daher einfach übernommen und nachgestellt".
"Wer hilft den Menschen, die anderen helfen?": Diese Frage wollte Drehbuchschreiberin Maike Rasch mit ihrer Reihe beantworten. Schnell sei ihr klargeworden, dass Menschen, die in Kliniken arbeiten, sehr oft über ihre eigenen Grenzen gehen und Dinge verdrängen würde, "die nicht sein sollen, weil sie nicht sein dürfen". So ist die Assistenzärztin Rana (Amina Merai) in Folge zwei nach einem möglichen Fehler nicht nur mit einem plötzlichen Todesfall auf der Intensivstation konfrontiert, sondern auch mit dem harten Pragmatismus ihres eher unempathisch ins Drehbuch geschriebenen Vorgesetzen Dr. Schultholz ("Bitte halten Sie meine Mitarbeiter nicht von der Arbeit ab"), brillant und mit fiesen George-Clooney-Qualitäten verkörpert von Carlo Ljubek.