Sollte Friedrich Merz sich ein Beispiel am argentinischen Präsidenten Javier Milei nehmen und die "Kettensäge" ansetzen? In der aktuellen Folge ihres ZDF-Podcasts "Lanz & Precht" empfehlen Markus Lanz und Richard David Precht dem Kanzler, zumindest die Laubsäge in Betracht zu ziehen.
"Immer, wenn der Karren im Dreck steckt, dann wollen die Leute radikale Lösungen", glaubt Richard David Precht. Eigentlich sprechen er und Markus Lanz in der aktuellen Ausgabe ihres ZDF-Podcasts "Lanz & Precht" über den argentinischen Präsidenten Javier Milei. Zwar könne man Deutschland "nicht mit Argentinien vergleichen", schließlich stecke der Karren hierzulande "nur ein bisschen im Dreck". Parallelen ziehen die beiden Podcaster dennoch.
Der für seine "Kettensägen"-Rhetorik bekannte Milei sei "die radikalste marktliberale Variante, die man bisher ausprobiert hat", sagt Precht. In schwierigen Zeiten gebe es stets "zwei Pole", behauptet der Philosoph: "Das eine ist die sozialistisch radikale Lösung, und das andere ist die marktliberale radikale Lösung." Das Problem: "Die Geschichte lehrt, dass sich beide Radikalvarianten rächen und dauerhaft nicht funktionieren werden."
Nichtsdestotrotz erkennt Markus Lanz auch hierzulande "die zwei Denkschulen, die wieder miteinander konkurrieren". Er nehme an, "dass Friedrich Merz nicht mit dem Anspruch angetreten ist, tatsächlich der erste sozialistische Kanzler dieses Landes zu werden". Wenn der CDU-Mann also seinen eigenen Vorstellungen gerecht werden wolle, werde er den stets vollmundig angekündigten "Herbst der Reformen" auch "mal durchziehen müssen", glaubt Lanz. Merz müsse dafür sorgen, "dass die Regeln der Marktwirtschaft, des Kapitalismus wieder funktionieren" und sich Arbeit wieder lohne.
Richard David Precht: Merz muss bereit sein, "auf beiden Seiten des Baumes Äste abzusägen"
"Dass wir strukturelle Reformen brauchen, darüber sind wir uns alle einig", wirft Precht ein. Der eigentliche Streitpunkt sei seines Erachtens die Frage: "Wo wird wirklich die Kettensäge - oder die Laubsäge - rausgeholt, welcher Ast wird gekappt und welcher wird stehen gelassen?" Innerhalb dieser Debatte gebe es dem 60-Jährigen zufolge in Deutschland derzeit "ganz ernsthafte Verteilungskämpfe".
Es gebe "diejenigen, die sagen: Wir haben eine zu große Zahl von Menschen, die wir in dieser Gesellschaft durchziehen, obwohl sie arbeitsfähig sind", analysiert Precht. Die andere Fraktion hingegen fordere höhere Steuern und Abgaben der "Wohlhabenden in diesem Land". Der Podcaster resümiert: "Wenn du tatsächlich ernst machen willst, dann musst du in beide Richtungen gucken." Merz müsse anbieten, "auf beiden Seiten des Baumes Äste abzusägen": Die Regierung könne "beim Sozialstaat nur dann sparen", wenn sie gleichzeitig auch Bereitschaft signalisiere, "an Steuerhinterziehung der Besserverdienenden ranzukommen".
Precht selbst nennt ein Beispiel: "Das kann nicht sein, dass jemand, der 70.000 oder 80.000 Euro im Jahr verdient, denselben Steuersatz zahlt wie jemand, der 800.000 oder 800 Millionen verdient. Das ist auch eigenartig." Darüber müsse die Gesellschaft genauso diskutieren wie über Sozialmissbrauch. "Lasst uns doch einfach mal so ehrlich und ideologiefrei sein und über beide Dinge aufrichtig reden", fordert der Autor. "Das ist das, was ich vermisse. Der eine redet nur über das eine und der andere redet nur über das andere."
Markus Lanz und Richard David Precht über den "Spuk von rechts"
Grundsätzlich beobachte er hierzulande "eine ganz eigenartige Mischung" aus Katastrophenstimmung und dem festen Glauben daran, "dass schon nichts ganz Schlimmes passieren wird". Letzteres sei in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich der Fall gewesen: "Wir haben so lange eine soziale Symmetrie im Politischen gehabt, dass wir uns ernsthafte Diskussionen gar nicht vorstellen können. Deswegen gibt es immer noch hinreichend Leute, die im Hinterkopf haben: Dieser Spuk von rechts, der verschwindet irgendwie von alleine wieder." Precht und Lanz hingegen sind sich einig: "Der verschwindet nicht so schnell."