Mara wurde bei der Bundeswehr zweimal vergewaltigt - auf einen Therapieplatz wartet sie seit Jahren

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37°: Das Schweigen brechen. Maras Leben mit dem Trauma
Bis heute versucht Mara vergeblich, einen Therapieplatz zu finden. Dabei bräuchte sie dringend eine Traumatherapie.
ZDF/Verena Müller
37°: Vergewaltigt: Leben mit dem Trauma
Mara wurde mit 18 Jahren zweimal bei der Bundeswehr vergewaltigt. Ihr wurde abgeraten, während des Verfahrens in Therapie zu gehen, "damit meine Glaubwürdigkeit nicht an Gewichtung verliert", erzählt sie fassungslos.
ZDF/Verena Müller
37°: Vergewaltigt: Leben mit dem Trauma
"Ich möchte, dass ich wieder unbeschwerter durch meinen Alltag gehe", wünscht sich Mara.
ZDF/Verena Müller

Wie lebt man weiter, wenn der Albtraum nie zu enden scheint? In der "37°"-Reportage "Das Schweigen brechen. Maras Leben mit dem Trauma" erzählt die Protagonistin von den schlimmsten Erfahrungen ihres Lebens - und wie sie versucht, trotzdem ihren Weg zu gehen.

Wenn ihr ein Mann in Uniform begegnet, hält Mara die Luft an. Ihr Herz schlägt schneller und Angst steigt in ihr auf. Vor sieben Jahren wurde die inzwischen 26-Jährige während ihrer Zeit bei der Bundeswehr zweimal vergewaltigt. Seither bestimmen Angst und Panik ihren Alltag. "Vielen ist einfach gar nicht bewusst, wie lange das nachwirkt, was das mit den Menschen macht", glaubt sie.

Aber Mara kämpft - alleine, denn einen Therapieplatz hat sie bis heute nicht bekommen. In der 37°-Reportage "Das Schweigen brechen. Maras Leben mit dem Trauma" zeigt sie offen, wie sie dennoch versucht, aus ihrem Albtraum zu erwachen.

"Das war der Moment, in dem ich erstarrt bin"

Eigentlich sei die Zeit bei der Bundeswehr "richtig schön" gewesen, erzählt Mara. Doch auf einem Übungsplatz kam es zum ersten Übergriff. "Ich weiß, dass ich am nächsten Morgen ganz doll Angst hatte, rauszugehen", erinnert sich die 26-Jährige.

Am Vorabend waren Mara zwei Kollegen in ihre Stube gefolgt, abschließen konnte sie diese nicht. Sie habe versucht, die Männer wegzuschicken und die Tür zuzuschieben, doch sie habe keine Chance gehabt. "Ich konnte mich körperlich nicht wehren, sondern sie sind einfach reingekommen und dann ist es zu einem ersten Übergriff gekommen."

Mara meldete den Vorfall nicht und versuchte, die Erfahrung zu verdrängen. Doch drei Monate später passierte es noch einmal. Zwei Kollegen, einer von ihnen war auch Täter beim ersten Übergriff, folgten ihr abends nach Hause, drückten sie an die Haustür. "Der eine hat mich festgehalten und der andere hat mich einfach ausgezogen und angefangen. Und das war der Moment, in dem ich erstarrt bin." Alles sei "dumpf" und "neblig" gewesen, erzählt Mara. Nach einer Weile habe sie sich losreißen können und sei alleine ins Haus gelangt. "Ich habe einfach nur geweint", erinnert sie sich.

Mara machte keine Therapie "damit meine Glaubwürdigkeit nicht an Gewichtung verliert"

Eine Woche später habe sie ihrem Chef von den Übergriffen erzählt. Doch die Bundeswehr "hat gar nicht wirklich reagiert". Ihre Aussage sei zwar weitergegeben worden, "aber danach wurde weder ich ernst genommen noch wurde mir irgendeine Hilfe angeboten", erinnert sich Mara. Die Täter wurden beurlaubt, doch sie sollte weiter zum Dienst erscheinen. Mehrmals habe sie nach den Gründen gefragt. "Da wurde mir dann das erste Mal deutlich gemacht: 'Nur weil du das sagst, heißt das nicht, dass das so gewesen ist.'"

Es dauerte fünf Jahre, bis die Täter verurteilt wurden. "Dass man mir glaubt, war mir das Allerwichtigste an dem ganzen Verfahren", erzählt Mara. Während dieser Zeit machte sie keine Therapie, weil ihr davon abgeraten wurde - "damit meine Glaubwürdigkeit nicht an Gewichtung verliert". Dabei sei genau diese Zeit die "anstrengendste, anspruchsvollste und retraumatisierenste".

Anträge auf Wehrdienstbehinderung, um unter anderem die Kosten der Therapie zu übernehmen, wurden abgelehnt, da die Übergriffe nicht im Dienst geschehen seien. "Dass die Bundeswehr da nicht die Verantwortung übernimmt", macht Mara bis heute "sauer und fassungslos".

Leben mit Trauma: "Man muss es aushalten können"

Sieben Jahre nach den Vergewaltigungen hat Mara immer noch keinen Therapieplatz. Sie bemüht sich, ruft beispielsweise immer wieder unter der zentralen Servicenummer 116 117 an. Eigentlich soll diese es psychisch Kranken erleichtern, einen Termin bei einem Psychotherapeuten zu bekommen.

Doch Mara hat andere Erfahrungen gemacht. Manchmal geht nach schier endlosem Warten nicht einmal jemand ans Telefon und die 26-Jährige muss auflegen. "Und ich kann noch mal von vorne anrufen und mich wieder in die Warteschleife hängen", ist sie genervt. Ein anderes Mal bekommt sie die ernüchternde Antwort: "In ihrer Region konnte ich jetzt keine Termine finden."

Dabei bräuchte Mara dringend eine Traumatherapie. Nach den Taten hat die 26-Jährige jahrelang Panikattacken. Bis heute fällt es ihr schwer, unter Leute zu gehen. Sobald ein Mann in ihrer Nähe ist, bekommt sie Angst. "Man muss es aushalten können. Und warten können. Und irgendwann verändert es sich auch, es bleibt ja nicht immer gleich an Intensität. Aber es dauert und es braucht sehr viel Zeit", erklärt Mara mit Tränen in den Augen.

Mara macht Fortschritte: "Das macht mir total viel Mut"

Zur psychischen Belastung kommt die finanzielle hinzu. Für ihr Fernstudium hat sie Bafög beantragt, doch die Mühlen der Ämter mahlen gewohnt langsam. Um für sich und ihre Tochter, die sie inzwischen hat, sorgen zu können, reicht das Geld nicht. Trotz der Schwierigkeiten als alleinerziehende Mutter ist das kleine Mädchen ein Lichtblick in Maras Leben: "Sie zeigt mir jeden Tag, wie schön das Leben sein kann und dass ich mir weniger Gedanken machen soll", lächelt die 26-Jährige. Mit dem Vater kann sie wegen ihres Traumas keine Beziehung führen.

Mara geht zu ihrer Mutter nach Griechenland, um die Zeit zu überbrücken, bis ihre Anträge genehmigt werden. Auch dorthin begleiten sie die ZDF-Kameras. Weit weg von den Orten, die ihr Leben beinahe zerstörten, macht sie Fortschritte: "Ich merke auf jeden Fall, dass einiges sich verändern kann. Dass Ängste sich verändern können. Und das macht mir total viel Mut."

Doch als sie nach Deutschland zurückkehrt, wirft Mara die Ankündigung der Entlassung eines der Täter zurück. Plötzlich kann sie nicht mehr schlafen, hat Albträume und "panische Angst". Um sich sicherer zu fühlen, beginnt sie mit dem Kickboxen: "Ich möchte, dass ich wieder unbeschwerter durch meinen Alltag gehe."

"37°: Das Schweigen brechen. Maras Leben mit dem Trauma" ist ab Mittwoch, 19. November, ab 17 Uhr in der ZDF-Mediathek zu sehen.

Quelle: teleschau – der mediendienst