Becker wird vor Gefahren gewarnt; versucht, sich von manchen Häftlingen fernzuhalten und ungeschriebene Codes zu verstehen. Gerät nach einem verlorenen Pokerspiel trotzdem in Schwierigkeiten. Muss sich in der Zelle, so schildert er, plötzlich mit sich selbst auseinandersetzen.
Die Beziehung zu Lilian de Carvalho Monteiro wird für ihn zum Anker. In der Widmung seines Buchs nennt er sie die «Frau, die mich gerettet hat». Inzwischen sind die beiden verheiratet und Becker erwartet mit Lilian sein fünftes Kind. Sie und seine inzwischen verstorbene Mutter Elvira seien der Grund, warum er heute hier sei. «Ich liebe euch beide.»
«Niemand sagte "Bum Bum"»
Manchmal schimmert das Privileg des früheren Lebens durch. Etwa wenn Becker einräumt, dass er nicht wusste, wie man einen Wasserkocher bedient, oder wenn sich Mithäftlinge anfangs nicht für seine Tenniskarriere interessieren («Kein Spitzname, niemand sagte "Bum Bum"»). Dann liefert das Buch einen Einblick in den Kopf eines Menschen, der schon früh einen großen Erfolg verbucht hat.
Wollte man selbst diesen Ruhm haben? Was macht das mit einem? Wo sind es die Umstände? Und wo die eigene Verantwortung?
Becker erzählt, wie die finanziellen Sorgen in seinem Leben größer wurden. Alkohol, Frauen, Paparazzi. Berichtet, wie ihn Freunde im Stich lassen. «Ich war einmal der beste Tennisspieler der Welt. Ich besaß einmal mehr Geld, als ich jemals brauchen würde», schreibt er. Das sei selbstverständlich gewesen. «Aber wer war ich jetzt?»
Wie sein Leben nach dem Gefängnis aussieht
Nach mehr als sieben Monaten in Haft wird Becker nach Deutschland abgeschoben. «Bobbele» verlässt England im Privatjet eines Freundes und ist ein freier Mann. Das erste Bier, die erste Pizza.
«Was Geld betraf, so hatte ich noch weniger als nichts», schreibt er. Er habe eine Finca auf Mallorca, ein Haus in Leimen, eine Wohnung in London und eine Million Pfund auf seinem Bankkonto verloren und dem Insolvenzverwalter trotzdem noch fünfhunderttausend Pfund geschuldet. «Das muss man sich mal vorstellen: Du sitzt siebeneinhalb Monate im Knast, und wenn du rauskommst, wollen sie immer noch mehr von dir.»
Inzwischen lebt Becker im italienischen Mailand, sein Buch will er am Donnerstag bei einer Premiere in Berlin vorstellen. Wie viel Geld er für den Buchdeal bekommt, ist nicht bekannt.
Beckers Lektionen aus der Haft
«Inside» fasziniert, weil es in das Gefängnis mitnimmt. Weil es den Fall eines Weltstars schildert, dessen Ehrgeiz und früheres Verhältnis zu Konkurrenten wie Andre Agassi («Er ist der Superstar. Und das kann ich nur schwer verkraften, denn ich brauche das Publikum»). Und weil es einen Blick auf die zwischenmenschlichen Beziehungen wirft, die hinter Gittern entstehen.
Es wirkt aber auch, als sollte das Buch zeigen: Den Boris Becker von früher gibt es so nicht mehr. Eine Läuterung mit dem Untertitel «Gewinnen - Verlieren - Neu beginnen». Eine der Lektionen: Weniger über andere Menschen urteilen und sich mit sich selbst auseinandersetzen.
Als Elitetennisspieler sei man es gewohnt, nur nach vorn auf den nächsten Wettkampf zu blicken. «Die schlechten Dinge, die hinter dir liegen? Ignoriere sie. Pack sie weg», heißt es im Buch an einer Stelle. Im Gefängnis habe er aber angefangen, Dinge neu zu bewerten und sein bisheriges Leben zu überdenken. «Das Gefängnis», schreibt Becker dann auch, «lässt dich nie ganz los.»