In einer Reality-Show von RTL+ bespuckt ein Kandidat Frauen - und der Sender schaut zu. Welche moralischen Grenzen gelten noch im Kampf um Aufmerksamkeit?
Dass im Reality-Fernsehen oft Grenzen überschritten werden, ist nicht neu. Was RTL+ jetzt aber bei «Temptation Island VIP» gezeigt hat, hat dennoch einen Skandal ausgelöst. Kandidat Alex Petrović hat Frauen bespuckt. Die aktuelle Folge schlägt hohe Wellen, in sozialen Netzwerken sind die Kommentare empört, es hagelt es Kritik.
In der Episode, die beim Streaming-Dienst RTL+ gezeigt wird, ist zu sehen, wie der 34-Jährige mehreren Frauen bei einem Bootsausflug Sekt ins Gesicht spuckt, nachdem diese sich geweigert haben, vor ihm und seinen Mitkandidaten auf die Knie zu gehen und sich den Champagner auf die Brüste spritzen zu lassen.
«Das ist euer Job»
«Ja, sorry, ihr seid Verführerinnen, was soll ich machen?», sagt Petrović, nachdem er die Frauen bespuckt hat. «Das ist euer Job, ihr müsst verführen.» In der Sendung geht es darum, dass Paare getrennt voneinander in Luxusvillen männlichen und weiblichen Verführern widerstehen müssen.
«Was ist mein Job? Mir von dir ins Gesicht spucken zu lassen? Ich denke nicht», sagt eine der «Verführerinnen». RTL fasst die Szene in der Folgenbeschreibung lediglich als «ziemlich cringe» zusammen. Das Wort «cringe» steht im Jugendslang für Verhalten, das peinlich oder unpassend ist.
RTL lässt Szenen unkommentiert
Ansonsten zeigt der Sender diese Szenen völlig unkommentiert - ebenso wie die Passage, in der Petrović erzählt, wie er seine Verlobte nach dem Hochzeitsantrag dazu drängte, mit ihm zu schlafen, obwohl sie das nicht wollte. Auch auf Nachfrage gab es keine Stellungnahme des Senders.
Denn: «Zuschauer:innen können den weiteren Verlauf auf RTL+ verfolgen und alle Beteiligten werden sich beim Wiedersehen allen kritischen Fragen stellen», antwortet ein RTL-Sprecher zusammenfassend auf mehrere Fragen - unter anderem die nach Konsequenzen. Das «Wiedersehen» soll nach Angaben des Sprechers Ende Dezember oder vielleicht erst im Januar gezeigt werden. Erst kürzlich meldete RTL bereits «Rekordwerte» bei den Abrufzahlen von «Temptation Island VIP» mit mehr als einer Million erreichten Zuschauern.
Die Medienexpertin Joan K. Bleicher von der Uni Hamburg sieht in dem Auftritt einen kalkulierten Tabubruch. «Um dem schwindenden Interesse an Reality-Formaten entgegenzuwirken, ist derzeit eine Steigerungsspirale beobachtbar, die bisherige Tabugrenzen durchbricht», sagt die Forscherin im dpa-Interview. «So gab es in der "Sommerhaus der Stars"-Staffel dieses Jahr physische und psychische Gewalt, die nicht reguliert wurde.»