Wirkung der blauen Pille
Sildenafil verhilft etwa 70 Prozent der Männer mit akuten Problemen zu einer Erektion - aber nicht automatisch, sondern nur, wenn der Mann auch erregt ist. Der Wirkstoff, ein sogenannter PDE-5-Hemmer, blockiert ein Enzym, das die Gefäßerweiterung und verstärkte Durchblutung des Penis in den Schwellkörpern verhindert. In Kombination mit anderen Medikamenten oder für Herzpatienten kann er aber gefährliche Nebenwirkungen haben und ist deshalb in Deutschland weiterhin verschreibungspflichtig.
Auch weil es manchmal ganz andere körperliche Gründe hat, dass Männer keine Erektion bekommen, halten Fachärzte eine Abklärung für sinnvoll. "Manchmal müssen Nerven stimuliert werden oder der Beckenboden muss aufgebaut werden", berichtet Sommer. So sei unter Umständen auch eine dauerhafte Heilung möglich.
Pink-Viagra: Könnte die Pille auch Frauen helfen?
Laut Studien wirkt Sildenafil auch auf weibliche Geschlechtsteile. Eine Zulassung gibt es für Frauen aber nicht. Nach Auffassung von Experten sind die Ursachen für Sexualitäts-Störungen bei Frauen auch wesentlich komplexer. Das 2015 mit großem Paukenschlag auf den US-Markt gebrachte "Pink Viagra" (Flibanserin) versuchte, diesen "Sex, der im Kopf beginnt" anzustacheln - mit minimalem Erfolg, dafür mit jeder Menge Nebenwirkungen.
Folgen von Viagra: Fluch oder Segen?
Die blaue Pille hat durchaus unterschiedliche Folgen. Viele Männer - und Paare - genießen es, nach langer Flaute wieder Sex zu haben. Auch fallen möglicherweise ein paar Missverständnisse weg, berichtet Sommer: Etwa wenn Frauen glaubten, ihr Mann ziehe sich zurück, weil er sie nicht mehr attraktiv fände - dabei schäme er sich wegen seiner Erektionsstörungen. "Das wird mit der Pille leichter."
Andere erleben aber auch negative Folgen. Manche Frauen fühlen sich nach Jahren freundschaftlichen Kuschelns unter Druck gesetzt, auf einmal wieder Sex zu haben. "Beide Partner haben einen physiologischen Alterungsprozess und die Anzahl der sexuellen Aktivitäten nimmt ab und vielleicht auch der Wunsch nach Sex", sagt Sommer.
Tabuthema Impotenz
Heute sprechen Experten vom "Viagra-Effekt" - denn mit dem Aufkommen der Tablette trauten sich Männer erstmals im größeren Umfang über ihre Probleme im Bett zu sprechen. "Früher haben Männer oft zehn bis 20 Jahre gewartet. Jetzt kommen Patienten teilweise schon nach drei bis sechs Monaten zu mir in die Sprechstunde", berichtet der Urologe Frank Sommer, Universitätsprofessor für Männergesundheit in Hamburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit.
Ein Grund dafür: Aus dem Problem Impotenz - für viele Betroffene mit sozialem Stigma und dem Makel des "Nicht-Könnens" versehen - wurde nun sachlicher die Erektile Dysfunktion. Ein medizinischer Fachbegriff, mit dem irgendwie einfacher umzugehen war.