Millionen besuchen Europas schönste Orte – und bringen sie an den Rand der Belastbarkeit. Die Städte reagieren mit Eintrittsgeldern, Verboten und Umleitungen: Ist das die Zukunft des Reisens?
Ob Dolomiten, Santorini oder Mallorca: Überall dasselbe Bild. Wanderwege wirken wie U-Bahnen zur Rushhour, Kreuzfahrtschiffe entladen Tausende Tagesgäste in Altstädte, die längst am Limit sind. Gesucht wird die Idylle, die der Massentourismus längst verdrängt hat. Mittendrin: genervte Einheimische.
Italien ringt mit dem Spagat zwischen Gastfreundschaft und Belastung. Venedig sorgte mit Eintrittsgebühren für Tagesgäste für Schlagzeilen, doch 2025 wurden damit über fünf Millionen Euro eingenommen. Das eigentliche Problem blieb jedoch bestehen: überfüllte Gassen, gereizte Anwohner und ein schwindendes Alltagsleben.
Laut Tourismusministerin Daniela Santanchè konzentrieren sich 75 Prozent der Touristen auf nur vier Prozent der Fläche. Ein Problem mit «Overtourism» gebe es jedoch nicht. Und während manche sich beschweren, klagen andere, wenn es ruhiger wird. So etwa Händler am Gardasee, die sich in diesem Sommer über leere Terrassen und schlechte Buchungszahlen ärgern.
In den Dolomiten wird der Sommer zur Belastungsprobe. Provokant reagierten darunter vier Grundbesitzer: Sie verlangen fünf Euro für den Zugang zum Seceda – einem der meistfotografierten Aussichtspunkte Südtirols mit Blick auf die Geislergruppe. Es gehe nicht um Profit, betonen sie, sondern um ein Zeichen gegen Müll, gestresstes Vieh, zertrampelte Almen – und Touristen, die mit Sneakern und Selfiestick wirken, als wollten sie zum Aperitif in die Altstadt statt auf 2.500 Höhenmeter. Auch wenn die Alpenvereine die Maut kritisch sehen, zeigen sie Verständnis: Die Massen müssten informiert und gelenkt werden.
Schweiz und Österreich: TV-Kulissen als Touristenmagnet
Ein Drehkreuz steht auch im Schweizer Iseltwald am Brienzersee südlich von Bern. Die Gemeinde reagierte 2023 auf den Besucheransturm – vor allem asiatische Touristen, die busseweise für ein Selfie auf den Holzsteg kamen, bekannt aus einer südkoreanischen Netflix-Serie. Fünf Franken (etwa 5,40 Euro) kostet der Eintritt, 244.000 Franken kamen so im vergangenen Jahr zusammen. Das Geld fließe in Reinigung, Instandhaltung sowie Aufsichtspersonal. Der Besucherstrom sei aber nicht abgerissen, räumt eine Sprecherin ein.
In Österreich bleibt Hallstatt der Ort, der am meisten unter Touristen leidet. Die winzige Gemeinde mit 750 Einwohnern zählt über eine Million Besucher jährlich – viele aus Asien, angelockt von der malerischen Kulisse, die durch TV-Serien weltweit bekannt wurde. Vor einigen Jahren wurde die Zahl der Reisebusse limitiert und eine Mindestverweildauer für Busgruppen eingeführt. «Wir bekommen das Ganze nur in den Griff, wenn man die Zufahrt zur Landesstraße beschränkt», sagt Bürgermeister Alexander Scheutz. Ziel müsse sein, die Zufahrt weit vor dem Ort zu sperren, sobald Hotels und Parkplätze ausgebucht seien. Dabei profitiert Hallstatt finanziell: Es gibt kostenlose Kinderbetreuung, günstige Seniorenverpflegung, soziale Mietwohnungen sowie Unterstützung für Feuerwehr und Bergrettung. Die Gemeinde bemühe sich um eine Infrastruktur, die den Ort lebenswert erhalte, so der Bürgermeister.
Skandinavien: Regeln, Apps und ein GPS-System
Auch in Nordeuropa werden Touristen-Hotspots wie die dänische Hauptstadt Kopenhagen oder die malerischen Fjorde an der Westküste von Norwegen von Reisenden überrannt. In kleinen Orten, die Kreuzfahrtschiffe ansteuern, übersteigt die Zahl der Tagesgäste oft die der Einwohner. Und da der Trend im Zuge der Klimakrise zur «Coolcation» geht – also zum Urlaub in kühleren Gefilden statt im überhitzten Süden Europas – werden die Touristenmassen in Skandinavien kaum kleiner werden.