Rente: "Wer heute unter 40 ist, wurde übers Ohr gehauen"

3 Min
"Wer heute unter 40 ist, wurde übers Ohr gehauen", schreibt Wolfgang Gründinger. Der 32-Jährige aus Tirschenreuth ist der vielleicht wichtigste Interessenvertreter der Jungen in Deutschland.
"Wer heute unter 40 ist, wurde übers Ohr gehauen", schreibt Wolfgang Gründinger. Der 32-Jährige aus Tirschenreuth ist der vielleicht wichtigste Interessenvertreter der Jungen in Deutschland.
Wolfgang Gründinger ist 1984 im oberpfälzischen Tirschenreuth zur Welt gekommen. Er ist Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen und Mitglied im Think Tank 30.
Wolfgang Gründinger ist 1984 im oberpfälzischen Tirschenreuth zur Welt gekommen. Er ist Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen und Mitglied im Think Tank 30.
 

Nicht nur bei der Rente entwickeln sich die Dinge zulasten jüngerer Generationen, klagt einer der wichtigsten Interessenvertreter der Jungen in Deutschland.

Wolfgang Gründinger ist so etwas wie die politische Stimme der Jungen in Deutschland. Seit vielen Jahren beschäftigt sich der 32-Jährige mit der Frage, wie junge Menschen und ihre legitimen Interessen auch unter den Bedingungen des demografischen Wandels angemessen repräsentiert werden können.

Demografischer Wandel, das bedeutet konkret: 1960 machten die unter 20-Jährigen noch knapp ein Drittel der Bevölkerung aus und die über 60-Jährigen ein Sechstel. 2020 wird sich dieses Verhältnis genau umgekehrt haben.

"Wer heute unter 40 ist, wurde übers Ohr gehauen", schreiben Sie. Wie kommen Sie zu diesem Urteil?
Wolfgang Gründinger: Die Lohnlücke zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmern hat sich in den letzten drei Jahrzehnten weit mehr als verdoppelt. Wer heute jung ist, wird im Laufe seines Lebens weniger verdienen als jemand, der heute bereits älter ist. Obendrein hat die aktuelle Bundesregierung inzwischen drei extrem kostspielige Rentenreformen durchgeführt.

Welche?
Die Rente mit 63, die Mütterrente und die Ost-West-Rentenangleichung. Von denen profitieren ausschließlich die heutigen Älteren, und die Jungen werden noch weiter benachteiligt werden. Sie müssen zahlen und bekommen noch weniger Rente. Währenddessen wird bei Familien und Kindern gespart. Im kommenden Jahr soll das Kindergeld um ganze zwei Euro angehoben werden, das bei Sozialhilfeempfängern allerdings gleich wieder verrechnet wird. Beim Generationenverhältnis ist etwas aus der Balance geraten.

Sind die rentenpolitischen Interessen der Jüngeren bei den Parteien gut aufgehoben?
Die Hälfte der Mitglieder von SPD und CDU/CSU sind über 60 Jahre alt. Bei der Linken ist das Durchschnittsalter sogar noch höher. Und ein Drittel aller Wähler ist über 60. Daher machen die Parteien eine Rentenpolitik, die tendenziell zugunsten der Älteren und zulasten der Jüngeren gestrickt ist. Das nächste Wahlkampfthema wird wieder einmal die Rente sein.

Ist Rentenpolitik also immer auch Klientelpolitik?
Sicherlich, wie jede Politik sich ja nach den Wählern richtet. Und da haben die Jungen schlechte Karten. Sie sind einfach zu wenige, als dass ihre Interessen genug Beachtung finden würden.

Wie müsste das politische System verändert werden, damit die Interessen der Jungen stärker zur Geltung kommen?
Wir brauchen ein Wahlrecht auch für junge Menschen. Jeder und jede muss wählen dürfen, sobald er oder sie will - auch unter 18 Jahren. Das würde die Machtverhältnisse zumindest ein Stück weit ausgleichen.

Wie müsste eine Rentenpolitik konzipiert sein, die besser als bisher die Interessen jüngerer Generationen berücksichtigt?
Die beste Rentenpolitik ist eine Förderung von Kindern und Jugendlichen. Denn nur, wenn die junge Generation gut ausgebildet ist und gute Löhne bezieht, kann sie die wachsenden Kosten für Renten, Pflege und Gesundheit bei einer älter werdenden Bevölkerung schultern. Wenn schon Rentengeschenke gemacht werden, dann müssen sei seriös gegenfinanziert sein.

Was hieße das?
Nicht auf Kosten von Zukunftsinvestitionen, wie das heute der Fall ist. Mit dem Geld für das Rentenpaket - weit über 160 Milliarden Euro - hätte man ganz Deutschland zweimal mit Glasfaser-Internetkabeln ausstatten können und hätte immer noch Geld übrig gehabt. Aber dafür ist scheinbar kein Geld da.

Wie beurteilen Sie die jüngsten Rentenbeschlüsse der großen Koalition? Immerhin wurde ein Freibetrag in der Grundsicherung eingeführt.
Einige Maßnahmen sind zu begrüßen: der Freibetrag in der Grundsicherung, damit nicht die privat ersparte Riesterrente wieder abgezogen wird, und genauso die dringend nötigen Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente. Unterm Strich fiel die Rentenpolitik aber sehr deutlich zulasten der Jungen aus.
Warum?
Die Reform der Ostrenten ist ein Beispiel: Hier wurde die Höherbewertung der Löhne gestrichen, so dass die Jungen für die Aufstockung der Ostrenten für die heutigen Älteren bezahlen, selbst aber die bisher gewährten Rentenvorteile verlieren.

Sind sich jüngere Menschen überhaupt der Dramatik in Sachen Rente bewusst?
Ja, aber sie blicken fatalistisch in die Zukunft: Sie glauben nicht mehr an eine Rente. Da ist viel Vertrauen verloren gegangen.Und sie haben auch andere Sorgen: einen Studienplatz finden, einen anständig bezahlten Job finden, bezahlbaren Wohnraum finden - da steht die Rente hinten an.

Erklärt dies das Ausbleiben eines Aufschreis?
Ein Aufschrei über die Rentenreform wirkt ja manchmal wie ein Aufschrei gegen die eigenen Eltern und Großeltern. Und denen gönnt man das kleine Plus bei der Rente ja meistens gern.

Sind die Jungen zu unpolitisch?
Nein. Aber die junge Generation ist kleiner geworden und damit auch schwächer. Die Jungen müssen lernen, für eine gemeinsame Sache zu kämpfen.

Wie sorgen Sie persönlich für die Rente vor?
Für individuelle Ratschläge bin ich der Falsche. Aber ich zahle natürlich in die gesetzliche Rente ein und habe auch eine Riesterrente. Jeder, der nicht reich erbt, braucht eine eigene Vorsorge.


Das Gespräch führte
Christoph Hägele.