Finanz-Experte hat keine Angst um sein Geld

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Ronald Hartz Foto: privat
Ronald Hartz Foto: privat

Das Thema Schuldenkrise beherrscht kontinuierlich die Medien. Einer, der den Krisenverlauf kritisch beobachtet ist Ronald Hartz, Juniorprofessor für Europäisches Management an der Technischen Universität Chemnitz. Im Interview erklärt der 37-Jährige unter anderem, warum er keine Angst um sein Geld hat und welche Maßnahmen er zur Krisenlösung bisher vermisst.

Herr Hartz, viele Bürger in Deutschland haben Angst um ihr Geld. Haben Sie auch Angst?
Ronald Hartz: Nein.

Was macht Sie so sicher?

Es gibt gewisse Absicherungen, was die Sparanlagen betrifft. An dieser Stelle muss man aus meiner persönlichen Sicht keine Angst haben. Und ich glaube auch nicht, dass der Großteil der Bevölkerung Angst hat.

Aber es ist doch eine gewisse Unsicherheit da, was den Euro betrifft. Wie lange wird das noch andauern?
Als ich 2008 begonnen habe, mich mit der Krise zu beschäftigen, hätte ich nicht unbedingt gedacht, dass wir uns 2012 noch immer in einer Form von Krise befinden. Nur die Aufmerksamkeit hat sich verschoben.
Wir sprechen jetzt nicht mehr von Finanz-, sondern von Schuldenkrise.

Kommen wir aus dieser Krisensituation jemals wieder heraus?
Das Ende der Krise lässt sich nicht vorhersagen.

Was sich vorhersagen lässt, ist, dass der Schuldenberg vieler Länder nicht geringer wird. Ein Kennzeichen einer globalisierten Welt?
Das Thema Schulden hat an Bedeutung gewonnen. Wie hoch die Staatsverschuldung ist, damit hat man sich vor ein paar Jahren noch nicht mit einer solchen medialen Aufmerksamkeit beschäftigt. Aber in letzter Zeit gewinnt die Angelegenheit an Dramatik. Ratingagenturen bewerten öffentlichkeitswirksam Staaten, und das staatliche Handeln orientiert sich auch an diesen Bewertungsmaßstäben.

Also immer nur eine Reaktion auf die Märkte?
Eine neue Sensibilität für die Stimmung auf den Märkten, die so bisher nicht gegeben war.

Was wurde bisher falsch gemacht in der Reaktion auf die Krise?
Man hätte intensiver über Fragen der Regulierung, die Rolle der Ratingagenturen und der Investmentbanken nachdenken sollen.

Eine zu starke Bankenlobby?
Es gibt sicherlich eine Form von Lobby. Aber zu denken, die Ratingagenturen oder die Banken könnten die Politik nach ihren Wünschen gestalten, wäre naiv.

Wo liegt dann das Problem?
Argumentiert wird mit einer Logik, die sagt: Das Wichtigste ist Wachstum. Alles andere folgt. Die Krise, die wir haben, ist genau ein Ausfluss dieses Marktoptimismus. Aber der Markt löst die Krise nicht.

Und die Banken?
Die sind in der öffentlichen Diskussion verschwunden.

Wie kam denn das?
Man tut sehr viel, um Banken zu retten. Der Begriff der Systemrelevanz wurde geschaffen, Banken dürfen insofern nicht scheitern. Nach der Rettung wird es dann wieder still um die betreffenden Kreditinstitute. Sie sind nicht mehr im Fokus des öffentlichen Interesses. Nehmen Sie zum Beispiel die Diskussion um die Gehälter, um die Boni der Bankmanager. Das ist heute kein Thema mehr. Dabei hat sich an der Höhe der Boni nicht viel geändert.

Heißt das: Es ändert sich nichts, der nächste Crash kommt bestimmt?
Prognosen sind schwierig. Aus der Sicht der ökonomischen Theorie würde man sagen: Krisen gehören einfach dazu, ohne Krisen kein Fortschritt, kein neues Wachstum.

Zieht das Streben nach Wachstum somit automatisch Krisen nach sich?
Es fehlt an der mangelnden Reflexion unseres Verständnisses von Wachstum. Wer Wachstum infrage stellt, wird gleich gefragt: Ja, willst du denn so leben wie im Mittelalter? Aber es wird Zeit, die Forderung nach ständigem Wachstum zu überdenken. Und es gibt mittlerweile auch wissenschaftliche Ansätze dazu. Wichtig wäre es, sich die Alternativen jenseits des gängigen Wachstumsparadigmas genauer anzuschauen. Denn wenn man die vergangenen Jahrhunderte betrachtet, so merkt man: Wachstum und Krise hingen immer zusammen.

Und als Mittel gegen Krisen gibt es bisher nur kurzfristigen Aktionismus?
Wichtig wäre eine langfristige Perspektive: Hinauszudenken über das nächste Urteil der Ratingagentur, über die nächste Tranche, die an Griechenland gezahlt werden muss. In solchen Dimensionen müssten Politik und Wirtschaft denken.

Machen sie aber nicht...
Die Finanzmärkte tun sich natürlich schwer mit einer langfristigen Perspektive. Da geht es um kurzfristige Daten, Quartalsberichte. Dennoch: Es wäre wichtig, über solche kurzen Zeiträume hinauszudenken.

Was wäre sonst noch wichtig?
Man sollte sich stärker für alternative Formen des Wirtschaftens öffnen. Überhaupt wieder in Alternativen zu denken, wäre ein Fortschritt. Die Märkte sind kein Naturereignis, sondern ein sozialer Zusammenhang, der veränderbar ist. Im Sinne einer langfristigen Perspektive darf es keine Denkverbote geben.

Wie sicher sind wir derzeit unter dem ESM-Schirm?

Absolute Sicherheit wird es nie geben. Egal, wie groß ein Rettungspaket ist, man setzt sich immer wieder dem Urteil der Märkte aus. Der Rettungsschirm ist dazu da, die Märkte zu beruhigen, aber er funktioniert in seiner Form auch nur, solange die Märkte ruhig sind.