Aus diesem Grund löschen die Provider die IP-Adressen auch weiterhin nach wenigen Tagen. "Das ist ein großes Problem für uns", sagt Janovsky.
Monat für Monat beispielsweise meldet die US-Kinderschutzorganisation NCMEC Tausende Hinweise auf Nutzer, die von Deutschland aus kinderpornografisches Material in den sozialen Netzwerken teilen. Wenn die deutschen Ermittler diese Spuren später aufgreifen, sind sie oft genug bereits erkaltet. "Die Daten zu den betreffenden IP-Adressen sind dann oft schon gelöscht worden", sagt Oberstaatsanwalt Christian Schorr vom ZCB.
Datenschutz und Täterschutz
Ein Smartphone und einen Internetanschluss, mehr braucht es heute nicht mehr für die Produktion und den Vertrieb kinderpornografischen Materials. "Der digitale Fortschritt macht es den Kriminellen leicht und den Ermittlern schwer", sagt Janovsky.
Dennoch bleibt die Frage nach dem Instrumentenkasten der Ermittler oft auffallend unterbelichtet. Nach den Missbrauchsfällen von Münster und Bergisch Gladbach investierte Bundesjustizministerin Lambrecht (SPD) ihr politisches Kapital lieber in die Verschärfung des Strafrechts. "Man darf es aber nicht bei der Erhöhung des Strafrahmens belassen. Man muss auch die Ermittlungsmöglichkeiten anpassen", sagt Janovsky. Seine Forderung provoziert Fragen: Haben die Ermittler wirklich alle Mittel für das, was Staat und Gesellschaft von ihnen erwarten: Täter überführen, Netzwerke zerschlagen, neue Gewalt an Kindern verhindern?
Man bekommt von den Ermittlern auf diese Frage kein klares Ja und auch kein klares Nein. Ihr Alltag ist komplizierter. Er ist bestimmt von der Spannung zwischen dem ermittlungstechnisch Wünschenswerten und dem rechtlich Erlaubten. Beispiel Vorratsdatenspeicherung: Janovsky hält sie im Kampf gegen kinderpornografische Täter für "essenziell". Die Bedenken vieler Datenschützer respektiert er. Ängste vor staatlicher Komplettüberwachung aber weist er zurück: "Für jeden Zugriff auf diese Vorratsdaten müssten wir uns eine richterliche Genehmigung holen." Datenschutz sei wichtig, sagt Janovsky: "Aber Datenschutz darf nicht Täterschutz werden."
Nur eine stumpfe Waffe?
Vor allem im Darknet, auf der dunklen Seite des Internets, teilen Nutzer ihre Dokumente sexualisierter Gewalt. Hier glauben sie sich unbeobachtet von den Ermittlern. Im Darknet werden IP-Adressen über eine Kette von Serververbindungen anonymisiert. Die Nutzer sind nicht mehr zu identifizieren, ihre IP-Adressen scheinen ohne Wert. Dass alles entblößt die Vorratsdatenspeicherung in den Augen ihrer Kritiker als eine allenfalls stumpfe Waffe in den Händen der Behörden.
Die Ermittlungen gegen den Logopäden bewiesen das Gegenteil. Zwar konnte das ZCB allein mit der IP-Adresse nicht nachvollziehen, in welchen Foren er was tat. "Aber wir konnten ihn mit der IP-Adresse identifizieren und feststellen, wann er sich ins Darknet einwählte", sagt Schorr. Eines Abends stürmte genau dann das SEK das Zimmer des Logopäden.
Dass die von Janovsky geforderten "Anpassungen" der Ermittlungsmöglichkeiten kein Wunschdenken bleiben müssen, beweist der Umgang mit den sogenannten "Keuschheitsproben". Mit ihnen vergewissern sich die Mitglieder kinderpornografischer Foren, ausschließlich unter Gleichgesinnten zu sein.
Regelmäßig verlangen sie deshalb voneinander eigene kinderpornografische Fotos. Die im Darknet ermittelnde ZCB konnten die "Keuschheitsproben" nicht bestehen, sie hätten sich strafbar gemacht. Die Türen, die sich ihnen in pädosexuelle Schattenreiche geöffnet hatten, schlossen sich wieder. "Das war ungeheuer frustrierend", sagt Schorr.
Heikle "Keuschheitsproben"
Etwas Entscheidendes hat sich geändert. Seit diesem Frühjahr dürfen Ermittler die Produktion kinderpornografischer Bilder und Videos in Auftrag geben. Voraussetzung dafür ist ein richterlicher Beschluss.
Mithilfe künstlicher Intelligenz errechnen IT-Experten anschließend lebensecht wirkende, in Wahrheit aber vollkommen künstliche Missbrauchsbilder. Mit ihnen lassen sich "Keuschheitsproben" bestehen, mit ihnen kann die ZCB noch zielgerichteter ermitteln.
Ihre neuen Optionen verdanken die Ermittler einer bayerischen Gesetzgebungsinitiative, die von der Generalstaatsanwaltschaft in Bamberg selbst mit angestoßen wurde. "Die alte Gesetzeslage hat uns zu oft ausgebremst. Ich bin froh, dass das geändert werden konnte", sagt Janovsky.