Hochstall 4 bietet Raum für Talente aus aller Welt

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Neben der Arbeit im Haus von Dagmar Stein in Hochstall (Gemeinde Buttenheim), kommt für Christopher Zander (links) und Pablo Fernandez die Unterhaltung nie zu kurz. Fotos: Barbara Herbst
Neben der Arbeit im Haus von Dagmar Stein in Hochstall (Gemeinde Buttenheim), kommt für Christopher Zander (links) und Pablo Fernandez die Unterhaltung nie zu kurz. Fotos: Barbara Herbst
Pablo Fernandez schätzt nach einem Jahr Köln die Ruhe in Hochstall.
Pablo Fernandez schätzt nach einem Jahr Köln die Ruhe in Hochstall.
 
Christopher Zander in seinem Zimmer in Hochstall 4.
Christopher Zander in seinem Zimmer in Hochstall 4.
 
Im Garten von Dagmar Stein wartet jede Menge Arbeit auf die Workawayers.
Im Garten von Dagmar Stein wartet jede Menge Arbeit auf die Workawayers.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Das Bauernhaus von Dagmar Stein in Hochstall ist ein Treffpunkt für Abenteurer. Sie kommen, um zu arbeiten und Deutsch zu lernen. Doch die Wissensvermittlung ihrer Gastgeberin geht weit darüber hinaus.

Fünf Monate studierte der Pianist Christopher Zander in Wien. Jetzt lebt der junge Mann aus New York in einem einsamen Winkel der Fränkischen Schweiz. Es ist Vormittag, Christopher Zander sitzt mit dem Chilenen Pablo Fernandez am Küchentisch. Der 27-Jährige Nord-, und der 28-jährige Süd-Amerikaner schneiden Pilze und Zwiebeln. Dabei erzählen sie von den Erlebnissen der vergangenen Wochen. Es sei "unglaublich viel", was sie von Dagmar Stein gelernt hätten, sagt Christopher Zander.

Offensichtlich trifft die 65-jährige Gastgeberin mit ihrem Workaway-Angebot den Nerv junger Menschen aus der ganzen Welt. Sie kommen aus Kalifornien, Japan, aus Chile oder China. Die meisten wollen die deutsche Kultur kennenlernen. In Hochstall 4 erleben sie märchenhafte Verhältnisse. Dagmar Stein hat das Bauernhaus und einige tausend Quadratmeter Garten-Land vor 20 Jahren erworben. Als das Leben der Nürnbergerin einsam wurde, hatte sie vor fünf Jahren die Idee, Menschen um sich zu versammeln.

Workaway, für die Gäste bedeutet dies: Kost, Logis und die Wochenenden sind frei. Dafür arbeiten sie fünf Stunden pro Tag. Doch Dagmar Stein nimmt es nicht so genau: "Bei mir ist es wie in einer Familie", sagt die 65-Jährige, die immer auch ein Auge auf die Talente ihrer Schützlinge hat.

Christopher Zander und Pablo Fernandez zum Beispiel sind leidenschaftliche Musiker; der in Kalifornien aufgewachsene Christopher ist sogar ausgebildeter Pianist. Für die beiden jungen Männer aus Amerika hat Dagmar Stein ein Konzert im Haus von Freunden organisiert.

Auf seiner Tour durch Europa habe er immer wieder die Vernetzung von Ideen und Menschen erlebt, erzählt Christopher. Anfangs war er in Schweden und lebte im Haus einer ausgewanderten Komponistin aus Nürnberg. Ein Stück der Komponistin hat Christopher Zander von Schweden mit nach Deutschland gebracht und vor wenigen Tagen bei Freunden von Dagmar Stein in Bamberg aufgeführt. "Das ist typisch für Workaway, ein bisschen crazy."

Zwei Wochen Mecklenburg, zehn Tage Schwarzwald, jetzt drei Wochen Hochstall: Christopher Zander arbeitet auf dem Weg durch Deutschland an seinen Sprachkenntnissen. Seine Großeltern waren 1946 von Düsseldorf aus in die USA ausgewandert. Und jetzt ist der Enkel nach zwei unruhigen New Yorker Jahren als Pianist in umgekehrter Richtung aufgebrochen. Die Ruhe, der er suchte, fand er auf dem Anwesen von Dagmar Stein - beim Bau eines Hochbeetes, beim Umgraben des Gartens, beim Einkochen von Quittenmarmelade. "Das Leben hier ist gesünder als in New York", sagt der 27-Jährige.

Lernen bei Dagmar

Auch Pablo Fernandez nutzt die Abgeschiedenheit. Um zu schreiben und Musik für Videospiele zu komponieren. Der 28-Jährige Spanisch-Lehrer kommt aus einem Bergdorf in der Nähe von Santiago de Chile. Ein Jahr in Köln hat er hinter sich. Er liebt deutschsprachige Literaten und Philosophen, vor allem Wittgenstein. Gerade schreibt er an einer fantastischen Kurzgeschichte, die mit dem Namen seiner Gastgeberin spielt: Stein. "Jeder lernt viel bei Dagmar", sagt Pablo. Über Bäume und Märchen wisse sie genauso Bescheid wie über Tiere und Kräuter. "Sie ist wie eine große Mama und eine gute Freundin."

Früher waren die Winter in Hochstall "still und traurig" gewesen, erinnert sich Dagmar Stein. Seit sie "Workawayers" im Haus habe, werde hier vor allem gespielt und gelacht. "Ich werde selbst wieder zum Kind", sagt die 65-Jährige, die ihr Anwesen mit einem Pippi-Langstumpf-Haus vergleicht. Auch ihre Lebensphilosophie sei mit der von Pippi Langstrumpf vergleichbar: "Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt."

Besonders gefällt es Dagmar Stein, wenn sie Wissen über Kräuter oder Spurenlesen vermitteln kann. Aber auch Exkursionen nach Forchheim, Bamberg oder in die Therme von Staffelstein gehören zum Gäste-Programm. Bei all dieser Wissensvermittlung kommt es Dagmar Stein zugute, dass sie einst eine Ausbildung zur Spiel- und Theaterpädagogik machte. Bei ihren Natur-Erkundungen lässt sich Dagmar Stein von der Bildungsarbeit der US-amerikanischen Wildnis-Schulen inspirieren.

Wobei 65-Jährige betont, dass nicht nur ihre Gäste von ihr lernen. Das Workaway in ihrem Haus ermögliche ihr auch, die eigene Welt neu zu sehen. Dagmar Stein erzählt von der eben abgereisten Valentina aus Chile. Erst wollte sie eine Woche in Hochstall bleiben, dann zwei - dann blieb sie zwei Monate. Valentina stammt aus der Wüstenstadt Antofagasta. Weil sie nur Hitze und wolkenlosen Himmel kannte und eine begeisterte Fotografin war, konnte sie in winterlichen Hochstall nicht aufhören den Nebel, die Wolken und die "bunten Bäume" zu fotografieren. "Sie hat Hunderte Nebel-Bilder gemacht", sagt Dagmar Stein. "Und plötzlich habe ich den Nebel und die Bäume hier ganz neu gesehen."