"Freistaat Danzig": Amtsanmaßung, Fälschung, Betrug - Prozessauftakt in Coburg

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Der Angeklagte (lnks) mit seinem Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm u. a. Betrug und Urkundenfälschung vor. Fotos: Ronald Rinklef
Der Angeklagte (lnks) mit seinem Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm u. a. Betrug und Urkundenfälschung vor. Fotos: Ronald Rinklef
In Fußfesseln musste der Angeklagte vor dem Landgericht Coburg erscheinen.
In Fußfesseln musste der Angeklagte vor dem Landgericht Coburg erscheinen.
 

Der angeklagte "Senatspräsident des Freistaates Danzig" steht wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Amtsanmaßung vor dem Coburger Landgericht.

Er nennt sich "Senatspräsident des Freistaates Danzig", stammt aus Ebern und muss sich seit Freitag vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichtes wegen Betrugs in rund 100 Fällen, Urkundenfälschung, Amtsanmaßung und Verschaffen von amtlichen Ausweisen verantworten. Seit Januar 2009 war der Sitz des "Freistaates" in Grub am Forst, später soll der 63-jährige Angeklagte das Büro nach Coburg übergesiedelt haben.

Von dort aus soll er mit einer 57-jährigen Geschäftspartnerin, die als "Senatorin" fungierte, die Mitgliedschaften des "Freistaates Danzig" verwaltet haben. Hintergrund: Der Freistaat Danzig wurde im Jahr 1939 von den Nationalsozialisten okkupiert und später Polen zugesprochen. Der Vater des Angeklagten, ein ehemaliger Einwohner Danzigs und gebürtiger Engländer, schlug im Jahr 1955 die deutsche Staatsbürgerschaft aus. Er sah sich weiterhin als Staatsbürger des Freistaats Freie Stadt Danzig.

Im Jahr 2008 organisierte der Angeklagte aufgrund verschiedener Tatsachen, die er dem Gericht ausführlich erläuterte, den "Freistaat Danzig" neu. Diese Neu-Organisation ist der Staatsanwaltschaft Coburg seit langem ein Dorn im Auge: Bereits im September 2014 sollte sich der Angeklagte vor dem Coburger Gericht wegen Betrugs verantworten. Der Prozess platzte, weil der 63-Jährige zuvor in die Schweiz gereist war und in einem Fax an den damaligen Vorsitzenden Richter Gerhard Amend schrieb: "...erlaube ich mir, Ihr Begehren, vor Gericht zu erscheinen, abzulehnen".


Schweiz lehnte Auslieferung ab

Im Januar 2017 wurde der Angeklagte, der bis dahin schon mehrfach in deutschen Gefängnissen saß, erneut verhaftet und sitzt seitdem in der Justizvollzugsanstalt in Kronach ein. Im Oktober 2008 wurde er vom Amtsgericht Coburg wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Ein weiteres Verfahren wegen Betruges sah eine Strafe von neun Monaten vor. Der Mann hielt sich jedoch zeitweise in der Schweiz auf. Entsprechende Auslieferungsersuche des Bayerischen Staatsministeriums für Justiz beschieden die Schweizer Behörden abschlägig.

Der Angeklagte kritisierte seine bisherigen Verhaftungen und die Inhaftierungen und bezeichnete sie als illegal. Staatsanwalt Martin Dippold sah das anders: Der Mann sei auf deutschem Grund und Boden festgenommen worden, sagte er. Ein Auslieferungsantrag sei deswegen nicht nötig und von seiner Behörde auch nicht beantragt worden.

Gegenstand der jetzigen Verhandlung ist der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, der 63-Jährige habe zum Zweck der Bereicherung falsche Dokumente, wie Personenausweise, Führerscheine, Reisepässe und Kfz-Zulassungen, hergestellt und vertrieben. Dabei sollte vorgetäuscht werden, dass es sich um gültige Ausweise handele. Weiterhin konnten die Mitglieder des Freistaates Danzig laut Staatsanwaltschaft ein Gewerbe bei ihm anmelden, Grundbucheintragungen vornehmen lassen und kamen in den Genuss von Steuererleichterungen. Insgesamt knapp 10 000 Euro sollen so im Zeitraum zwischen 2009 und 2011 erwirtschaftet worden sein.

Aufgrund der Aktivitäten des Angeklagten im Internet - seine Anhänger riefen unter anderem zur Prozessbeobachtung auf und initiierten eine Petition zur Freilassung des Mannes - waren im Landgericht umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden. Trotzdem fand nur ein kleines Grüppchen Anhänger den Weg in den Gerichtssaal, die den Angeklagten mit Gesang und aufmunternden Sprüchen wie "Soll ich für dich gestehen?" unterstützten.


Vorwürfe der Verteidigung

Weil der Vorsitzende Richter . Christoph Gillot seinerzeit als Staatsanwalt an den Ermittlungen beteiligt war, übernahm Richterin Bianca Franke den Vorsitz. Sie musste sich vom Anwalt des Angeklagten, Joachim Voigt, einiges anhören: Dieser kritisierte, er habe nur einen geringen Teil des umfangreichen Aktenmaterials zur Verfügung gestellt bekommen. Zudem ging er von einer Absprache mit dem Oberstaatsanwalt aus. Er monierte, die Auswertung der aufwändigen und akribischen Aufarbeitung der einzelnen Daten durch Zeugen, die viel Zeit in Anspruch nahmen und von seiner Warte aus scheinbar erfolglos blieben. Er beantragte, das Verfahren auszusetzen.

Zwar hätte sich das Gericht auf ein Verständigungsgespräch zwischen den Prozessbeteiligten eingelassen und ein Strafmaß zwischen neun Monaten bis einem Jahr und drei Monaten als Obergrenze zugestimmt, so Franke. Dieses lehnte jedoch Oberstaatsanwalt Dippold ab. Für Voigt kam von vorneherein lediglich eine Verurteilung bis unter einem Jahr in Frage, um die Pension seines Mandanten, der lange Jahre als Forstoberinspektor in Coburg arbeitete, nicht zu gefährden. Im Vorfeld habe es jedoch keinerlei Verständigung und Absprache mit der Staatsanwaltschaft gegeben, betonte Franke.

Weil ein ermittelnder Polizeibeamter im Zeugenstand nur wenige schlüssige Beweise für eine Beteiligung des Angeklagten vorlegen konnte, erhoffen sich die Ermittlungsbeamten diese nun bei der Auswertung eines Datensticks unter Zuhilfenahme des Computers einer ehemaligen angeklagten Mitarbeiterin. Ein Polizist, der diese Daten noch in der Nacht vor dem Prozessbeginn ausgelesen hatte, konnte jedoch nicht alle Dateien öffnen. Auch das stieß Voigt sauer auf: "Seit 2011 befinden sich die Unterlagen bei der Staatsanwaltschaft", sagte er und seien bisher nicht ausgewertet worden. "Das Verfahren läuft lange genug." Er forderte, den Haftbefehl aufzuheben.
Das Verfahren wird fortgesetzt.