Windenergie in Deutschland auf dem Vormarsch: Mehr neue Windräder als je zuvor

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Die Windenergie kommt so richtig in Fahrt.
Die Windenergie kommt so richtig in Fahrt.
CC0 / Pixabay / 127071

Der Ausbau der Windkraft in Deutschland drohte im Sumpf der Bürokratie zu versinken. Jetzt steigt der Beitrag der Windenergie zur Erzeugung von Strom aber wieder.

Der Ausbau der Windkraft in Deutschland kommt jetzt deutlich schneller voran als in den vergangenen Jahren. Laut den Zahlen der Bundesnetzagentur gab es 2024 bei der Windenergie an Land ("Onshore") Zuschläge im Umfang von elf Gigawatt – das ist etwa doppelt so viel wie im bisherigen Rekordjahr 2017. Und: Bayern schaffte 2024 den Anschluss bei den Windrädern.

Die Windbranche zeigt sich zufrieden mit der Entwicklung. "Für die Windenergie an Land war 2024 ein absolutes Erfolgsjahr", sagte die Präsidentin des Bundesverbands Windenergie, Bärbel Heidebroek, dem Magazin Focus. Die neuen Zahlen der Bundesnetzagentur zeigen: Der Ausbau der Windkraft in Deutschland kommt schneller voran, als viele Experten vor einer Weile noch zu hoffen wagten.

Windkraft in Deutschland deutlich ausgebaut: So viel Energie bringen Windräder bald

Die Netzagentur berichtet von der gerade abgeschlossenen Ausschreibungsrunde für Windanlagen an Land. Sie hat alle Rekorde gebrochen und verhilft Deutschland damit wieder auf einen ambitionierten Zubaupfad. Bei einer ausgeschriebenen Menge von 4,1 Megawatt (MW) gab es 528 Gebote mit einer Menge von 6,1 MW. Die Ausschreibung war damit fast 1,5-fach überzeichnet. Es konnten 348 Gebote mit einer Menge von 4,1 MW einen Zuschlag erhalten. 

"Die eingereichte Gebotsmenge übertraf um mehr als das Doppelte die bisherige Höchstmarke aus der vorherigen Ausschreibung. Es wurden fast so viele Gebote eingereicht wie in allen Ausschreibungsrunden aus 2023 zusammen. Der äußerst positive Trend bei den Geboten wird sich ab dem kommenden Jahr auch deutlich bei den Inbetriebnahmen zeigen", sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.

Das mit weitem Abstand größte Zuschlagsvolumen entfiel wie in den vorherigen Ausschreibungsrunden auf Gebote für Standorte in Nordrhein-Westfalen (1256 MW, 116 Zuschläge), gefolgt von Standorten in Niedersachsen (606 MW, 46 Zuschläge), Mecklenburg-Vorpommern (429 MW, 32 Zuschläge) und Brandenburg (380 MW, 46 Zuschläge).

Bayern holt auf: Mehr Windräder werden gebaut

In den meisten Bundesländern konnten Steigerungen gegenüber der Vorrunde erzielt werden. Auch in den südlichen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg ergab sich mit insgesamt 18 Zuschlägen (281 MW) ein deutlicher Anstieg. Bayern ist damit auf dem Weg, den Anschluss bei der Windenergie zu schaffen. 2023 sah das noch anders aus: Damals hatten Bayern und Baden-Württemberg den geringsten Zuwachs bei den Windrädern unter allen Bundesländern. 

Auch RWE, einer der größten Betreiber von Windrädern in Europa, bewertet die Entwicklung positiv: "Die Genehmigungen im Windbereich haben in den letzten zwei bis drei Jahren deutlich zugenommen", so Katja Wünschel, RWE-Managerin für Erneuerbare Energien in Europa gegenüber T-Online.

Man kann ein Windenergieprojekt jetzt innerhalb von vier Jahren abschließen. Das sei eine "deutliche Beschleunigung" zu den sechs bis acht Jahren, die es noch vor wenigen Jahren von der Planung bis zur Fertigstellung dauerte.

Vereinfachungen durch schlankere Gesetze zeigen Wirkung

Die jüngsten Erfolge beim Ausbau der Windkraft gehen nach Einschätzung von Experten auf Vereinfachungen der Verfahren zurück. So hat die Bundesregierung Auflagen für den Bau von Windkraftanlagen verringert und Klagen erschwert. Es bleibt aber Sache der Länder, zu entscheiden, wie sie ihre Flächenziele erfüllen. "Eine Verhinderungsplanung aber schließen wir aus", betonte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Verabschiedung des Gesetzes.

Durch das Wind-an-Land-Gesetz gibt es für die Bundesländer erstmals verbindliche Flächenziele zur Ausweisung von Windparks. Die Länder müssen konkret zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie ausweisen. Außerdem sind die Planungsverfahren stark verkürzt. Bis 2027 sollen 1,4 % der Flächen für Windenergie bereitstehen, hat der Bundestag im Gesetz festgelegt. Repowering-Maßnahmen am selben Standort sind vorzuziehen.

Die Genehmigungsverfahren sind durch die Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes deutlich vereinfacht. Ein zentrales Anliegen dieses Gesetzes ist es, Genehmigungsverfahren von Anlagen, die dem Immissionsschutzrecht unterliegen, merklich zu beschleunigen. Dies betrifft vorrangig Windenergieanlagen an Land. Zusätzlich beschleunigt ist die Genehmigung neuer Windparks in ausgewiesenen Gebieten durch die Anwendung der EU-Notfallverordnung.

Gerichte ziehen mit und treffen andere Urteile

Im Gesetz zum Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) ist festgeschrieben, dass erneuerbare Energien im "überragenden öffentlichen Interesse" liegen. Dadurch haben Klagen gegen neue Windparks nur geringe Chancen auf Erfolg. Auch eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes hat die Naturschutzauflagen für neue Windparks drastisch verringert, indem beispielsweise auf eine gutachterliche Geländebegehung in der Regel verzichtet wird.

Inzwischen haben auch Verwaltungsgerichte auf die neue Gesetzeslage reagiert, wie Gleiss Lutz, eine der führenden international tätigen Anwaltskanzleien Deutschlands, berichtet. Die Anwälte stellten fest, dass die Gerichte vermehrt die mit der Einführung von § 2 EEG verbundene gesetzgeberische Intention, die Produktion erneuerbarer Energien zu steigern, in ihren Entscheidungen umsetzen.

Die in vielen Fällen vorzunehmende Abwägung der Argumente geht wegen des vorrangig zu berücksichtigenden überragenden öffentlichen Interesses an erneuerbaren Energien häufig zugunsten von Windenergieanlagen aus. Dem Ausbau von erneuerbaren Energien stehen daher deutlich weniger Hürden entgegen als in früheren Jahren. 

Auf Dunkelflauten vorbereiten

Thomas Kusterer, Manager bei Energie Baden-Württemberg (EnBW), erklärt im Interview mit dem Nachrichtensender n-tv, dass Deutschland beim Ausbau und Einsatz der erneuerbaren Energien "gut unterwegs" sei. So seien 2024 etwa 60 % des erzeugten Stroms erneuerbar gewesen. Gleichzeitig gingen die Treibhausgasemissionen, die Deutschland erzeugt, deutlich zurück. Verglichen mit dem Stand von 1990 wahrscheinlich um 50 %.

"Das ist positiv. Sorgen bereitet mir, dass wir uns in den vergangenen Jahren berechtigterweise stark mit 'Klimaschutz' auseinandergesetzt, aber zwei Themen dabei vielleicht zu stark aus den Augen verloren haben: die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit." Das sei aber kein Plädoyer für weniger Klimaschutz. Sorgen machen dem Manager vor allem sogenannte Dunkelflauten.

Wir hätten im Winter wenig Sonne und wenig Wind. "Die erneuerbaren Energien, die normalerweise einen hohen Anteil des Stroms erzeugen, sind in dieser Zeit deutlich seltener verfügbar." Je mehr Strom aus erneuerbaren Quellen bezogen werde, desto "mehr Strom müssen wir auf Abruf zur Verfügung stellen, um wetterbedingte Schwankungen bei der Erzeugung mit dem tatsächlichen Bedarf in Einklang zu bringen. Neben Speichern benötigen wir vor allem neue, wasserstofffähige Gaskraftwerke", statt den maximalen Ausbau der erneuerbaren Energien zu forcieren.

80-Prozent-Ziel richtig und machbar

Die gesetzlichen Änderungen helfen offensichtlich dabei, die ambitionierten Ausbauziele der früheren Ampel-Koalition zu erreichen. Denn wenn bis zum Jahr 2030 mindestens 80 % des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden sollen, ist sowohl bei Wind- als auch bei Solaranlagen eine massive Erhöhung der Strommengen nötig.

Doch während bei der Solarenergie (PV-Anlagen) die Ziele übertroffen werden, gab es bei der Windenergie lange Zeit keine guten Nachrichten. Durch die langen Vorlaufzeiten wirken sich Gesetzesänderungen erst mit größerer Verzögerung aus.

Trotzdem ist für Thomas Kusterer klar: "Die Zielsetzung ist richtig, und 80 % erneuerbare Energien bis 2030 sind machbar. Aber wir müssen uns über den sinnvollsten Weg dorthin unterhalten." Denn egal, "wie viel Erneuerbare wir zubauen, es wird trotzdem weiter Dunkelflauten geben". Dieses Problem sei nur durch neue und moderne Reservekraftwerke zu lösen.