Sonnenstürme werden immer häufiger: Gefahr für die Erde?
Autor: Lea Mitulla
Washington, Freitag, 01. Dezember 2023
Die Gefahr eines Blackouts wird seit Beginn des Ukraine-Krieges wieder viel diskutiert. Doch Wissenschaftler warnen aus einem ganz anderen Grund vor vermehrten Stromausfällen: Sonnenstürme.
"Blackout-Gefahr": Diesen Begriff hören wir seit dem vergangenen Jahr immer öfter. Doch nicht nur Krieg in Europa und die Energiekrise können Stromausfälle verursachen. Wissenschaftler warnen vor Sonnenstürmen.
Nach einer langen Phase ohne auffällige Aktivitäten "erwacht" die Sonne nun wieder zum Leben, berichtet der Meteorologe und Atmosphärenforscher Matthew Cappucci in der "Washington Post". In der ersten Januarwoche wurden bereits drei Sonneneruptionen der stärksten Kategorie gemeldet - ein Hinweis, dass Forschende die Aktivität auf der Sonne stark unterschätzt haben könnten. Auf der Erde würden wir die Folgen ebenso zu spüren bekommen, warnen die Fachleute - obwohl zumindest eine dieser Folgen ein Naturschauspiel ist, das wir sonst nur selten zu sehen bekommen. Welche konkreten Folgen haben Sonnenstürme also für uns?
Sonnenstürme brauen sich zusammen: Was heißt das für uns?
Sonneneruptionen sind große Ausbrüche aus den elektromagnetischen Feldern der Sonne. Diese besonders starken Magnetfelder sind in den dunklen Flecken auf der Oberfläche der Sonne zu sehen. Wird das Magnetfeld gestört, wird die überschüssige Energie in Form einer Explosion abgegeben. Gleichzeitig wird der Sonnenwind, ein sonst relativ konstanter Teilchenstrom, den die Sonne ausstrahlt, verstärkt. Die elektromagnetische Strahlung daraus kann auf der Erde wiederum zu Funklöchern führen, Stromleitungen und Satelliten beschädigen. Im Bereich der Pole können Flugzeuginsassen außerdem schädliche Strahlung abbekommen. All solche Folgen werden unter dem Begriff Sonnensturm zusammengefasst. Kleinere Ausbrüche kann das Magnetfeld der Erde jedoch in der Regel abfangen.
Teils kommt es bei einer Sonneneruption aber auch zu sogenannten koronalen Massenauswürfen (CME). Laut der Europäischen Weltraumbehörde ESA wird dabei Plasma "in einer Größenordnung von mehreren zehn Milliarden Tonnen Masse" in den Weltraum geschleudert. Diese Masse an Teilchen macht sich deutlich stärker bei uns bemerkbar. "Dieses Sonnenplasma besteht aus Elektronen, Protonen und den Kernen schwerer Elemente wie Helium, Sauerstoff oder Eisen – eine hochaufgeladene Teilchenmischung, die Mensch und Technik gefährden und die Infrastruktur im All und auf der Erde zerstören kann", erklärt ESA-Experte Stefan Kraft. Denn das Magnetfeld, der Schutzschild, der Erde kommt gegen diese Masse oft nicht an. Es wird "wie eine Seifenblase auseinandergezogen und kann sozusagen reißen", so Kraft. Dann treten die aufgeladenen Teilchen in das Erdmagnetfeld ein und verändern die dortigen Strömungen. Sonnenstürme werden daher auch magnetische Stürme genannt.
Wieso haben dann bisher noch nichts davon gemerkt? Tatsächlich stimmt das nicht ganz, denn die Massenauswürfe sind für ein beliebtes Naturphänomen verantwortlich: die Polarlichter. Die schimmernden Lichter sind für Physiker*innen daher immer ein Hinweis auf erhöhte Sonnenaktivität. Grundsätzlich ist das noch kein Grund für Alarm aus der Wissenschaft. In der aktuellen Phasen, dem "Sonnenzyklus 25", gehen wir jedoch langsam auf den Höhepunkt zu.
"Sonnen-Maximum" und Sonnenflecken: Gefahr für Sonnenstürme steigt
Zum "Sonnen-Maximum" treten die meisten Sonnenflecken auf - damit steigt auch die Zahl der Sonneneruptionen und Massenauswürfe. Der nächste Höhepunkt wird nach Schätzungen im Juli 2025 erreicht. Die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA und der Wetterdienst NOAA rechnen dabei mit 115 Sonnenflecken pro Monat. Scott McIntosh vom National Center for Atmospheric Research und NASA-Forscher Bob Leamon gehen jedoch von doppelt so vielen Flecken aus. Laut Cappucci passen ihre Vorhersagen zum aktuellen Trend.
Das bedeutet konkret: In den kommenden zwei Jahren wird die Wahrscheinlichkeit für Sonnenstürme steigen. Die drei Ausbrüche zu Beginn des Jahres waren sozusagen nur Vorboten. Sie stammen aus zwei größeren Ansammlungen von Sonnenflecken, die als besonders aktiv gelten, wenn es um Eruptionen geht. Auf der Erde waren sie aber kaum zu spüren.