Zu viel Macht bei Aldi, Lidl, Rewe & Co.? Die Monopolkommission glaubt, dass deutsche Supermarktketten viel höhere Preise verlangen als eigentlich notwendig.
Bei Konsumenten verursachen sie häufig Ärger - die ansteigenden Lebensmittelkosten. Gemäß einem neuen Sondergutachten der Monopolkommission profitieren Lebensmittelhändler und -hersteller davon überproportional stark, während Landwirte zunehmend weniger profitieren. Aktuell hat Lidl die Kartoffelpreise gesenkt - nach eigenen Angaben, um den Produzenten zu helfen. "Die Macht des Lebensmitteleinzelhandels und teilweise der Hersteller ist zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich gestiegen", sagte der Vorsitzende Tomaso Duso.
Grund dafür seien zahlreiche Fusionen, zudem betätigten sich Händler zunehmend auch auf Herstellerebene. Der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) wiesen die Kritik zurück. Aufgrund steigender Preise und der Bauernproteste hatte die damalige Bundesregierung die Kommission im vergangenen Jahr beauftragt, die Lebensmittellieferkette genauer zu untersuchen. Das Gremium ist unabhängig und berät die Politik zu Wettbewerbspolitik, Wettbewerbsrecht und Regulierung. Laut Statistischem Bundesamt kosteten Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke im Oktober in Deutschland 37 Prozent mehr als 2020.
"Steigende Preisaufschläge": Sind Aldi, Lidl, Rewe & Co. zu mächtig?
Die Gewinnspannen von Händlern und Herstellern stiegen seit über zehn Jahren, kritisiert Duso. Im gleichen Zeitraum hätten sich die Verbraucherpreise stärker erhöht als in vielen anderen EU-Ländern. Zudem gebe es Hinweise, dass Kostensenkungen nicht an Kunden weitergegeben wurden. Die Kluft zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen vergrößert sich dem Gutachten zufolge immer weiter. So seien etwa die Preise für Milcherzeugnisse im Supermarkt in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als die Erzeugerpreise. Rund 85 Prozent des deutschen Lebensmitteleinzelhandels werden von Edeka, Rewe, der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und Aldi kontrolliert.
"Die hohe Marktkonzentration und steigende Preisaufschläge auf Lebensmittel durch Hersteller und Einzelhandel sind besorgniserregend", sagte Duso. Der Wettbewerb sei geschwächt. Die Branchenverbände des Handels widersprachen den Äußerungen. Die Mitteilung der Kommission dramatisiere die Lage. "Der Wettbewerb im Lebensmittelhandel funktioniert", sagte Björn Fromm, BVLH-Präsident und HDE-Vize. Dass steigende Lebensmittelpreise zu höheren Gewinnen der Händler führten, sei "ein Trugschluss". Den Preisanstieg begründete er mit höheren Kosten für Energie, Personal und Wareneinkauf.
In einigen Fällen seien schlechte Ernten und weltpolitische Unsicherheiten die Ursache. Fromm sagte weiter: Im Wettbewerb könne es sich kein Handelsunternehmen leisten, "seine Margen auf Kosten der Kundinnen und Kunden zu erhöhen". Diese lägen im Lebensmittelhandel nur bei ein bis drei Prozent. Laut einer Auswertung des bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts sind die Preissteigerungen bei Lebensmitteln weniger von steigenden Margen im Handel als von höheren Produktions- und Einkaufskosten getrieben. Der starke Preisanstieg seit 2021 hänge auch mit Kriegen, gestörten Lieferketten, dem Klimawandel und der fortschreitenden Verschlechterung der Böden zusammen.
Große Supermarkt-Ketten: Monopolkommission fordert strengere Kontrolle bei Zusammenschlüssen
Das weltweite Angebot an Agrarrohstoffen werde knapper. Die Monopolkommission fordert im Gutachten auch eine strengere Kontrolle künftiger Zusammenschlüsse. "Der verbleibende Wettbewerb in den Lieferketten muss dringend geschützt werden", heißt es. Fusionen könnten die Verbraucherpreise demnach weiter in die Höhe treiben. Die 2016 erfolgte Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka hat aus Sicht der Experten negative Folgen gehabt. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte dem Deal zugestimmt. Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka verteidigte das Vorgehen.
"Nur durch die Übernahme der Standorte konnte ihre wirtschaftliche Zukunft gesichert werden. Wir haben diese Märkte wieder wettbewerbsfähig aufgestellt", sagte ein Sprecher der Edeka-Zentrale. Anlass zur Sorge sieht die Monopolkommission auch darin, dass die Händler zunehmend selbst Lebensmittel produzieren und direkt mit Landwirten verhandeln - das verschaffe ihnen zusätzliche Macht. Eigenmarken haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Wegen der allseits gestiegenen Preise griffen Verbraucher hier häufiger zu. Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) reagierte positiv auf das Gutachten.