Bauernproteste: Deshalb demonstrieren die Landwirte wirklich - gerechtfertigt?

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Mit Traktoren und einem Transparent mit der Aufschrift: "Die Ampelpolitik bricht uns das Genick" demonstrieren Landwirte auf dem Cannstatter Wasen gegen die Agrarpoltik der Bundesregierung.
Bauernproteste - Stuttgart
Bernd Weißbrod/dpa

Der Bauernprotest sorgt für blockierte Straßen und viel Empörung. Doch was sind eigentlich die Hintergründe der Landwirte und geht es den Bauern wirklich so schlecht?

Die Proteste der Landwirte richten sich im Kern gegen die geplanten Kürzungen beim Steuernachlass für Diesel. Insgesamt hat man jedoch das Gefühl, dass es noch viele weitere Streitpunkte gibt und einige Bauern grundsätzlich mit der Regierungsleistung Deutschlands unzufrieden sind. Was steckt also wirklich dahinter?

Diesel und Co: Darum geht es bei den Protesten

Am 8. Januar 2024 begann die Protestwelle der deutschen Landwirte. Im ganzen Land wurden Autobahnzufahrten und durch Traktorkolonnen sogar die Innenstädte lahmgelegt. Teilweise kam es laut Polizei zu massiven Verkehrsbehinderungen. Für eine Kundgebung versammelten sich hunderte Landwirte vor dem Brandenburger Tor. 

Protestiert wird im Kern gegen die Sparpolitik der Bundesregierung. Dazu sahen sich die Landwirte nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts genötigt. Dieser Plan sah vor, dass Steuervorteile für Diesel sowie die Befreiung der Kfz-Steuer für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge gestrichen werden sollte. Das hätte dem Bund rund eine Milliarde Euro mehr an Einnahmen generiert. Bis dato wurde Diesel pro Liter mit 47,04 Cent besteuert. Über die Agrardieselvergütung können sich Landwirte 21,48 Cent pro Liter erstatten lassen. Ohne die Regelung wird jeder Liter für den Landwirt also 21,48 Cent teurer. Zusätzlich hätten sie für jeden Traktor oder andere landwirtschaftliche Fahrzeuge Steuern zahlen müssen.

Im Zuge der Proteste wurden die Beschlüsse teilweise zurückgenommen. Aktuell ist geplant, dass der Steuernachlass bei Diesel schrittweise über drei Jahre gestreckt abgebaut werden soll. Ab 2027 gibt es dann den Steuernachlass für Diesel nicht mehr. Am 22. März diskutiert der Bundesrat erneut über diese Beschlüsse, dann könnte es auch wieder zu Bauernprotesten kommen. Das Bundesagrarministerium schätzt, dass ein durchschnittlicher Landwirtschaftsbetrieb dann mit 1000 Euro mehr an Ausgaben für Diesel rechnen muss. Bauernpräsident Joachim Rukwied kommentiert diese Entscheidung als ein "Sterben auf Raten".

Geht es denn Bauern wirklich so schlecht?

Insgesamt scheint es den Landwirten eigentlich gutzugehen. Das Branchenblatt Agrarheute diagnostiziert sogar "Rekordgewinne" für das Jahr 2022/2023. Ebenso spricht der Deutsche Bauernverband davon, dass die Betriebsgewinne auf einem Allzeithoch sind und sich die wirtschaftliche Situation der Betriebe in den letzten Jahren erheblich verbessert hat. 

Die Landwirte profitieren dabei vor allem von den Preissteigerungen für Nahrungsmittel. Haupterwerbsbetriebe konnten ein Unternehmensergebnis von 115.400 Euro pro Betrieb verzeichnen, was ein Plus von 45 % im Vergleich zum Vorjahr ist. 

Der Präsident des Bauernverbands ist beim Blick in die Zukunft trotzdem skeptisch und prognostiziert langfristig sinkende Erlöse. So wird beispielsweise der Milchpreis kritisiert, welcher von 60 Cent pro Liter wieder auf 40 Cent gefallen ist. Gleichzeitig steigen die Lohnkosten. Zudem nimmt die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland seit Jahrzehnten ab, was ebenfalls nicht für die Attraktivität spricht. Die Ursachen sind unklar, aber anscheinend setzen sich vor allem Großbetriebe durch. Gleichzeitig wird die Preisgestaltung des Einzelhandels kritisiert, die großen Supermarktketten diktieren die Preise für Obst oder Gemüse. Laut des Thünen-Instituts für Landwirtschaft kommt innerhalb der Wertschöpfungskette immer weniger Geld bei den Betrieben an. Mit Aldi, Edeka, Lidl und Rewe steuern vier Großkonzerne etwa 75 % des deutschlandweiten Lebensmittelmarktes. Die Landwirte fordern, dass die Regierung Einfluss auf die Handelskonzerne nimmt. 

Wer geht da eigentlich auf die Straße?

Es besteht die berichtige Sorge, dass sich immer wieder Extremisten unter die protestierenden Landwirte mischen. So haben bei vorangegangen Protesten rechte Parteien und Gruppen aus der Querdenker-Szene zu einer Teilnahme aufgefordert. Die AfD in Thüringen hat zu einem "Generalstreik" gegen "Wohlstandsvernichter" der Bundesregierung aufgerufen.

Darüber hinaus hat ein wütender Mob zuletzt den deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck beim Verlassen einer Fähre behindert. Der Bauernverband distanziert sich klar davon und Trittbrettfahrer sind kaum zu verhindern. 

Die Politik sieht derweil mit den Anpassungen eine überproportionale Belastung der Landwirtschaft abgewendet. Gleichzeitig sagt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), dass das Ministerium eigene Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht hat. Die Proteste bewertet er als "über das Ziel hinausgeschossen". Er stellt jedoch auch fest, dass den Bauern jahrzehntelang Dinge versprochen wurden seien, die von der Regierung am Ende nicht eingehalten wurden. 

Insgesamt eine angespannte Lage

Die Gesamtsituation muss von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachtet werden. Die Regierung befindet sich aktuell auf einem Sparkurs und schränkt daher Subventionen ein. Den landwirtschaftlichen Betrieben geht es aktuell wirtschaftlich gut, jedoch sehen sie sich den Einzelhandelsunternehmen ausgeliefert und langfristig werden die zusätzlichen Belastungen vor allem für kleine Betriebe schwierig zu stemmen sein.

Die Situation bleibt also angespannt und wir können von weiteren Protesten ausgehen.