In der Industrie kommt es zu Fachkräfteengpässen, diese Prognose wagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw). Tatenlos zusehen will der Arbeitgeberverband aber nicht.
- Droht ein Fachkräftemangel?
- Arbeitgeberverband: Wie soll geholfen werden?
- Prognose: Wie soll es weitergehen?
Die Firma Klubert+Schmidt, Zulieferer für Drossel- und Abgasklappen vor allem für LKW, in Pottenstein in der Fränkischen Schweiz, spürt es schon: den Fachkräftemangel in der bayerischen Industrie. Andreas Kubizek, seit 17 Jahren Firmenchef des 330 Mitarbeiter zählenden mittelständischen Unternehmens, sucht CNC-Dreher und Mitarbeiter in der Qualitätssicherung. Im Interview mit inFranken.de berichtet Bertram Brossardt davon, was er erwartet und wie der Verband den Betrieben bei dem Problem helfen will.
inFranken.de: Hat die Industrie in Bayern ein Fachkräfteproblem?
Bertram Brossardt: Aus unseren Mitgliedsunternehmen bekommen wir schon heute die Rückmeldung, dass fehlende Fachkräfte immer mehr als Risiko für eine positive zukünftige Entwicklung gesehen werden. Dieser Trend wird sich wohl noch verschärfen: Das Arbeitskräfteangebot in Bayern geht demografiebedingt bis 2035 um rund 700.000 Personen zurück: von derzeit 6,5 Millionen auf 5,8 Millionen Personen.
Warum ist das so, wie ist ihre Erzählung dazu?
Wir sehen immer deutlicher ein Fachkräfte-Paradoxon: Arbeitskräfteknappheit in Teilbereichen der Wirtschaft bei gleichzeitigem Arbeitskräfteüberschuss in anderen. Bis 2025 kommt es in einzelnen Branchen, zum Beispiel im Handel und Gastgewerbe, zu einem Anstieg der Nachfrage nach Fachkräften, was auf Corona-bedingte Nachholeffekte zurückzuführen ist. Langfristig wird es aber einen Rückgang sowohl von Angebot als auch von Nachfrage an Arbeitskräften geben. Dabei sinkt das Angebot an Arbeitskräften vor allem demografiebedingt mit einem durchschnittlichen Minus von 0,6 Prozent pro Jahr stärker als die Nachfrage (-0,2 Prozent im Durchschnitt pro Jahr). In der Konsequenz wird es in vielen Bereichen des Arbeitsmarkts zu Fachkräfteengpässen kommen.
Wird die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in der Industrie die Zahl der benötigten Fachkräfte schrumpfen lassen?
Nein. Aber die Digitalisierung verändert natürlich die Berufsbilder und Beschäftigungsmöglichkeiten. In manchen Branchen und Regionen werden Jobs wegfallen, weil die Nachfrage bedingt durch die Digitalisierung – und auch durch die Dekarbonisierung – stark einbricht, ein Beispiel hierfür sind Berufe im Bereich technische Forschungs-, Entwicklungs-, Konstruktions- und Produktionssteuerung. Dafür entstehen an anderer Stelle neue Berufe und Tätigkeitsfelder. Unter dem Strich werden künftig eher mehr Fachkräfte benötigt.
Welche Berufsqualifikationen sucht die Industrie besonders intensiv?
Bei Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufen erwarten wir bis 2035 einen Engpass im Freistaat von 15.000 Erwerbstätigen. Auch im Bereich Mechatronik sowie bei den Elektronikberufen fehlen bis 2035 rund 12.000 Mitarbeiter*innen. Außerdem werden 17.000 Fachkräfte im Bereich Metallerzeugung und Metallbau sowie 1.000 Mathematiker*innen und Physiker*innen bzw. Naturwissenschaftler*innen fehlen.
Was müssen Bewerber*innen mitbringen, um in der Industrie eingestellt zu werden?
Als erstes natürlich eine gute Ausbildung. Außerdem Interesse und Begeisterung an der Tätigkeit, der Branche und dem Unternehmen, sowie solide Kenntnisse in Mathematik und Deutsch. Hinzu kommen Soft Skills wie Teamfähigkeit und die Bereitschaft zum lebenslangem Lernen.