"Quiet Quitting" ist auf Tiktok zum Trend geworden. Die "stille Kündigung" ist vor allem bei jüngeren Leuten beliebt - das heißt aber nicht, dass sie ihre Jobs hinschmeißen. Wir erklären, was wirklich hinter dem Begriff steckt und wie sich Quiet Quitting auf den deutschen Arbeitsmarkt auswirkt.
- "Quiet Quitting": Das steckt hinter dem Tiktok-Trend
- Work-Life-Balance oder Dienst nach Vorschrift: mentale Gesundheit wird Arbeitnehmern wichtiger
- Opfermentalität? So reagieren Unternehmen auf das Phänomen
- Quiet Quitting in Deutschland: Folgen für den Arbeitsmarkt?
- Was junge Leute wirklich von ihren Arbeitgebern wollen
Ein 17-sekündiges Video mit dem Titel "on quiet quitting #workreform" des TikTokers "zaidleppelin" ist mit 3,5 Millionen Aufrufen viral gegangen. Darin erzählt er, dass er kürzlich auf den Begriff "quiet quitting" aufmerksam geworden sei. Wörtlich übersetzt heißt das so viel wie "stille Kündigung". Dabei gehe es aber nicht darum, tatsächlich zu kündigen, sondern vielmehr um die Idee, "über die Pflicht hinauszugehen" hinter sich zu lassen. Das heißt, man erledigt noch immer seine Aufgaben, verschreibt sich aber nicht der "hustle culture mentality". "Hustle Culture" ist sozusagen der Gegenpart zur "Work-Life-Balance" und meint eine "höher, schneller, weiter"-Mentalität und Fixierung auf die Karriere. Beim Quiet Quitting verabschiede man sich von der Idee, dass die Arbeit das Leben bestimmt, denn der eigene Wert sei nicht von der Produktivität im Beruf bestimmt.
"Quiet Quitting": Wieso wollen Jüngere nur noch Dienst nach Vorschrift machen?
Quiet Quitting meint also nichts anderes als "Dienst nach Vorschrift": keine Sonderaufgaben, ständige Erreichbarkeit und Überstunden am Abend oder den Wochenenden. "Die Leute gehen nicht über die Pflicht hinaus – sie bücken sich nicht mehr für ihre Arbeitgeber und opfern ihre geistige und körperliche Gesundheit", sagt Allison Peck, Karrierecoach, gegenüber dem amerikanischen Nachrichtenformat today. "Sie tun das, wofür sie bezahlt werden." Die Arbeitspsychologin Rosemarie Bender erklärt bei ntv: "Viele Menschen sind deswegen unmotiviert auf der Arbeit, weil sie auch oft die Unternehmen nicht verstehen. Ich erlebe das oft, dass die Menschen sagen: 'Ich weiß überhaupt nicht, wo mein Unternehmen sich hinentwickelt. Ich verstehe die Entscheidungen nicht mehr und kann sie auch im Alltag gar nicht mehr umsetzen.'"
Eine stille Kündigung scheint auch eine Frage der Generation zu sein. So wird vor allem der jungen Generation Z oft nachgesagt, sie sei faul und habe keine Lust zu arbeiten. Mit der Generation Z sind in etwa die Menschen gemeint, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden. Im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) äußert ein Gastro-Unternehmer: "Beim Bewerbungsgespräch ist die Drei-Tage-Woche Bedingung, und verdienen will man so viel wie derjenige, der schon einige Jahre Berufserfahrung hat." Eine Ärztin spricht gegenüber der NZZ von einer "Opfermentalität" und vermisst die Loyalität jüngerer Arbeitnehmer*innen. Inzwischen stelle sie nur noch ältere Wiedereinsteiger*innen ein. Diese seien es gewohnt, ihre Pflichten zu erfüllen.
Dabei ist jedoch fraglich, was unter "Pflichten" verstanden wird. Denn beim Quiet Quitting geht es lediglich darum, nicht mehr zu leisten als im Vertrag verlangt wird. Dies sollte nicht als Verweigerung von Arbeit verstanden werden, die Angestellten setzen damit nur Grenzen. "Wir kommen noch dichter ran, an das, was eigentlich gemeint ist, wenn man sich vorstellt: Das sind Berufsanfänger", sagt Jugendforscher Klaus Hurrelmann der Deutschen Presse-Agentur. In den Unternehmen stoßen sie demnach auf eine durch die ältere Generation geprägte Tradition von Arbeitsmoral, Arbeitsrhythmus und Arbeitsstil. "Und das finden die irgendwie nicht überzeugend und gut." Hurrelmann geht davon aus, dass das bei vielen jungen Leuten einen Nerv trifft - auch in Deutschland.
Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt: Darum ist Quiet Quitting so im Trend
Diese Einstellung unterscheidet sich gewaltig von der vieler Älterer. "Hier hieß es noch: Der Beruf geht voran, man muss durchhalten und die Familie notfalls zurückstecken", sagt der Forscher. Die Jungen hätten aber Angst, rund um die Uhr ausgebeutet zu werden. "Da machen sie lieber rechtzeitig die Schotten dicht, stecken also beim Beruf zurück und investieren in die eigene Lebensqualität."
Begünstigt wird der Trend in Deutschland von der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt. Es herrscht annähernd Vollbeschäftigung, viele Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften. Im zweiten Quartal 2022 gab es nach Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 1,9 Million offene Stellen - so viele wie noch nie. Zugleich verabschieden sich die "Baby-Boomer" allmählich aus der Arbeitswelt. Bis 2035 könnten einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft zufolge noch einmal mehr als drei Millionen Arbeitskräfte fehlen. Diese Lücke können die nachfolgenden Jahrgänge nicht schließen - ein Ungleichgewicht entsteht. "Das spüren die gut qualifizierten jungen Leute. Und sie merken: Der Markt hat sich gedreht, die Marktmacht steigt, die Arbeitsmarktmacht sozusagen. Die liegt jetzt bei ihnen", sagt Hurrelmann. Das sei für viele Unternehmen eine Zumutung.