Für Edchel Grace Cortez, Gesundheits- und Krankenpflegerin, ist die Anerkennung im Nachhinein betrachtet der Schlüssel für ihren beruflichen Erfolg in Deutschland. "Anerkennung bedeutet für mich, den Beruf auszuüben, der mir Freude macht. Und in dem ich all meine Erfahrung und Fähigkeiten zum Wohl der Patientinnen und Patienten einsetzen kann." Ihre Geschichte ist festgehalten auf dem IQ-Netzwerk Rheinland-Pfalz, bei dem sie ihren Vorbereitungskurs auf die Kenntnisprüfung für Gesundheits- und Krankenpfleger*innen absolvierte.
Die Geschichte des gelernten Elektronikers Shadi Hajjo aus Syrien
Anders die Geschichte des gelernten Elektronikers Shadi Hajjo. Er musste 2015 aus Syrien fliehen, berichtet er auf dem Informationsportal der Bundesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Zunächst lebte er in Deutschland in einer Flüchtlingsunterkunft. Er lernte neun Monate lang in einem Sprachkurs bis zum Sprachniveau B1. Schließlich zog er mit seiner Familie nach Rhauderfehn in Ostfriesland (Niedersachsen). Ein großes Glück für ihn: Dort lernte er Ernst Klausen kennen. Dieser unterstützt ehrenamtlich geflüchtete Menschen. "Ich habe ihm von meiner Situation erzählt und ihn gefragt, ob man meine Zeugnisse nicht mit deutschen vergleichen kann. Da wusste ich noch gar nicht, dass es so etwas wie die Anerkennung gibt", erzählt Hajjo.
Das IQ-Netzwerk Niedersachsen organisierte einen Termin bei der Handwerkskammer Aurich. Diese informierte über die benötigten Unterlagen. Hajjo hat in Syrien 25 Jahre lang mit Telefonanlagen, Sicherheitstechnik und Alarmanlagen gearbeitet. Diese Tätigkeit entspricht dem deutschen Elektroniker, Fachrichtung Informations- und Telekommunikationstechnik. Die durch die Flucht unvollständigen Unterlagen eigneten sich nicht, um seine Ausbildung nachzuweisen. Deshalb sollte Hajjo eine Qualifikationsanalyse beim Unternehmen für Sicherheitstechnik Sandersfeld in Leer machen. Um sich darauf vorzubereiten, fand ein Sondierungsgespräch statt. Dabei beantwortete er Fragen und zeigte sein fachliches Können.
Das Ergebnis des Tests: Für die volle Anerkennung seiner Qualifikation fehlten ihm noch 1,5 Jahre Ausbildung. In Syrien hatte die Ausbildung nur zwei Jahre gedauert, die deutsche Ausbildung dauert 3,5 Jahre. Hajjo entschied sich für die Qualifikationsanalyse. Aber vorher wollte er ein Jahr lang noch besser Deutsch lernen und seine beruflichen Kenntnisse erweitern. Das Unternehmen Sandersfeld stellte ihn ein. Durch ein erstes Sondierungsgespräch im Betrieb wusste sein Chef, was er konnte. Shadi Hajjo machte zuerst ein zweiwöchiges Praktikum, nahm an Weiterbildungen teil und arbeitete als Hilfskraft. "Mein Chef hat mich super auf die Qualifikationsanalyse vorbereitet und mir gesagt, wie alles abläuft. Und ich müsse mir keine Sorgen machen", berichtet er. Schließlich wies er seine Kompetenzen erfolgreich nach und erhielt die volle Anerkennung. Seitdem arbeitet er als Elektroniker für Informations- und Telekommunikationstechnik bei Sandersfeld in Leer.
Welche Nachweise brauchst du im Anerkennungsverfahren?
Für seine Tätigkeit als Elektroniker für Informations- und Telekommunikationstechnik hätte Shadi Hajjo nicht unbedingt eine Anerkennung seiner in Syrien erworbenen Berufsqualifikationen gebraucht. Aber die Berufsanerkennung brachte Sicherheit in sein Leben, wie er selbst sagt. Anders war das bei der Krankenschwester Edchel Grace Cortez. Sie musste das Berufsanerkennungsverfahren für einen reglementierten Beruf durchlaufen, um im Krankenhaus arbeiten zu können.
Um in Deutschland, jenseits von Flucht und Vertreibung, als Fachkraft arbeiten zu können, müssen die Zureisewilligen aus Drittstaaten bei der Antragstellung für das notwendige Visum nachweisen, dass ihre Berufsqualifikation als gleichwertig anerkannt ist; unabhängig davon, ob der Beruf reglementiert ist oder nicht. Eine Ausnahme bilden aktuell die IT-Fachkräfte. Der 2012 eingeführte Rechtsanspruch auf Anerkennung gilt allerdings nur für Menschen, die in ihrem Heimatland eine staatlich anerkannte Qualifikation erworben haben.
Für das Anerkennungsverfahren in Deutschland werden eine Reihe von Nachweisen nötig. Darunter Dokumente zur eigenen Identität, zur Berufsqualifikation – wie Urkunden und Zeugnisse – sowie Lebenslauf und Nachweise der Arbeitserfahrung. Im Normalfall müssten die Dokumente auf Deutsch abgefasst sein, aber einige Stellen akzeptieren Englisch. Die erlernten Ausbildungsinhalte vergleicht die zuständige Stelle, meistens die Handwerkskammer und die Industrie- und Handelskammer, dann mit dem einschlägigen deutschen Referenzberuf. Bei Unterschieden wird eine teilweise Gleichwertigkeit festgestellt. Um die volle Anerkennung zu erreichen, sind weitere Qualifizierungen oder Prüfungen notwendig.
Das Anerkennungsverfahren kann bis zu 600 Euro kosten
Ausnahmeregelungen gibt es für diejenigen, die aus nicht verschuldeten Gründen keine Unterlagen vorlegen können. Das hat Relevanz für Geflüchtete aus Kriegsgebieten. Es kann sein, dass jemand auf der Flucht seine Dokumente verloren hat oder es nicht möglich ist, Zeugnisse von einer Universität oder Fachschule nachzufordern.
Ein Anerkennungsverfahren kann bis zu 600 Euro kosten, manchmal auch mehr. Bist du in Deutschland arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet, kann die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter die Kosten für die Anerkennung übernehmen. Das Netzwerk IQ betreibt deutschlandweit Beratungsstellen für alle Fragen rund um die Anerkennung. Orientierung bietet auch das Portal Anerkennung in Deutschland des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB).
Hast du alle notwendigen Dokumente bei der zuständigen Stelle eingereicht, dauert die Bearbeitung bis zu drei Monate, so das BIBB. In bestimmten Fällen kann die zuständige Stelle das Anerkennungsverfahren bei Bedarf um einen Monat verlängern. Länger dauert es außerdem, wenn zum Beispiel eine Qualifikationsanalyse notwendig ist.
Anerkennung in Deutschland: Informationen sind wichtig
Zur Umsetzung des Anerkennungsgesetzes hat die Bundesregierung Unterstützungsangebote geschaffen. Das zentrale Informationsportal zum Gesetz heißt "Anerkennung in Deutschland“ und ist ein Wegweiser durch die schwierige Rechtsmaterie. Das Portal wird vom BIBB im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) seit April 2012 betrieben. In Deutschland gibt es keine bundesweit einheitliche Stelle für die Anerkennung. Die zuständige Stelle hängt von dem anzuerkennenden Beruf und dem beabsichtigten Arbeitsort ab.
Das Herzstück von "Anerkennung in Deutschland“ ist der Anerkennungs-Finder. Mit diesem Tool erhältst du wichtige Informationen zur Anerkennung von Berufsqualifikation und wirst bis zur zuständigen Stelle für den Antrag geleitet. Die Datenbank verzeichnet derzeit rund 1.500 verschiedene Kontaktadressen und etwa 1.200 Berufe. Du kannst nach dem Referenzberuf suchen und mithilfe des Berufsprofils überprüfen, ob der deutsche Beruf zu dem im Ausland erworbenen Qualifikation passt.
Der Anerkennungs-Finder fragt nach dem Herkunftsland und dem aktuellen Aufenthaltsort, um passgenaue Antworten zu geben. Er prüft zudem unverbindlich, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung grundsätzlich erfüllt sind. Nach Angabe des geplanten Arbeitsortes wirst du zu einer Beratungsstelle in der Nähe geleitet. Wer vertiefte Informationen wünscht, erhält nach einer letzten Frage die zuständige Stelle für den Antrag genannt sowie detaillierte Informationen zum Verfahren.
Das Fazit: Entbürokratisierung ist angesagt
Fachkräfte fehlen in Deutschland und so ist Zuwanderung aus der EU und anderen Drittländern notwendig, wenn Deutschland seine Standards halten will. In den vergangenen 10 Jahren hat sich im Bereich der Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen einiges getan. Vor allem Begleitmaßnahmen wie das Informationsportal des BIBB, Vor-Ort-Beratungsangebote im Ausland, das Netzwerk IQ und der mögliche Anerkennungszuschuss zu den Kosten des Verfahrens von bis zu 600 Euro oder das Projekt "ProRecognition" der Auslandskammern sind wichtige Meilensteine. Dennoch: Durch den Abbau von Bürokratie und den hohen Kosten könnte die Anerkennung deutlich einfacher und lohnenswerter sein.
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