Das passiert in deinem Körper, wenn du weinst

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Wissenschaftler*innen konnten Tränen psychischen Grundbedürfnissen zuordnen.
Wissenschaftler*innen konnten Tränen psychischen Grundbedürfnissen zuordnen.
Karolina Grabowska

Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, warum der Körper in manchen Situationen mit Tränen reagiert und ein Mensch weint? Forscher fanden jetzt die Ursache heraus.

  • Aus welchen Gründen der Mensch weint
  • Tränen in emotionalen Extremsituationen
  • Warum weinen wir bei traurigen oder lustigen Filmen?
  • Diese Erkenntnisse gewinnen die Forscher*innen aus der Studie

"Tränen lügen nicht" sang Michael Holm 1974 in seinem Erfolgsschlager. Aus Freude oder Angst: Menschen weinen, ob sie wollen oder nicht. Aber warum weinen wir in bestimmten Situationen? Das konnten Psycholog*innen der Universität Ulm zusammen mit Kolleg*innen der Universität Sussex in Großbritannien herausfinden. Dazu haben die Forscher*innen über 1.000 Aussagen erwachsener Proband*innen analysiert und in weiterer Folge emotionale Auslöser identifiziert. Die Autor*innen haben ihre Studie im Fachjournal "Motivation and Emotion" veröffentlicht.

Weinen: verschiedene Arten von Tränen

Die Forscher*innen unterscheiden zwischen verschiedenen Arten von Tränen beziehungsweise Auslösern. Zum einen weint der Mensch aus Emotion - bei Freude, Trauer, Angst oder Wut. Zum anderen tritt ständig Flüssigkeit aus, um die Augen feucht zu halten. Die dritte Art sind Reflextränen. Diese treten zum Beispiel bei Kälte, Wind oder beim Zwiebelschneiden auf - ein Schutz für die Augen.

In der Studie konnten die Wissenschaftler*innen nun die erste Art - die Emotionstränen - zuverlässig emotionalen Episoden zuordnen. In welcher Situation weinen wir und warum? Aus der Untersuchung gehen fünf auslösende Gegebenheiten hervor, die im Rahmen der Studie in den Kontext mit psychologischen Grundbedürfnissen gebracht werden konnten:

  • Einsamkeit
  • Machtlosigkeit
  • Überforderung
  • Harmonie
  • Medienkonsum

Psychologische Grundbedürfnisse: Tränen in emotionalen Extremsituationen

Die Autor*innen der Studie haben festgestellt, dass man aus Emotion immer dann weint, wenn ein psychologisches Grundbedürfnis entweder verletzt oder intensiv befriedigt wird. Die psychologische Forschung sieht "Nähe", "Autonomie" und "Kompetenz" als zentrale Grundbedürfnisse. Diesen Bedürfnissen des Menschen konnten die Wissenschaftler*innen emotionale Situationen zuordnen.

Die aktuelle Studie ordnet Tränen aus "Einsamkeit", also zum Beispiel aufgrund von Liebeskummer oder Heimweh, der Situation "Nähe" zu - in diesen Fällen der fehlenden Nähe. Man kann aber auch aufgrund der übermäßigen Befriedigung der "Nähe" weinen. Diesem Phänomen ordnen die Forscher*innen die Kategorie "Harmonie" zu. Laut der Autor*innen der Grund, warum auf Hochzeitsfeiern schon mal die Taschentücher herumgereicht werden. 

Wenn ein Mensch stirbt, ist das für Angehörige und Freund*innen immer schlimm. Die Wissenschaftler*innen betrachten die Situation aber nüchtern. Tränen bei einer Todesnachricht ordnen sie demnach der Kategorie "Machtlosigkeit" zu. Der Mensch hat keine Macht über Leben und Tod. Als weiteres Beispiel nennen die Autor*innen Tränen aufgrund von "Überforderung". In diesem Fall fließen sie, weil man frustriert ist über die eigene fehlende "Kompetenz".

Fremde Tränen: Emotionen durch Medienkonsum

Eine Besonderheit stellt in der Studie die Kategorie "Medienkonsum" dar. Darunter fiel jede vierte beobachtete Episode. Während man bei den anderen Kategorien direkt betroffen ist, weint man zum Beispiel beim Lesen eines Buches oder beim Anschauen eines Filmes "stellvertretend".

Man versetzt sich in die Situationen der Figuren. Abhängig vom Genre - Drama oder Komödie - können Tränen der Traurigkeit oder Freudentränen vergossen werden.

Wann Menschen grundlos weinen, liest du hier.

Ergebnis aus drei Studien

Um an die Ergebnisse zu gelangen, waren drei Studien notwendig. Zum einen wurden Personen aus der Allgemeinbevölkerung und Student*innen mit einem Altersdurchschnitt von 30,3 Jahren befragt. Die Proband*innen standen für zwei Online-Befragungen zur Verfügung. Sie wurden gebeten, die letzte Episode zu beschreiben, in der sie emotionale Tränen vergossen hatten. In der dritten Studie führten die Teilnehmer*innen 30 Tage lang Tagebuch per Smartphone. Einmal täglich wurden sie zu ihrem Befinden und zum Weinen befragt.

Dabei stellten die Wissenschaftler*innen fest, dass die Jüngeren häufiger aufgrund von "Überforderung" weinten als die Älteren. Die Forscher*innen beobachteten noch ein weiteres Phänomen: In der Tagebuchstudie tauchte weniger "Machtlosigkeit" auf als in den beiden retrospektiven Studien. Sie schließen daraus, dass eine Todesnachricht eher mit Weinen verknüpft wird als andere Kategorien. Die Proband*innen erinnerten sich demnach besser daran und berichteten deshalb häufiger.

Für die Forscher*innen bedeuten die Ergebnisse, eine wichtige Lücke in der Erforschung emotionaler Tränen geschlossen zu haben. "Bislang weiß man relativ wenig darüber, welche Rolle emotionale Tränen bei psychischen Erkrankungen spielen. Außerdem fehlen systematische Erkenntnisse darüber, wie Tränen soziale Interaktionen regulieren", zieht Prof. Johannes Keller, Sozialpsychologe an der Uni Ulm, ein Fazit. Die Studie zeige auch, welchen Einfluss Tränen zum Beispiel darauf haben, ob ein Mensch einen anderen unterstützt. Die Identifikation der fünf häufigsten Gründe des Weinens könne dabei helfen, diese Fragen in Zukunft zu beantworten.