Zwei Drittel der Studentinnen geben an, dass sie sich aufgrund der zunehmenden Digitalisierung im Alltag weniger bewegen. Bei den männlichen Studenten sind es mit 56 % etwas weniger. Langes Arbeiten am Bildschirm empfinden 67 % der Frauen als gesundheitlich belastend, bei den Männern ist es knapp die Hälfte (46 %). Insgesamt strengen 45 % der Studierenden digitale Lehrveranstaltungen mehr an als Präsenzveranstaltungen. Auch die Eigenmotivation leidet: So sagen vier von zehn der angehenden Akademiker*innen, dass die zunehmende Digitalisierung es ihnen schwerer macht, sich zum eigenständigen Arbeiten zu motivieren. Wer die digitale Lehre als schlecht einstuft, ist in der Regel stärker gesundheitlich belastet als diejenigen, die mit ihrem digitalen Lehrangebot zufrieden sind.
Prüfungen setzen jeden Zweiten unter Druck
Studierende unter Strom: 87 % der Studierenden sagen, dass sie häufig oder manchmal gestresst sind. Nur 13 % geben an, selten oder sogar nie gestresst zu sein. "Permanenter Stress und häufige Belastungen können auf Dauer zu Burnout führen", erklärt Professor Bertolt Meyer von der Technischen Universität Chemnitz, der die Befragung für die TK auswertete. In der Gesamtschau zeigt sich laut Meyer, dass sich 37 % der Studierenden stark emotional erschöpft fühlen, besonders Frauen sind mit 44 % betroffen.
Stressfaktor Nummer eins sind bei den Studierenden die Prüfungen: Sie setzen 51 % der Studierenden unter Druck. Frauen sind stärker betroffen als Männer. Weitere Stressfaktoren sind die Mehrfachbelastung durch Studium und Nebenjob, Angst vor schlechten Noten, zu schwieriger oder umfangreicher Lernstoff sowie finanzielle Sorgen. Fehlende Rückzugsmöglichkeiten an der Hochschule und die digitale Lehre stressen jeweils zehn Prozent.
Bei den Studienfächern gibt es deutliche Unterschiede, wie viele Studierende unter Erschöpfung leiden. Besonders die Sprach- und Kulturwissenschaftler leiden mit 56 % unter emotionaler Erschöpfung. Darauf folgen Studierende der Fakultäten Jura und Medizin.
Immer mehr Studierende nehmen Antidepressiva
Angesichts des hohen Stressfaktors verwundert es nicht, dass der Anteil der Studierenden, die Antidepressiva verordnet bekommen, von 2019 auf 2022 um 30 % gestiegen ist. Bei den ADHS-Medikamenten, das sind die, die bei Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen zu verschreiben sind, gab es sogar einen Anstieg von 82 %. Die Auswertungen der Arzneimittelverordnungen für Studierende, die bei der TK versichert sind, unterstreichen das Problem. Selbst wenn das insgesamt nur einen kleinen Anteil der Studierenden betrifft, sind das doch alarmierende Zahlen. TK-Chef Dr. Jens Baas kommentiert: "Wir müssen im Blick behalten, dass nicht auf jede Art von Stress oder Belastung Tabletten die richtige Antwort sind."
Eine deutliche Mehrheit der Studierenden nutz andere Entspannungsstrategien: Um Stress abzubauen, treffen sich Studierende mit Freunden oder Familie, gehen spazieren oder treiben Sport. Beliebt sind auch selbst kochen oder essen gehen, im Internet surfen oder Videospiele. Die Hälfte der Studierenden entspannt sich beim Fernsehen. Rund ein Viertel setzt auf Entspannungstechniken wie Yoga oder autogenes Training.
Ein Drittel der männlichen Studenten greifen zu Wein oder Bier, um Stress abzubauen. Bei den Studentinnen trinken 19 % Alkohol, um sich zu entspannen. 15 % der männlichen Studenten rauchen (Frauen: 9 %). Aber: Alkohol und Nikotin zum Stressabbau sind rückläufig. 2015 haben noch 39 % der Befragten gesagt, mithilfe von Alkohol herunterzukommen. Im Bericht von 2023 hat sich jetzt die Anzahl auf 25 % reduziert. Auch die Raucher sind zurückgegangen. Zehn Prozent der männlichen Hochschüler geben in der Befragung offen zu, dass sie zur Entspannung Cannabis (Frauen: 3 %) konsumieren.
Mehr tun für gesundheitsförderliche Hochschulen
Um die Leistungsfähigkeit der kommenden Generationen auch in Zukunft aufrechtzuerhalten, seien die Hochschulen aufgefordert, in die Gesundheit ihrer Student*innen zu investieren, empfiehlt TK-Chef Dr. Baas. "Wichtig ist, sich die Probleme genauer anzuschauen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln – beispielsweise mit einem gezielten studentischen Gesundheitsmanagement. Lösungen könnten etwa ein bewegungsfreundlicher Campus sein oder die bessere Organisation von Prüfungsphasen. Ein Stressreduktionskurs reicht da nicht."
Auch die Studierenden sehen Verbesserungsbedarf im Gesundheitsmanagement. 82 % der Student*innen sehen Potenziale bei der Ausstattung ihrer Hochschule mit ergonomischen Stühlen und Tischen, 70 % bei der gesundheitsförderlichen Ausgestaltung von Vorlesungen und Seminaren beispielsweise durch kurze Bewegungspausen und 48 % bei Kursen für die mentale Gesundheit wie beispielsweise Stressbewältigung.
Zur Erhebung: Für den Gesundheitsreport 2023 wertete die TK die Krankschreibungen von 5,6 Millionen bei der TK versicherten Erwerbspersonen aus. Zusätzlich hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa für die repräsentative Umfrage im Auftrag der TK im Januar 2023 telefonisch bundesweit insgesamt 1.000 Studierende ab 18 Jahren zu ihrer Gesundheit befragt.
Fazit
Der gesundheitliche Zustand der Studierenden hat sich allgemein gegenüber dem Vergleichszeitraum von 2015 deutlich verschlechtert. Vor allem die psychische Belastung der angehenden Führungskräfte hat im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie erheblich zugenommen. Stress, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Konzentrationsstörungen und Schlafprobleme sind die häufigsten Krankheitsbilder bei den Studierenden. Eins ist klar: Die Hochschulen müssen deutlich mehr für die Gesundheit der Studierenden machen.