Erstaunlich: Pygmalion-Effekt - so bekommst du, was du erwartest

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Unsere Erwartungen an andere können laut dem Pygmalion-Effekt eine Auswirkung auf deren Verhalten haben.
Unsere Erwartungen an andere können laut dem Pygmalion-Effekt eine Auswirkung auf deren Verhalten haben.
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Viele Studien in Schulen zeigten die Möglichkeiten des Pygmalion-Effektes auf.
Viele Studien in Schulen zeigten die Möglichkeiten des Pygmalion-Effektes auf.
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Der Name bezieht sich auf die Geschichte einer Figur aus der griechischen Mythologie.
Der Name bezieht sich auf die Geschichte einer Figur aus der griechischen Mythologie.
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Mit welchen Erwartungen du als Autoritätsperson an eine Situation herangehst, hat Einfluss auf dein Gegenüber.
Mit welchen Erwartungen du als Autoritätsperson an eine Situation herangehst, hat Einfluss auf dein Gegenüber.
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Der Pygmalion-Effekt ist ein Phänomen aus der Psychologie. Dabei geht es um den Einfluss, den die Erwartungshaltung des Einen auf das Verhalten eines anderen hat.

  • Erklärung des Pygmalion-Effekts
  • Studien hinter dem Phänomen
  • Der Mythos des "Pygmalion"
  • Erklärung auf neurologischer Ebene
  • Unterformen des Effektes

Es ist ganz natürlich, dass man anderen Personen gegenüber eine bestimmte Haltung einnimmt. Diese Haltung folgt aus gewissen Erwartungen, die man an das Gegenüber hat. Inwiefern nun deine eigene Erwartungshaltung eine Rolle für das Verhalten der anderen spielt, versucht der Pygmalion-Effekt zu erläutern.

Der Pygmalion- Effekt: eine Erkärung des Phänomens

Mithilfe eines einfachen Tricks erreichen können, was man möchte, klingt im ersten Moment viel zu schön, um wahr zu sein. Doch genau dabei geht es bei diesem psychologischen Effekt: Durch die eigene Erwartungshaltung soll das Verhalten anderer so beeinflusst werden, dass man erreichen kann, was man möchte. Mit der Erwartungshaltung wird in der Psychologie eine Annahme beziehungsweise Antizipation beschrieben, die sich auf ein zukünftiges Ereignis bezieht. Je nachdem, wie du deine eigene Haltung also anpasst und veränderst, sollst du im Folgeschluss also bewirken können, dass dein Gegenüber sein Verhalten dieser Erwartung entsprechend ebenfalls verändert. 

Dabei geht es grundlegend um eine Art "Prophezeiung": Je nachdem, mit welchen Erwartungen man auf sein Gegenüber zugeht, soll sich dies auch auf seine Haltung, sein Verhalten und seine Leistungen auswirken. Alternativ wird der Pygmalion-Effekt auch oft als Rosenthal-Effekt oder Versuchsleiter-Erwartungseffekt beschrieben. Zudem wird in der Psychologie oft auch von einem "Verzerrungseffekt" gesprochen, der immer dann auftritt, wenn beispielsweise bei einer Studie das Verhalten eines Versuchsleiters einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten der Testpersonen hat. Das Phänomen geht auf eine Untersuchung zweier Sozialpsychologen zurück, die in den späten Sechzigerjahren durchgeführt wurde.

Bei jeglichen weiteren Untersuchungen und Studien zu dem psychologischen Effekt ist die Ausgangssituation, dass eine Autoritätsperson, wie ein Lehrer oder ein Arbeitgeber, eine subjektive, voreingenommene Position gegenüber den Schülern oder den Arbeitern einnimmt; ist diese stark positiv, kann anschließend auch ein aufsteigender Erfolg der Schüler oder Arbeiter beobachtet werden. Sicherlich hast du den Pygmalion-Effekt selbst auch schon einmal im Alltag in der Schule oder in der Arbeitswelt bemerken können. Neben diesen Bereichen hat der Effekt aber auch Auswirkung auf typische Eltern-Kind-Gespräche, Arzt-Patienten-Gespräche oder ähnlichen Situationen. Er kann dabei nicht nur positiv-bestärkend wirken, sondern kann auch einen negativen Effekt haben: Gehst du mit einer stark negativen Erwartungshaltung auf dein Gegenüber zu, kann dies auch entsprechend eine demotivierende Wirkung auf ihn haben.

Studien hinter dem Effekt

Die Sozialpsychologen Robert Rosenthal und Leonore Jacobson führten im Jahr 1966 ein Experiment durch.Dabei wurde allem voraus ein  IQ-Test an einer Grundschule durchgeführt. Anschließend wählten sie einige Kinder per Zufall aus: Den Lehrern wurde mitgeteilt, dass sich diese in dem nächsten Jahr kognitiv herausragend entwickeln würden und großartige Fortschritte machen würden. Nach Ablauf des Jahres wurde ein weiterer Intelligenztest durchgeführt, der zeigte, dass die Schüler sich tatsächlich verstärkt intellektuell ausgebildet hatten. Folglich wurde die These gebildet, dass sich die Erwartungshaltung der Lehrer gegenüber den Schülern erheblich auf deren Leistung auswirken kann: Der Pygmalion-Effekt wurde erstmals konkret formuliert.

Nach dem Ursprungsexperiment gab es zahlreiche weitere Studien, die denselben Effekt beobachteten. Eine beispielhafte Studie stammt von Lee Jussim und Kent Harber. Bei den Folgestudien wurden vor allem Grundschulklassen untersucht, da festgestellt wurde, dass der Pygmalion-Effekt besonders bei jüngeren Kindern verstärkt beobachtet werden kann. Ähnlich wie bei der Studie aus den Sechzigerjahren wurde bei den nachfolgenden Studien bemerkt, dass Lehrer nicht nur bewusst, sondern häufig auch unterbewusst diejenigen Schüler, von denen sie eine hohe intellektuelle Entwicklung erwarten, stärker unterstützen. Dies meint beispielsweise das Anlächeln dieser Schüler, das Loben oder einen häufigeren Augenkontakt. Die daraus resultierende höhere Leistung dieser Schüler im Vergleich mit den anderen Schülern zeigt wieder die Wirkung des Pygmalion-Effektes: Die Erwartungshaltung der Lehrer kann die tatsächliche Leistung der Schüler aktiv beeinflussen.

Eine Studie nach Dr. Joachim Freimuth und Prof. Dr. Jürgen Haritz zeigte auch, wie sich der Effekt in der Arbeitswelt entfalten kann. Dabei geht es um verschiedene Ebenen und Bereiche: Einerseits kann der Effekt die tägliche Führung beeinflussen, indem Führungskräfte ihre Erwartungen entweder klar und umsetzbar oder unrealistisch formulieren. Andererseits kann es auch schon bei der Auswahl des Personals eine Rolle spielen, wenn die Kompetenzen eines Kandidaten durch seine Präsenz in den sozialen Medien oder einer vergleichbaren online-Recherche als negativ oder positiv beurteilt werden. Zuletzt kann die positive oder negative Haltung eines Arbeitgebers gegenüber einem Mitarbeiter bei einem schon bestehenden Arbeitsverhältnis dazu führen, dass dieser schneller oder langsamer Fortschritte macht.

Der Mythos hinter dem Namen

Den Namen "Pygmalion" verdankt der Effekt einer gleichnamigen Figur aus der altgriechischen Mythologie. Am ausführlichsten beschrieben wird die Figur in den Metamorphosen Ovids.

Pygmalion ist ein Künstler aus Zypern, der schlechte Erfahrungen mit Frauen macht und daraus folgend dem weiblichen Geschlecht gegenüber feindlich eingestellt ist. Seine Leidenschaft ist die Bildhauerei, welcher er sich nach der letzten enttäuschenden Erfahrung in der Liebe vollends widmet. Aus Elfenbein schafft er daraufhin eine Frauenstatue ganz nach seinen Vorstellungen, die ein sehr lebendiges Aussehen hat. Er erfüllt sich damit seinen unterbewussten Wunsch nach der Gesellschaft einer Frau. Das lebensechte Aussehen der Statue folgt dazu, dass seine eigenen Sinne getäuscht werden: Er verliert mit der Zeit das Wissen über die Unlebendigkeit der Statue und bildet sich ein, sie spreche zu ihm. Er verliebt sich innigst in seine Statue und  fleht Aphrodite, die Göttin der Liebe, an, seinen Wunsch zu erfüllen und die Frauenstatue wirklich lebendig werden zu lassen. Aphrodite erfüllt seinen Wunsch, und mit dieser Frau führt er eine liebevolle Ehe.

Der Mythos und der psychologische Effekt haben also tatsächlich einige Überschneidungen: Der Bildhauer bekommt genau das, was er sich vorstellt und haben möchte. Sein Traumbild einer Frau wird ihm zuteil, sodass sein Wunsch erfüllt wird - ähnlich, wie es bei dem Pygmalion-Effekt zu beobachten ist.

Entstehen des Effektes: Die neurologische Ebene

Das Interessante an dem Effekt ist, dass es sich um ein meist unterbewusstes Phänomen handelt: Auch, wenn man der Auffassung ist, man handle neutral, ist dies meist eine Illusion. Vollständig subjektiv und vorurteilsfrei zu handeln ist uns selbst gar nicht möglich.

Grund für diese Tatsache sind biologische Prozesse: Alles, was wir im Alltag erfahren und wahrnehmen, wird von unserem Gehirn abgespeichert. Dabei werden verschiedene Muster entworfen, die uns helfen, bei Bedarf auf diese Informationen zurückzugreifen. Der Psychologe Kahnemann beschrieb in seinem Werk "schnelles Denken, langsames Denken"* zwei Systeme, die für unser Denken eine relevante Rolle spielen. Einerseits spielt das limbische System eine Rolle, in dem Entscheidungen reflexartig, instinktiv getroffen werden. Im Gegensatz dazu steht der Neocortex, welcher für alle reflektierteren und komplexeren Entscheidungen benutzt werden.

Hat man dieses Bild vom menschlichen Gehirn im Kopf, fällt es vielleicht leichter, das Entstehen des Pygmalion-Effektes zu verstehen.

Formen und Folgen des Pygmalion-Effektes

Auch, wenn der Pygmalion-Effekt einerseits sehr nützlich wirken kann, muss er auch kritisch betrachtet werden. Es wird vor allem von Stereotypen ausgegangen: Vielschichtige Reaktionen auf die Erwartungshaltung werden nicht erfasst, sondern meist nur die vereinfachte positive oder negative Reaktion. Auch die Erwartungshaltung selbst wird nur als kritisch oder unterstützend formuliert.

Je nach Art der Erwartungshaltung wird der Effekt anders betitelt. Ist die Erwartungshaltung positiv, nennt man dies auch den Galatea-Effekt; bei negativer Annahme spricht man vom Golem-Effekt. Beispielhaft kann man hier wieder das Verhalten von Schülern nennen: Hat ein Lehrer beispielsweise aufgrund von sozialem Hintergrund oder dem Namen des Kindes Vorurteile, ermutigt es dieses größtenteils auch nicht. Der Golem-Effekt beschreibt auf dieses Beispiel angewendet, dass die Leistungsbereitschaft sowie die Leistungsfähigkeit und das Selbstbild des Kindes negativ beeinflusst wird. So erreicht es möglicherweise nie sein volles Potenzial. Wird das Kind gegenteilig stark ermutigt und unterstützt, kann das Selbstwertgefühl und die Motivation gesteigert werden. 

Dass Autoritätspersonen durch ihre Erwartungshaltung deine Leistung beeinflussen können oder auch umgekehrt du als Autoritätsperson das Verhalten anderer erheblich beeinflussen kannst, wird durch die erwähnten Studien gezeigt. Wichtig ist also als beeinflusste Person, sich möglichst eigene Ziele zu setzten, sich selbst zu motivieren und diszipliniert zu arbeiten. Der eigene Erfolg sollte von konkreten und realistischen Zielsetzungen abhängen und nicht von dem, was andere von dir erwarten. Um dich selbst von den Einflüssen des Pygmalion-Effektes loszulösen, ist es wichtig, dass du an dich selbst glaubst.

Bist du in der Position der Autoritätsperson, ist es wichtig, differenzierte Rückmeldungen zu geben und ein angemessenes, erfolgreiches Umfeld zu gestalten. Bist du dir bewusst darüber, wie deine Haltung sich auf andere auswirken kann, kannst du dies im Umkehrschluss also auch positiv nutzen.

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