Nutri-Epigenetik: Wie Ernährung unsere Gene beeinflusst

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Die menschlichen Erbanlagen liegen als DNA im Zellkern vor.
Die menschlichen Erbanlagen liegen als DNA im Zellkern vor.
CC0 / Pixabay / Furiosa-L

Unsere Ernährung beeinflusst unsere Gene. Wie du dich heute ernährst, wirkt sich langfristig auf deine Genetik und die deiner potenziellen Nachkommen aus.

Dass sich unsere Ernährung in hohem Maße auf unsere Gesundheit auswirken kann, ist vielen bereits bekannt. Eine abwechslungsreiche und vollwertige Kost, wie sie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen wird, gilt als präventiv und gesundheitsförderlich, vor allem in Bezug auf die Zivilisationskrankheiten der Moderne. Unsere Ernährung nimmt laut der Nutri-Epigenetik einen Einfluss auf unsere Erbanlagen und kann somit die Gesundheit mehrerer Generationen beeinflussen. 

Nutri-Epigenetik: Wie Nährstoffe unsere Gene umprogrammieren

Jede Zelle des menschlichen Körpers enthält einen Zellkern, in dem das individuelle Erbgut vorliegt. Die Chromosomen, die Träger der Erbanlagen, sind aus Chromatin. Wenn sich diese Chromatine dauerhaft verändern, wird von Epigenetik gesprochen. Durch diese Veränderungen kann ein Genom eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten hervorbringen. Der Erhalt und die Bildung der Epigenome ist jedoch wesentlich für Reproduktion sowie für Zell-Typ-Identität und Zelldifferenzierung. Neben der DNA Mutation, bei der das Erbgut aufgrund einer fehlerhaften Sequenzierung dauerhaft verändert wird, kann eine epigenetische Fehlregulation eine entscheiden Rolle im Verlauf von Krankheiten wie Krebs, Stoffwechselkrankheiten und neurodegenerativen Erkrankungen haben. 

Die Nutri-Epigenetik ist ein Teilgebiet der Epigenetik und beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Nährstoffen und Ernährungsmustern und die daraus möglicherweise resultierenden epigenetischen Modifikationen. Dabei setzt die Forschung bereits in der embryonalen Entwicklung in der Gebärmutter an. Die Ernährung der gebärenden Person und damit des Fötus hat bereits entwicklungsspezifische Folgen. Epigenetische Veränderungen sind nicht starr, sie sind veränderbar, anders als DNA Mutationen. Während des gesamten Lebens können demnach laut der Nutri-Epigenetik Mikro- und Makronähstoffe zu epigenetischen Modifikationen führen und somit physiologische und pathophysiologische Prozesse beeinflussen. 

Die bisherigen Forschungsergebnisse der Nutri-Epigenetik zeigen, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährungsweise maßgeblich zum Erhalt der Gesundheit beiträgt und Krankheiten vorbeugt. Die Wechselwirkungen von Nährstoffen und deren Einflüsse auf das Genom sind sehr komplex und das Forschungspotential ist hoch. Sicher ist jedoch mitunter, dass epigenetische Modifikationen auch in Keimzellen auftreten können und somit weitervererbt werden. Der Lebens- und Ernährungsstil der Elterngeneration hat somit Konsequenzen für ihre Nachkommen. Die Art, wie wir uns ernähren, kann laut der Nutri-Epigenetik über die Gesundheit unserer Kinder und Enkelkinder entscheiden. 

Ernährung in der Schwangerschaft

Ein Zusammenhang von Übergewicht und epigenetischen Veränderungen ist bereits gut erforscht. So besteht ein direkter Zusammenhang von Übergewichtigkeit und Gestationsdiabetes der gebärenden Person und dem Risiko für Geburtskomplikationen sowie eine mögliche metabolische Störung des Kindes. Ist ein Kind bei der Geburt übergewichtig, besteht ein doppelt so hohes Risiko, im Laufe des Lebens übergewichtig zu werden. Diese Neigung zur Übergewichtigkeit ist Resultat einer epigenetischen Fehlprogrammierung.

Die bestehenden Forschungsergebnisse lassen sich laut dem Deutschen Ärzteblatt auf drei wichtige Punkte herunterbrechen. 

  1. Schwangere sollten eine Überernährung vermeiden.
  2. Während der Schwangerschaft sollte ein Glucosetoleranz-Screening genutzt werden, um einen eventuellen Schwangerschaftsdiabetes schnell zu erkennen. 
  3. Stillen ist die beste Präventionsmaßnahme, so kann das Risiko für Übergewicht bei Kindern dauerhaft um ein Drittel gesenkt werden. 

Die Bedeutung von Folsäure

Die Interaktion von Nährstoffen und der DNA findet ihren Ursprung in einem zentralen Prozess im menschlichen Körper, dem C1-Stoffwechsel. Zwei Verbindungen innerhalb des Stoffwechsels wurden bisher von der Forschung eine zentrale Rolle zugeschrieben: S-Adenosylmethionin (SAM) und S-Adenosylhomocystein (SAH). Alle Lebensmittel, die auf diese beiden Verbindungen einwirken, enthalten methylgruppenhaltige Substanzen und können maßgeblich auf die Epigenetik einwirken. 

Es konnte bisher ermittelt werden, dass Folsäure bzw. folatreiche Lebensmittel beispielsweise eine präventive Eigenschaft gegenüber Darmkrebs haben. Folatverbindungen sind natürliche Verbindungen, die in Lebensmitteln vorkommen. Folathaltige Lebensmittel sind zum Beispiel Spargel, Kohl, Spinat, Vollkornprodukte, Weizenkleie, Erd- und Walnüsse, Eigelb und Leber. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DEG) empfiehlt 300 µg pro Tag für Erwachsenen. 100 Gramm Kichererbsen enthalten beispielsweise 340 µg Folat und 100 Gramm Brokkoli 114 µg Folat. Folat ist ein wasserlösliches Vitamin, das für die DNA-Synthese benötigt wird. Neben den natürlichen Folatverbindungen gibt es auch synthetisch hergestellte Verbindungen – diese nennt man Folsäure. Eine zu hohe Konzentration von Folsäure kann die Bildung von Tumoren begünstigen. Eine Überdosierung kann durch eine erhöhte Aufnahme von mit Folsäure angereicherten Lebensmitteln oder Vitaminpräparaten erfolgen und ist schädlich. Dahingegen ist laut DGE nach aktuellem Kenntnisstand eine Überdosierung durch Folat aus natürlichen Lebensmitteln nicht möglich.

Zusätzlich haben Nährstoffe wie Vitamin B12, Betain, Methionin und Cholin vermutlich einen Einfluss auf den C1-Stoffwechsel, da sie reich an Methylgruppen sind. Dazu gehören tierische Produkte sowie Getreideerzeugnisse, Kartoffeln, Linsen, Bohnen, Erbsen, Nüsse, Sojamehl, Bierhefe, Rübenpflanzen, Weizenkleie und Weizenkeime. Die meisten Studien der Nutri-Epigenetik stammen bisher aus In-vitro oder Tierstudien und lassen sich somit nur bedingt auf den Menschen übertragen

Fazit: Forschung mit Potenzial

Die Nutri-Epigenetik erforscht den Zusammenhang zwischen Nährstoffen und Ernährungsweisen und deren Auswirkungen auf epigenetische Veränderungen des menschlichen Erbguts. Es gibt Hinweise darauf, dass der Ernährungs- und Lebensstil nicht nur große Bedeutung für die eigene Gesundheit, sondern auch für die der nachkommenden Generationen hat. Um die Mechanismen, die Bedeutung und den Einfluss der Ernährung noch besser zu verstehen, sind weitere Forschungen auf diesem Gebiet notwendig.