Im Job berät er Spitzensportler. Uns erklärt Ernährungsexperte Harald Swatosch exklusiv, weshalb viele Bürger falsche Vorstellungen vom Abnehmen haben.
Der Ernährungsfachmann Harald Swatosch ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Der Experte erläutert, weshalb jeder seinen eigenen Weg zur besseren Ernährung finden muss.
Herr Swatosch, was ist entscheidend, wenn ich abnehmen will?
Harald Swatosch: Entscheidend ist die Frage an mich selbst: Warum will ich abnehmen? Warum bin ich unzufrieden mit mir? Ist es mein Selbstbild, fehlende Leistungsfähigkeit, meine Figur, Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Allergien, Unverträglichkeiten oder der gesellschaftliche Druck? Wenn der Grund mächtig genug ist, dann ist es das Ziel, eine Ernährungsform zu finden, die wieder Spaß macht und der Funktion der Ernährung, also der richtigen Energiezufuhr, wieder gerecht wird.
Viele wissen vermutlich gar nicht, was es an Aufwand bedeutet, dauerhaft das sogenannte Idealgewicht zu erreichen? Das stimmt. Wenn du eine Veränderung haben willst, musst du dir bewusst machen, was der Preis dafür ist. Oft ist das Problem, dass die Leute abnehmen wollen und bei einer Analyse kommt heraus: Du solltest dieses und dieses und dieses in den Griff bekommen. Die Antwort ist dann oft: Ich kann doch am Samstag nicht auf meinen Kuchen verzichten. Oder ich kann doch nicht meine zwei Gläser Wein am Abend weglassen. Schauen wir uns unsere Handlungen genauer an, bemerken wir, dass 80 Prozent auf Autopilot laufen. Unser Gehirn liebt Routine, denn sie erfordert deutlich weniger Anstrengung. Wollen wir unser über Jahre gewohntes Verhalten plötzlich radikal ändern, fällt uns das schwer. Wichtig ist, dass wir Schritt für Schritt zielorientiert in Richtung der Veränderung gehen.
Mit einer Diät verbinden aber die wenigsten positive Gedanken?
Für die meisten ist Diät eine kurzfristige Intervention mit einer radikalen Reduktion von vielem, was uns glücklich macht. Und danach wollen wir ein Ergebnis haben, das im Idealfall ein Leben lang hält. Aber: Die Intervention ist nach ein paar Wochen vorbei und wir ernähren uns wieder wie vor der Diät. Schon allein der Begriff Diät wird dabei von uns falsch verstanden. Diät kommt aus dem altgriechischen Diaita und bedeutet Lebensweise oder die Kunst der Lebensführung.
Das Problem ist doch aber, dass Dinge wie Zucker und Fett unserem Körper ja gut gefallen. Und auf einmal sollen wir sie weglassen?
Das Perfide ist, dass diese Lebensmittel in unserem Körper erst nach vielen Jahren eine Stoffwechselerkrankung auslösen können. Nur werden wir in diesen Jahren bei genauem Hinsehen feststellen, dass gewisse Nebenwirkungen und Unbehaglichkeiten schleichend zunehmen. Auf das Gewicht reduziert gibt es Statistiken, welche uns im Durchschnitt eine Gewichtszunahme von einem Kilo pro Jahr attestieren. Klingt erst mal nicht nach besonders viel, summiert sich aber.
Weiß denn die Ernährungswissenschaft, was gut und was schlecht ist für den menschlichen Körper? Ich würde es so sagen: Wir wissen noch längst nicht alles, und Wissenschaft ist immer im Fluss. Sie entwickelt sich ständig und muss durch neue Erkenntnisse manches neu bewerten. Der Mensch ist hochkomplex und nicht wie ein Computer zu verstehen. Studien, Studiendesigns und Transfers auf die Allgemeinheit schränken uns im Ernährungsbereich oft ein. Wir sind mitten in einer Entwicklung und noch lange nicht am Ende. Menschen fühlen sich mit verschiedenen Lebensmitteln einfach unterschiedlich.