Laut WHO und UNICEF werden Kinder immer seltener gegen ansteckende Krankheiten geimpft. Die Tendenz ist demnach ein weltweites Phänomen, das sich auch in Deutschland bemerkbar macht.
Neue Erhebungen der Weltgesundheitsorganisation WHO und dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF zeigen einen starken Rückgang von Routine-Impfungen bei Kindern im Jahr 2021. Weltweit hätten im vergangenen Jahr rund 25.000.000 Kinder eine lebensrettende Schutzimpfung nicht erhalten. Das ist der höchste Stand seit 30 Jahren, wie die beiden Organisationen warnend betonen.
"Dies ist ein Alarmsignal für die Gesundheit von Kindern. Wir erleben den stärksten anhaltenden Rückgang von Routine-Impfungen bei Kindern in einer ganzen Generation. Die Folgen werden in Leben gemessen werden", sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell laut einer Mitteilung der Organisation. "Ein Rückgang war angesichts der pandemiebedingten Unterbrechungen und Einschränkungen zu erwarten, aber jetzt zeigt sich, dass dieser Rückgang anhält. Die Covid-19-Pandemie darf keine Ausrede sein. Wir müssen die verpassten Impfungen für Millionen Kinder nachholen, oder wir werden unweigerlich mehr Krankheitsausbrüche, mehr kranke Kinder und einen größeren Druck auf die bereits überlasteten Gesundheitssysteme erleben."
Konflikte, Fehlinformationen und Unterbrechungen provozieren riskante Fehlentwicklung
Der Rückgang der weltweiten Impfquote hängt nicht nur mit Unterbrechungen und Behinderungen durch die Pandemie zusammen: Immer mehr Kinder leben mittlerweile in Konflikt- und Krisengebieten, in denen ein Zugang zu wichtigen Impfungen schwierig bis unmöglich ist. Ein weiterer Faktor sind grassierende Fehlinformationen über Impfungen. Die Hoffnung, dass sich 2021 die überlasteten Impfprogramme nach dem Krisenjahr 2020 erholen würden, blieb aus - damit ist nach UNICEF auch das globale Impfziel gefährdet.
Die Tendenz hin zu immer weniger Kindern mit Schutzimpfungen ist aber kein Phänomen in Entwicklungsländern, sondern zieht sich auch durch Europa. Werden die Corona-Impfungen ausgeklammert, sind in Deutschland seid 2021 alle anderen Impfungen rückläufig. So spricht der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) von einer Rückläufigkeit von 7 Prozent. Als Ursachen nennt er die gleichen Gründe, wie WHO und UNICEF.
Besonders betroffen in Deutschland sind die Impfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (MMRV) sowie Humane Papillomviren (HPV). Für den MMRV-Impfstoff stellte das Marktforschungsinstitut IQVIA einen Rückgang von 18 Prozent fest. Bei Mehrfachimpfstoffen mit Tetanus-Komponente wurden 9 Prozent weniger verimpft.
HPV-Impfung schützt gegen Krebserkrankungen - Die Impfquoten sind aber niedrig
Die im Jahr 2007 eingeführte HPV-Impfung verzeichnete mit 12 Prozent ebenfalls einen deutlichen Rückgang. Eine bedenkliche Entwicklung unter Männern und Frauen, wie es der BVKJ betont. Die Impfung soll gegen die sexuell übertragbaren Humane Papillomviren (HPV) helfen, mit denen sich rund 80 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens anstecken. Je nach HPV-Typ können die Betroffenen an Genitalwarzen, an Gebärmutterhals-, Vagina-, Vulva-, Penis-, Anus- und Mundhöhlenkrebs erkranken. Eine HPV-Impfung kann bereits junge Mädchen und Männer effektiv gegen die Entwicklung dieser Krebserkrankungen schützen.
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