Jeder zehnte Deutsche leidet an der "edelsten" Sucht

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Nicht jede Suchterkrankung ist in unserer Gesellschaft verpönt. Eine Sucht, unter der jeder zehnte Deutsche leidet, gilt sogar als "edel".

Egal ob bei Alkohol, Cannabis, Süßigkeiten oder andere Stoffe: Menschen, die nach etwa süchtig sind, werden im besten Fall bemitleidet, im schlechtesten Fall ausgegrenzt. Doch bei einer Sucht ist dies anders. Sie wird zunächst sogar positiv wahrgenommen, gilt als edel und ein Zeichen eines positiven Charakters: die Arbeitssucht. Ab wann Ehrgeiz und Pflichtgefühl aber in krankhaftes Verhalten umschlägt, ist nur schwer herauszufinden. Forschende haben es in einer aktuellen Studie dennoch versucht.

Demnach ist in Deutschland jeder zehnte Erwerbstätige arbeitssüchtig. Die Betroffenen arbeiteten nicht nur sehr lange und schnell, sie könnten auch nur mit schlechtem Gewissen freinehmen und fühlten sich oft unfähig, im Feierabend zu entspannen, heißt es in der Studie von Forscherinnen und Forschern des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Technischen Universität Braunschweig. In der Folge litten sie deutlich häufiger als andere Arbeitnehmer unter gesundheitlichen Problemen. Hier findest du Symptome, auf die du achten solltest, und typische Probleme, die bei Arbeitssüchtigen auftreten. 

Arbeitssucht könnte zunehmen

Laut der von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie arbeiten in Deutschland 9,8 Prozent der Erwerbstätigen suchthaft, weitere 33 Prozent exzessiv, aber nicht zwanghaft. Die Mehrheit - rund 55 Prozent - der Erwerbstätigen verrichte ihrer Arbeit dagegen "gelassen".

Das Phänomen der Arbeitssucht könnte, so die Vermutung der Forscher*innen, aktuell weiter zunehmen. Denn durch Digitalisierung und zunehmend flexible Home-Office Regelungen würde die Trennung zwischen Privatleben und Arbeit zunehmend verwaschen und aufgelöst. Dies könnte die Herausbildung von Arbeitssucht weiter begünstigen, so die Sorge.

Arbeitssucht kann zumindest zeitweise positiv wahrgenommen werden - als Engagement und Ehrgeiz beispielsweise. Die Folgen für die Gesundheit können jedoch dramatisch sein. Einerseits sprechen die Forschenden dabei von gesundheitlichen Folgen, die vor allem psychosomatischer und psychologischer Natur sein können. Andererseits aber auch von sozialen Folgen, wie dem Verlust von Beziehungen im privaten und auch an der Arbeit selbst. 

Arbeitssucht: 10 Fragen, an denen du sie erkennst

Eine feste Definition von Arbeitssucht und eindeutige Symptome gibt es jedoch bisher nicht. Allerdings weisen die Forschenden auf 10 Fragen hin, die einen Hinweis darauf geben können, ob man selbst süchtig nach Arbeit ist. Je mehr der folgenden 10 Fragen du mit "Ja" beantworten würdest, desto gefährlicher und ungesunder ist dein Verhältnis zur Arbeit.

  • Es kommt vor, dass ich in Eile bin und mich in einem Wettlauf mit der Zeit befinde.
  • Es kommt vor, dass ich weiterarbeite, nachdem meine Kollegen Feierabend gemacht haben.
  • Ich bin stets beschäftigt und habe mehrere Eisen im Feuer.
  • Ich verbringe mehr Zeit mit der Arbeit als mit Freunden, Hobbys oder Freizeitaktivitäten.
  • Es kommt vor, dass ich zwei oder drei Dinge gleichzeitig tue, wie essen, eine Notiz schreiben, telefonieren.
  • Es ist wichtig für mich, hart zu arbeiten, auch wenn mir das, was ich tue, keinen Spaß macht.
  • Ich spüre, dass mich etwas in mir dazu antreibt, hart zu arbeiten.
  • Ich fühle mich verpflichtet, hart zu arbeiten, auch wenn es keinen Spaß bringt.
  • Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir freinehme.
  • Es fällt mir schwer, zu entspannen, wenn ich nicht arbeite.

Die Forscher und Forscherinnen unterscheiden dann zwischen vier Kategorien von Arbeitenden: Neben den "gelassen Arbeitenden" gibt es Menschen, die exzessiv, also sehr viel arbeiten und solche, die zwanghaft arbeiten. Als arbeitssüchtig gilt man dann, wen man sowohl viel (exzessiv) als auch zwanghaft arbeitet. 

Typische gesundheitliche Probleme bei Arbeitssucht

Zwanghaftes Arbeiten schadet der Studie zufolge der Gesundheit. Suchthaft arbeitende Menschen litten deutlich häufiger als andere unter körperlichen oder psychosomatischen Beschwerden, suchten deswegen aber seltener ärztliche Hilfe. Mögliche langfristige Folgen bei suchthaftem Arbeiten seien erhöhte Risiken für Burnout oder depressive Verstimmungen - psychische Leiden, die zu langwierigen Arbeitsausfällen führen könnten.

Generell waren Arbeitssüchtige in einem schlechteren gesundheitlichen Zustand, als "gelassen" arbeitenden Menschen. Typische Krankheitssymptome und gesundheitliche Beschwerden, die bei Arbeitssüchtigen häufiger auftreten, sind:

  • Müdigkeit und körperliche Erschöpfung
  • emotionale Erschöpfung
  • Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Nervosität und Reizbarkeit
  • Niedergeschlagenheit
  • Verdauungsbeschwerden
  • Nacken- und Rückenschmerzen
  • Schmerzen in den Extremitäten
  • geschwollene Beine

Besonders häufig betroffen sind demnach Führungskräfte. Sie seien zu 12,4 Prozent arbeitssüchtig, andere Erwerbstätige nur zu 8,7 Prozent heißt es in der Studie. Dabei sei suchthaftes Arbeiten "umso stärker ausgeprägt, je höher die Führungsebene ist". Für ihre Studie werteten die Wissenschaftler repräsentative Daten von gut 8000 Erwerbstätigen zu ihrem Arbeitsverhalten und ihrem Wohlbefinden aus, die in den Jahren 2017 und 2018 erhoben worden waren. rowa/mit dpa

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