Im Jahr 2019 ist fast jeden dritten Tag eine Frau durch die Tat ihres Partners oder Ex-Partners gestorben. Umgerechnet alle 45 Minuten wird eine Frau durch ihren Partner verletzt oder angegriffen. Mehr als 141.000 Opfer von vollendeten und versuchten Delikten der Partnerschaftsgewalt gab es laut Polizeistatistik. Seit 2015 steigen die Zahlen von Jahr zu Jahr an.
Die Corona-Pandemie könnte zudem zu einer Erhöhung der Zahl an häuslichen Gewalttaten führen und die Situation verschärfen. Aus der Gewaltforschung ist bekannt, dass Stressfaktoren Gewalt fördern. Diese Stressfaktoren gibt es in der Corona-Pandemie vermehrt. Räumliche Enge, die durch Arbeitslosigkeit, Schulschließungen und Home Office entstehen, und psychische Belastungsfaktoren durch finanzielle Sorgen gehören dazu.
Was zählt zur häuslichen Gewalt?
Häusliche Gewalt umfasst alle Formen physischer, sexueller und/oder psychischer Gewalt zwischen Personen in zumeist häuslicher Gemeinschaft. Die Gewalt hat viele verschiedene Erscheinungsformen. Sie reichen von subtilen Formen der Gewaltausübung, wie das Ignorieren der Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Geschädigten/des Geschädigten, über Demütigungen, Beleidigungen und Einschüchterungen, Bedrohung sowie psychische, physische und sexuelle Misshandlung, Freiheitsberaubung bis hin zur Vergewaltigung oder gar zur Tötung.
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Personen in Ehe, eingetragener Partnerschaft oder einfach nur so zusammenleben, welche sexuelle Orientierung vorliegt oder ob es um ein Mehrgenerationenhaushalt handelt. Entscheiden ist, dass es sich um eine Beziehung handelt, die noch besteht, in Auflösung befindlich ist oder seit einiger Zeit aufgelöst ist. Häufig ist die Wohnung der Tatort, jedoch kann die Tat auch auf der Straße, im Geschäft oder auf der Arbeitsstelle passieren, so polizei-beratung.de.
Häusliche Gewalt selber ist kein eigener Straftatbestand. Jedoch können zahlreiche Straftatbestände, die im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt geschehen, bei der Polizei angezeigt werden. Denn häusliche Gewalt ist nie Privatsache, auch wenn es sich bei der Personen, die angezeigt werden muss, um ein Familienmitglied handelt.
Sie wurden Opfer oder wurden bedroht?
Sollten Sie eine der genannten Arten von häuslicher Gewalt erfahren haben, gib es folgende Möglichkeiten für Sie:
- Bei akuter Bedrohung: 110 wählen! Die Polizei wird alles Erforderliche tun, um Sie zu schützen. Auch wenn Sie bedroht oder unter Druck gesetzt werden, melden Sie dies unbedingt der Polizei.
- Zeigen Sie die Straftat bei der Polizei an. Dies ist bei jeder Polizeidienststelle möglich. Zur Anzeigenerstattung kann Sie eine Person Ihres Vertrauens und/oder ein Rechtsbeistand begleiten.
- Wenn Sie sich noch nicht entscheiden können, die Polizei zu rufen, wenden Sie sich an eine Person Ihres Vertrauens oder lassen Sie sich beraten, aber handeln Sie!
- Notieren Sie sich Einzelheiten zu den Vorfällen, wie Datum, Uhrzeit und was genau geschehen ist.
- Suchen Sie einen Arzt auf, nennen Sie ihm den Ursprung der Verletzungen und lassen Sie diese attestieren oder fotografieren, um Beweise für eine mögliche Strafanzeige zu haben.
- Auch Frauenhäuser bieten ihnen Schutz von Bedrohung. Die Mitarbeiter können Sie bei weiteren Schritten vor Ort beraten.
Opfer von häuslicher Gewalt sind vermehrt Frauen
Laut Kriminalstatistik zur Partnerschaftsgewalt waren 81 Prozent Frauen und 19 Prozent Männer von häuslicher Gewalt betroffen. Experten gehen jedoch von einer großen Dunkelziffer von Fällen aus, die nicht gemeldet werden. Demnach werden etwa 80 Prozent der häuslichen Gewalttaten nicht gemeldet.
Die hohe Anzahl der Dunkelziffer mache vor allem Gewalttaten an Männern aus, die aus Scham den Vorfall nicht bei der Polizei melden würden. Aber auch Kinder sind von dieser Gewalt betroffen, wenn sie in ihrer Familie Gewalt als Konfliktlösungsmuster kennenlernen, Gewalt selbst erfahren oder beobachten. Diese Kinder neigen oft dazu, später selbst gewalttätig oder Opfer von Partnergewalt zu werden.
Besteht ein Umgangsrecht des Täters für ein gemeinsames Kind, kann eine rechtliche Schutzanordnung veranlasst werden. Droht weitere Gewaltanwendung und damit eine Gefährdung des Kindeswohls, kann mithilfe des Jugendamts oder eines Anwalts veranlasst werden, dass das Umgangsrecht nur eingeschränkt wahrgenommen oder ausgesetzt wird.
Hilfe und Unterstützung für Opfer
Schauen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um Unterstützung für den Weg aus der Gewalt zu erhalten. Folgende Ansprechpartner, neben der Polizei, die in akuten Gewaltsituationen über den Notruf 110 jederzeit zu erreichen ist, stehen Ihnen zur Verfügung:
- Frauenberatungsstellen, Frauenhäuser (Frauenhauskoordinierung: www.frauenhauskoordinierung.de, www.frauen-gegen-gewalt.de)
- Notrufe für Frauen
- Interventionsstellen für Opfer häuslicher Gewalt
- Ehe- und Familienberatungsstellen
- Gleichstellungsstellen der Landratsämter und Kommunen
- Rechtsantragsstellen der Gerichte
- Rechtsberatungsstellen
- Opferhilfeorganisationen, z.B. Weisser Ring e.V. (www.weisser-ring.de oder über Telefon erreichbar: 116 006)
- Opferschutzbeauftragte der Polizei
- Telefonseelsorge rund um die Uhr unter 0800 111 0111 oder 0800 111 0222
- Beim Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" können Sie sich unter der Rufnummer 08000 116 016 an 365 Tagen zu jeder Uhrzeit anonym und kostenlos beraten lassen. Mithilfe von Dolmetscherinnen ist eine Beratung in vielen Sprachen möglich.
Es gilt: "Jeder Mensch hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich." (Art. 2 Grundgesetz)