Aus aller Welt schicken Kinder ihre Wunschzettel nach Himmelstadt in Unterfranken. Jeder einzelne Brief wird vom Christkind und seinen Helfern beantwortet.
Mitten im Interview klopft es beim Christkind an die Tür. Herein!, ruft es laut und dann leise: oh! Zwei kleine blonde Mädchen blinzeln schüchtern in den Raum, sie halten Briefe in ihren Händen. Sanft schieben Mama und Tante die Kinder näher Richtung Christkind und soufflieren: Annalena (4) und Annmarie (1) möchten ihre Wunschzettel persönlich beim Christkind abgeben. Sie sind an der richtigen Adresse - im Weihnachtspostamt im unterfränkischen Himmelstadt.
Das hat an diesem kalten Vormittag in der Woche vor dem ersten Advent noch gar nicht offiziell geöffnet, aber soll das Christkind den Mädchen das sagen? Sie sind gerade aus Heilbronn zu Besuch bei ihrer Tante in Himmelstadt, da bietet sich ein schneller Gang ins Weihnachtspostamt natürlich an. Das versteht das Christkind, nimmt die Briefe entgegen und erzählt, dass die Post nachts abgeholt wird. Was sich die Mädchen denn gewünscht hätten? "Ein Feuerwehrauto", sagt Annalena verlegen.
Sieben Weihnachtspostämter in Deutschland Dann setzen die Schwestern ihre Mützen auf und die kleine Gruppe verabschiedet sich. Das Christkind wendet sich wieder seiner Arbeit zu. Das Christkind, gestatten: heißt Rosemarie Schotte und hat am Nikolaustag Geburtstag. Seit 1994 leitet die 72-Jährige das Weihnachtpostamt in Himmelstadt. Es ist seit 1986 eines von sieben Weihnachtspostämtern in Deutschland und das einzige in Bayern. Und es ist das einzige, weiß Schotte aus Gesprächen mit den anderen irdischen Filialen von Christkind, Weihnachtsmann und Nikolaus, dessen Helferlein die Kinderpost bei sich Zuhause beantworten.
Dafür gibt es einen Standardbrief, den Schotte jedes Jahr samt einer kleinen neuen Geschichte über das Christkind in Schreibschrift verfasst und der schon gefalzt aus der Druckerei kommt. Schotte und ihr Mann Bernhard fangen im September - da sind längst schon die ersten Wunschzettel in Himmelstadt eingetrudelt - damit an, die Antwortbriefe und eine Bastelvorlage in Kuverts zu stecken, Briefmarken drauf zu kleben und mit dem Motiv des Weihnachtspostamts abzustempeln. Dann müssen in der heißen Phase im Advent nur noch per Hand die Anrede und die Adressen geschrieben werden. Wobei "nur noch" stark untertrieben ist: 80 000 Briefe haben Schotte und ihre gut 30 Helfer in den letzten zwei Jahren verschickt.
Wunschzettel aus aller Welt Die Wunschzettel trudeln aus aller Welt in Himmelstadt ein, sogar Post aus China ist dabei. Auf Pinnwänden sind die schönsten ausgestellt. Manchmal schicken die Kinder einfach nur handgeschriebene Wunschzettel, manchmal diktieren sie - man sieht es an der Schrift - den Erwachsenen ihre Vorstellungen. Erwachsene schicken übrigens auch Post ans Christkind, haben dabei aber einen Hintergedanken: "Sie wollen die Marken und den Weihnachtsstempel", sagt Schotte. Wenn ältere Kinder einen Brief schicken, stehen darin Dinge wie: ,Liebes Christkind, mein Freund ist weggelaufen. Kannst Du ihm schreiben, dass er zurückkommen soll?' Oder, das erzählt Schotte mit einem herzlichen Lachen, Hilfe beim Abitur wird beim Christkind auch schon mal erbeten.
Doch die Haupt-"Kundschaft" sind jüngere Kinder. Sie schicken alles: Gekritzelte Briefe und liebevoll geschriebene, sie schneiden Spielsachen aus Prospekten aus und kleben sie auf, manche malen ein Bild, andere nehmen als Adresse ,An Bodenstation Christkind'. Einer verspricht: ,Ich werde Mama und Papa nicht mehr anschreien', der nächste beschwert sich: ,Das Christkind soll nicht kommen - wie vor zwei Jahren - wenn ich vor dem PC sitze oder noch in der Kirche bin.'
Auch schlimme Briefe sind dabei Immer wieder schütten Kinder dem Christkind auch ihr Herz aus. Sie schreiben von Problemen in der Schule, in der Familie, von Krankheit und Tod. Diese Briefe beantworten Rosemarie Schotte und ein Helfer persönlich. Viele bedrückende Dinge musste sie in ihrer Zeit als Christkind schon lesen, sagt die Leiterin des Weihnachtspostamts und ihr fröhliches Gesicht wird traurig.
Den schlimmsten Brief hat sie heuer bekommen, aus dem Umfeld eines fünfjährigen, todkranken Kindes, das auf der Palliativstation liegt. Der kleine Patient hat gesagt, wo er beerdigt werden möchte - dort, wo seine Freunde leben. Schotte schüttelt den Kopf und sagt: "Das ergreift einen. Es kostet viel Kraft, das zu beantworten."
Doch es gibt auch die anderen, schönen Fälle, die das Christkind bearbeiten darf. Zum Beispiel den Wunschzettel, den eine 90-Jährige Frau als neunjähriges Mädchen geschrieben hatte. Die Enkelin fand ihn auf dem Dachboden, schickte ihn ans Weihnachtspostamt und die Oma bekam Antwort vom Christkind höchstpersönlich - nach 81 Jahren! Diesen Brief rahmte die Oma ein und er wird heute noch, obwohl die Oma schon gestorben ist, von ihrer Enkelin an Weihnachten immer aufgestellt.
Ist der Nikolaus dein Mann? Wenn Kinder Fragen stellen, werden sie von Schotte ebenfalls persönlich beantwortet. Oft sind es jedoch dieselben, zum Beispiel, wenn eine ganze Schulklasse ans Weihnachtspostamt schreibt. ,Wo kaufst Du die Geschenke'? wollen dann 20 Knirpse vom Christkind wissen oder: ,Ist der Nikolaus Dein Mann?' Da ist Schotte bei der Bearbeitung ganz modern: Die am häufigsten gestellten Fragen und Antworten hat sie auf ein Blatt gedruckt und legt sie den Schreiben bei.
Im Sommer kommen die ersten Briefe in Himmelstadt an, die lagert Schotte erst einmal bei sich Zuhause. Ab Mitte November verlegt sie den Betrieb in Weihnachtspostamt. Dort sitzt sie dann an jedem Vormittag mit ihrem Mann Bernhard und bis zu fünf weiteren Helfern. Schottes sind bereits im Ruhestand und ebenso wie die Hilfs-Christkinder ehrenamtlich im Einsatz. Wer wann kann, notiert die Chefin in einem Dienstplan.
Mit kleinen Messern aus ihren heimischen Küchenschubladen öffnen die Helfer hunderte, tausende Kinderbriefe, lesen sie und sortieren sie in Boxen mit den Aufschriften: Unvollständig, leserliche Adressen mit Zusatz (Bild), normal, Schulen. Auch Bernhard Schotte ist mit von der Partie: Als ,Bernhard, der Schlitzer'. Im Weihnachtspostamt wird er so genannt, weil er der einzige ist, der die Kinderbriefe mit der Maschine aufschlitzt.
Dann werden die Briefe zum Beantworten verteilt und mit nach Hause genommen. Rosemarie Schotte bleibt den ganzen Tag im Postamt. Sie hat schließlich noch andere Aufgaben: Interviews geben, zum Beispiel. Neulich waren es fünf am Vor- und fünf am Nachmittag. "Das war ganz schön viel", sagt Schotte. Aber sie lacht dabei. Sie hat Freude an ihrer Arbeit, das merkt man. Genauso wie die Helfer. Alle sind ehrenamtlich im Dienst und "alle machen es mit Leb und Seele." Wen wundert's: Sie dürfen Christkinder sein!
Hier geht's zum Christkind Adresse Weihnachtspost kann bis 17. Dezember an folgende Adresse geschickt werden: An das Christkind, Kirchplatz 3, 97267 Himmelstadt. Briefe mit 58 Cent frankieren, ein Rückporto ist nicht beizulegen. Wichtig ist ein gut leserlicher Absender, damit das Christkind antworten kann (
www.post-ans-christkind.de).
Besuch Das Himmelstadter Weihnachtspostamt ist zur Besichtigung vom 2. bis 23. Dezember unter der Woche von 9 bis 12 Uhr geöffnet, außerdem am 30. November, 14. und 15. Dezember von 14 bis 18 Uhr sowie am 1. Dezember von 14.30 bis 18.30 Uhr.
Weihnachtsfilialen Außer in Himmelstadt gibt es weitere Weihnachtsfilialen:
"An das Christkind":
21709 Himmelpforten
51777 Engelskirchen
"An den Weihnachtsmann":
16798 Himmelpfort
31137 Himmelsthür
"An den Nikolaus":
49681 Nikolausdorf
66351 St. Nikolaus