Suche nach dem Endlager - auch im Fichtelgebirge?

4 Min
1 Million Jahre sll es halten, das deutsche Atommüll-Endlager. Auch das Fichtelgebirge könnte jetzt wieder in Frage kommen. Foto: Jens Wolf dpa
1 Million Jahre sll es halten, das deutsche Atommüll-Endlager. Auch das Fichtelgebirge könnte jetzt wieder in Frage kommen.  Foto: Jens Wolf dpa

Der Startschuss für die Suche nach einem Endlager für Atommüll ist gefallen. Auch das Fichtelgebirge und der Bayerische Wald kommen in Frage.

Im Fichtelgebirge schrillen die Alarmglocken: Der Untergrund im nordöstlichen Zipfel Frankens könnte für den Bau eines Endlagers für den deutschen Atommüll geeignet sein. Das belegen Studien, die die Bundesregierung in Auftrag gegeben hat. Der fränkische Granit, der zu den ältesten Gesteinsformationen der Welt zählt, ist zwar anders als Salzstöcke und Tonsteine zerklüftet, aber sehr stabil - möglicherweise die ideale Gruft für die Särge aus Stahl, in denen das Atomzeitalter beerdigt werden soll.

Es gibt keine Vor-Festlegungen für die Suche nach dem Endlager, sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die jetzt in Berlin das Gesetz auf den Weg gebracht hat, das den Fahrplan für den letzten Akt des Atomausstiegs festlegt. Frühestens 2075 wird ein Endlager in Deutschland zur Verfügung stehen, Pessimisten wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Müller, der sich eher als Realist sieht, rechnet mit einer Verzögerung bis weit ins nächste Jahrhundert hinein.


Bayern will sich ausklinken

Während es für Hendricks nach ihrem Grundsatz der "weißen Landkarte" weder Favoriten noch Tabus gibt und die Suche ausschließlich wissenschaftlichen Kriterien und nicht etwa politischen Präferenzen zu folgen hat, gibt es unter anderem aus Bayern prominente Stimmen, die an der Brisanz des Mega-Projektes keinerlei Zweifel aufkommen lassen: Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) hat wiederholt deutlich gemacht, dass es zwischen Main und Alpen keine geologische Formation gibt, die radioaktiven Müll sicher "einschließen" kann: Die Salzlager im Alpenraum sind zu wenig mächtig, Tonschichten zu feucht, und der Granit, den man im Bayerischen Wald, in der Oberpfalz und im Fichtelgebirge findet, ist zerklüftet oder liegt in geologisch aktiven Zonen.

Tatsächlich galt Granit den Endlager-Suchern lange als ungeeignet - ungeachtet der Tatsache, dass für das erste Endlager der Welt überhaupt, das in Finnland geplant wird, Felsmassive aus Granit gewählt wurden. Das liegt daran, dass in Finnland wie auch in Schweden ein anderes Lagerkonzept als in Deutschland verfolgt wird. Die Bundesrepublik plante bislang nach dem Prinzip "sicherer Einschluss".


Knackpunkt ist der Behälter

Dabei kommt dem Felsmassiv, das die Behälter mit dem radioaktiven Müll aufnimmt, die entscheidende Rolle dabei zu, die Umwelt für eine Million Jahre sicher vor Strahlung zu schützen. Der, so der Fachausdruck, einschlusswirksame Gebirgsbereich (ewG) soll die Radioaktivität auch dann noch sicher zurückhalten, wenn die Behälter undicht werden. Bislang ist geplant, den radioaktiven Müll aus den Castor-Behältern in den Zwischenlagern in neue Pollux-Behälter zu packen und diese dann unter Tage zu lagern.

Das Endlagergesetz der Bundesregierung erweitert die Suche aber auch für andere Optionen, etwa der Entwicklung neuer Lagerbehälter nach finnischem Vorbild. Dort plant man mit Fässern, die eine mehrfache Sicherheitsbarriere aufweisen: eine, die den Behälter gegen mechanische Schäden schützt, eine zweite, die die Strahlung abschirmt, und weitere Schichten, die beim Versagen des Strahlenschutzes verhindern, dass radioaktives Material in die Umwelt gelangt.

Wenn solche Behälter zur Verfügung stehen, wird vom Gebirge für das Lager nicht mehr absolute Dichtigkeit verlangt. Mechanische Stabilität ist dann viel wichtiger. Umgekehrt wurde bislang deshalb vorrangig in Salz und Tonformationen gesucht. Diese vergleichsweise weichen Steine würden sich im Lauf der Jahrtausende wie ein Mantel um die Pollux-Behälter legen und die gefährliche Fracht in der Tiefe der Erde einschließen, selbst wenn die Fässer undicht werden. So die Theorie. In der Praxis ist alles viel komplizierter, und auch der Vergleich zwischen Finnland und Deutschland hinkt. Das Karlsruher Institut für Technologie hat im Auftrag des Bundesumweltministeriums 2016 speziell kristalline Gesteine wie Granit auf ihre Endlager-Tauglichkeit hin untersucht.

Die Studie mit dem freundlichen Namen "Projekt Christa", die der Redaktion vorliegt, geht auf die Besonderheiten des in Deutschland "produzierten" Atommülls ein, der an ein unterirdisches Lager ganz andere Anforderungen stellt als etwa in Finnland.

Der wichtigste Unterschied: In deutschen Atomkraftwerken, auch in Grafenrheinfeld, wurden anders als in Finnland auch sogenannte MOX-Elemente als Brennstoff eingesetzt. Das Mischoxid enthält neben dem gängigen Atombrennstoff Uran auch Plutoniumdioxid. Plutonium ist nicht nur radioaktiv, sondern hochgiftig und setzt selbst als "abgebrannter" Brennstoff noch lange Zeit Wärme und Strahlung frei. Behälter für diesen brisanten Cocktail müssen besonders robust sein. Die Karlsruher Experten schlagen ein Konzept mit einem unzerstörbaren inneren Mantel aus Stahl und einer Strahlenabschirmung durch eine (extrem teure) Kupferlegierung vor.
Mit solchen Mülltonnen soll beides möglich sein: der sichere Einschluss des atomaren Abfalls über einen Zeitraum von 1 000 000 Jahren (dann ist die Radioaktivität so weit abgeklungen, dass von dem Müll zumindest keine strahlende Gefahr mehr ausgeht); und die Möglichkeit, die Fässer über einen Zeitraum von bis zu 500 Jahren wieder aus der Gruft zu holen (etwa dann, wenn der technische Fortschritt zu besseren Entsorgungswegen führt).

Die Anforderung, dass das bombensichere Endlager anfangs zugänglich sein muss, ist ein Grund dafür, dass man die Atomfässer nicht so tief wie möglich vergräbt, was die Endlagersuche vereinfachen würde - bei 2000 oder 3000 Metern Dicke wäre die Beschaffenheit des Deckgebirges zweitrangig. Ein derart tiefes Loch kommt für die Entsorgung des Atommülls nicht in Frage, weil es in solchen Tiefen sehr heiß wird. Die berühmte Tiefbohrung in Windischeschenbach in der Oberpfalz endete 1991 in einer Tiefe von 9000 Metern; hier wurden 265 Grad gemessen.


Zu viel Hitze für den Müll

Ironischerweise wird diese Hitze in der Tiefe der Erde seit Jahrmilliarden durch den Zerfall natürlicher radioaktiver Stoffe erzeugt. Trotzdem ist so ein Backofen ungeeignet als Atomlager. Das muss in angenehm temperierten Zonen gesucht werden. Das finnische Endlager auf der Insel Olkiluoto entsteht in 60 bis 100 Metern Tiefe.
Bis es in Deutschland so weit ist, sind noch viele Fragen zu klären; die nach dem Standort ist sicher die mit der größten öffentlichen Aufmerksamkeit und die mit dem größten Konfliktpotezial. Im Fichtelgebirge gibt es ähnlich wie im Bayerischen Wald schon jetzt zahlreiche Stimmen, die der Bundesregierung bei der Endlager-Suche ein "zweites Wackersdorf" prophezeien, sollten diese Regionen in die engere Wahl kommen.

In Wackersdorf scheiterte 1986 der geplante Bau einer Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Kernbrennstäbe an massiven Bürgerprotesten. Noch in guter Erinnerung sind auch die teilweise bürgerkriegsähnlichen Zustände bei den Castor-Transporten zum einst als Endlager konzipierten Salzstock Gorleben.


Widerstand formiert sich

Im Fichtelgebirge "werden wir nicht tatenlos zusehen", sagt Georg Ritter, der Bürgermeister von Fichtelberg, der die Bürgermeister-Kollegen aus der Region so schnell wie möglich an einen Tisch bringen will, um das weitere Vorgehen abzustimmen. "Ein Endlager wäre die Höchststrafe für das Fichtelgebirge", sagt Axel Herrmann, der Bürgermeister von Warmensteinach. Schon die Diskussion schade den Gemeinden, die vom Tourismus leben.
Kritik kommt auch von den Umweltverbänden, auch wenn die grundsätzlich hinter dem Atomausstieg stehen. Der Bund Naturschutz fordert noch mehr Bürgerbeteiligung, besseren Rechtsschutz und Transparenz im Verfahren. Greenpeace kritisiert, dass sich der Gesetzentwurf "einseitig auf die tiefengeologische Lagerung" konzentriere. Dabei gebe es mit allen unterirdischen Atom- oder Giftmüllkippen Probleme. Die Bundesregierung sollte alternative Lagerkonzepte prüfen.