„Es ist nicht einfach, ein Ort für alle zu sein. Das stellt uns vor Herausforderungen.“ Herausforderungen, die sie in der Stadtbücherei so gut wie möglich zu meistern versuchen, um niemanden auszugrenzen. Dass der Bücherei das gut gelingt, findet die 67-jährige Theresia Oschmann-Behr, die der Stadtbücherei eine „wunderbare Atmosphäre“ bescheinigt. Die Religionslehrerin im Ruhestand hilft ehrenamtlich in der Elisabethstube der Erlöserschwestern mit und hat in der Bücherei schon öfter Bedürftige wiedererkannt. Auch habe sich ihr Blick beim Gang durch die Stadt verändert. Wenn sie heute einen Obdachlosen sehe, denke sie nicht mehr „Was ist denn das für ein Kerl?“, sondern „Ah, einer von uns“. Das „uns“ betont sie extra.
In der letzten Station, der Wärmestube der Christophorus-Gesellschaft, gibt es erstmal eine warme Suppe zum Aufwärmen – für Menschen ohne Zuhause keine Selbstverständlichkeit, wie inzwischen alle wissen. Dann stellt Moritz Maier die Einrichtung für obdach- und wohnungslose Menschen vor, die dienstags bis sonntags von 10 bis 16 Uhr geöffnet hat. „Man darf einfach da sein“, beschreibt er das niederschwellige Angebot. Neben kostenfreiem Essen und Getränken gibt es Kaffee für 30 Cent die Tasse.
Wer möchte, kann duschen und Kleider waschen, zudem gibt es medizinische und juristische Angebote und Sozialberatung. Als Sozialpädagoge und -arbeiter weiß Maier, dass psychisch Kranke ein höheres Risiko haben, obdachlos zu werden – und umgekehrt. Auch deshalb sagt er: „Wir sind sehr dankbar für das Projekt ,OSKAR‘“ – „Obdachlos, Seelisch krank, Außerhalb der Regelversorgung“. „OSKAR“ ist ein Projekt des Fördervereins Wärmestube in enger Zusammenarbeit mit der Christophorus-Gesellschaft, und bayernweit als Modellprojekt einzigartig.
Projektverantwortliche Diplom-Sozialarbeiterin Stefanie-Irmgard Behnecke hilft psychisch erkrankten Obdachlosen, vermittelt sie etwa an Ärztinnen und Ärzte oder Fachstellen. Zwei Mal pro Woche ist sie auch in der Wärmstube anzutreffen. Wie man an die Betroffenen herankommt, lautet eine Frage aus dem Publikum. „Ich spiele sehr gut Mensch-ärgere-dich-nicht“, sagt Behnecke und lächelt. Man müsse sich an die Betroffenen herantasten, eine Beziehung aufbauen. Dann könne man irgendwann auch fragen: „Hören Sie Stimmen?“
Wie man Menschen mit psychischen Problemen behandelt, weiß Dr. Edith Schwender. Die Leiterin der Institutsambulanz am Zentrum für seelische Gesundheit des Bezirks Unterfranken am König-Ludwig-Haus in Würzburg erklärt eines der wichtigsten Ziele von „OSKAR“: Betroffenen soll geholfen werden, bevor sie von der Polizei gegen ihren Willen in eine Klinik gebracht werden müssen.
Auch die Ärztin betont, wie wichtig der Beziehungsaufbau sei, so dass die Betroffenen irgendwann bereit seien, sich von Behnecke in die Klinik begleiten zu lassen. Aktuell sei ungewiss, ob die Sozialarbeiterin das über den Herbst hinaus wird leisten können. Dann läuft das durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege geförderte Modellprojekt aus. Eine Anschlussfinanzierung werde dringend benötigt, erklärt Bernhard Christof, stellvertretender Vorsitzende des Fördervereins Wärmestube.
Dass man mit der passenden Hilfe den Weg zurück aus der Krankheit finden kann, darüber berichtet Wärmestubenbesucher Freddie. Nach einer von Drogen und Gewalt geprägten Kindheit und der Trennung von der Mutter seiner Kinder habe ihn der Coronatod seiner eigenen Mutter zum Wohnungslosen gemacht, erzählt er. Derzeit wohne er in einer Obdachlosenunterkunft der Stadt Würzburg.
Nach dem Tod der Mutter nahm er wieder Drogen – es folgte eine Psychose, die laut Schwender von diesen Substanzen ausgelöst werden kann. Doch Freddie hat den Weg weg von den Drogen und raus aus der Krankheit geschafft und ist, mit medizinischer Betreuung am König-Ludwig-Haus, gerade dabei, seine Medikamente abzusetzen. Danach will er einen Job finden – und mit etwas Glück eine eigene Wohnung, seinen ganz privaten Ort.