"Man muss sich dumm stellen können": Seniorin (82) aus Unterfranken trickst Trickbetrüger aus - fünfmal

2 Min

Fünfmal innerhalb von vier Jahren hat Marlene Bayer Betrüger ausgetrickst und so zu ihren Festnahmen beigetragen. Dafür wurde die 82-Jährige jetzt mit der Verdienst-Medaille für vorbildliche Zivilcourage geehrt.

Bei der Polizei ist die 82-jährige Marlene Bayer inzwischen gut bekannt. Fünfmal innerhalb von vier Jahren stellte die Seniorin Trickbetrüger am Telefon. Dafür wurde sie nun von Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) mit Medaille für "Verdienste um die Innere Sicherheit für vorbildliche Zivilcourage" ausgezeichnet. "Wir ehren mit dieser Auszeichnung außergewöhnliche Menschen, die sich in besonderer Weise für die Sicherheit und den Schutz unserer Gesellschaft eingesetzt haben", betonte Herrmann. "Die Courage-Medaille symbolisiert Mut, Entschlossenheit und Engagement."

Und im Fall von Marlene Bayern auch Talent. Dies sei notwendig, um Trickbetrügern das Handwerk zu legen, erklärt die 82-Jährige im Gespräch mit dem BR. "Man muss schauspielern können und sich dumm stellen können. Und ich kann das gut." Sie habe immer sofort gemerkt, wenn es sich bei Anrufern nicht um Polizisten, sondern um Betrüger gehandelt hat.

Seniorin aus Rimpar trickst fünf Telefonbetrüger in vier Jahren aus

Die Maschen der Betrüger sind häufig dieselben. Mehrmals behaupteten die Betrüger zu Frau Bayer, ihre Kinder hätten einen Unfall gebaut und jemanden überfahren. Bei dieser Methode fordern vermeintlichen Polizist daraufhin eine Kautionszahlung und manchmal auch Schmuck, um einen Gefängnisaufenthalt der Kinder abzuwenden. So auch bei Frau Bayer. 

"Ich sag’ dann jedes Mal: Ich hab’ noch 25.000 Euro, mehr nicht. Und dann gehen die Verhandlungen los", berichtet Bayer. Die Betrüger seien nie direkt mit der Summe zufrieden. Stattdessen zogen sich die Telefonate immer über mehrere Stunden, in denen die 82-Jährige beispielsweise Seriennummern von Geldscheinen vorlesen oder die Betrüger davon überzeugen musste, die Übergabe in Rimpar und nicht in Würzburg zu machen. 

Nach Ausreden wie sie müsse sich einen Kaffee machen, sei sie in einen anderen Raum gegangen und habe mit ihrem Handy die richtige Polizei angerufen, erzählt die Seniorin dem BR. Für die Übergaben habe sie dann statt Geldscheinen Zeitungspaper zu einem Paket zusammengeschnürt. Als Ersatz für Schmuck hat sie Besteck in einen Beutel gepackt, "damit es ein bisschen schwer ist". Zwei Übergaben fanden auf Supermarkt-Parkplätzen statt, zwei in ihrer Wohnung und eine in ihrem Hof. 

Telefonbetrüger ausgetrickst: Innenministerium verleiht Verdienst-Medaille an unterfränkische Seniorin

In allen Fällen konnte die Polizei die Betrüger dank Marlene Bayer stellen. Auch in Zukunft wolle die 82-Jährige weiterhin Betrüger stellen. Wem weniger gut schauspielern kann, rät sie aber aufzulegen. "Die Polizei holt niemals Geld zu Hause ab", warnt Bayer. Eine allgemeine Verhaltensempfehlung dazu könne die Polizei nicht geben, heißt es von Präsidium Unterfranken auf Rückfrage. Da solche Situation extrem belastend sein können, werde bei jeder Möglichkeit einer solchen Zusammenarbeit genau geprüft, ob diejenige Person dazu in der Lage ist.

Buch Der Schwindel am Telefon bei Amazon ansehen

Bereits 2020 rief das Polizeipräsidium Unterfranken die Präventionskampange "Leg’ auf" ins Leben. Zusätzlich startete im Juli 2022 an unterfränkischen Schulen die Kampagne "Ich schütze Oma und Opa". Mit den Kampagnen setzt die unterfränkische Polizei nun auf die Unterstützung von Jugendlichen und Schülern. Diese sollen Großeltern sowie ältere Bekannte auf die Betrugsmaschen der Täter aufmerksam machen.

Das Ziel dieser Kampagnen ist es, insbesondere ältere Menschen und deren Angehörigen über die Phänomene wie "Enkeltrickbetrug" und "Falsche Polizeibeamte", aber auch neue Betrugsmaschen wie ID-Spoofing zu informieren, zu sensibilisieren und Verhaltenstipps zu geben. Denn diese gehören besonders häufig zu den Opfern, wie beispielsweise eine 87-Jähriger aus Bamberg, der nach einem Schockanruf 30.000 Euro abgenommen wurden. 

Telefonbetrüger rufen an: diese Verhaltenstipps gibt die Polizei

Die Polizei warnt in dem Zusammenhang eindringlich vor Telefonbetrug und gibt folgende Tipps: 

  • Lege auf. Wähle selbst die Notrufnummer 110 und frage bei der Polizei nach einem entsprechenden Einsatz beziehungsweise ob tatsächlich Verwandte in Not sind.
  • Die Polizei weist dich niemals an, Geld oder Schmuck zu Hause zur Abholung bereitzulegen oder an Abholer zu übergeben.
  • Übergib keine Geldbeträge an Fremde! Auch die Polizei holt bei dir an der Haustüre keine Wertsachen ab, um sie in Verwahrung zu nehmen.
  • Die Täter können mittels Call ID-Spoofing jede von ihnen gewünschte Rufnummer auf dem Telefondisplay anzeigen lassen - bei der echten Polizei erscheint niemals die 110 (auch nicht mit Vorwahl).
  • Sprich mit deinen Freunden, Nachbarn und Verwandten über das Phänomen.

Insgesamt wurden 31 Personen im Odeon des Innenministeriums in München mit der Verdienstmedaille ausgezeichnet.

Artikel enthält Affiliate Links
Vorschaubild: © Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Symbolbild