Der Baum werde laut Staatsanwaltschaft nun von einem Sachverständigen untersucht. Erst zu Beginn der Woche musste sich ein Baumkontrolleur in Augsburg vor Gericht verantworten: Ein Ahornbaum war im Sommer 2021 an einem Spielplatz umgestürzt und hatte ein kleines Mädchen erschlagen. Auch hier spielte ein Pilzbefall eine wichtige Rolle.
Update vom 24.09.2023: Frau stirbt wegen umgestürztem Baum in Würzburg - Wie steht es um die Sicherheit in der Stadt?
Nahezu windstill, ein paar Wolken, um die 20 Grad: Wie aus dem Nichts kippt eine mehr als 20 Meter hohe Buche im Würzburger Ringpark um und begräbt eine Frau unter den schweren Ästen. Die 59-Jährige, die auf einem Fahrrad unterwegs war, stirbt wenige Stunden später in einer Klinik. Zurück bleiben neben den schockierten Angehörigen ratlose Stadtvertreter. Vergleichbare Fälle in Deutschland sind rar - in Erinnerung ist so manchem vielleicht noch der Tod eines Kleinkindes in Augsburg, das vor zwei Jahren auf einem Spielplatz durch einen umgestürzten Baum starb.
"Das Risiko, in Deutschland durch einen Baum zu sterben, ist extrem gering. Wir sind da bei eins zu zehn Million ungefähr", sagt Steffen Rust, Experte für Baumdiagnose an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Er verweist auf fünf bis zehn Tote jährlich, häufig unwetterbedingt. "Das ist ungefähr in der Größenordnung wie die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz erschlagen zu werden." Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr starben auf deutschen Straßen laut Statistischem Bundesamt 2788 Menschen.
Der um die 100 Jahre alte Baum in Würzburg war nach Worten von Umweltreferent Martin Heilig im Dezember routinemäßig kontrolliert und danach immer wieder angeschaut worden. Die Prüfer hätten gewusst, dass die Buche nicht gesund gewesen sei - wie die meisten Bäume in dem Park, der die Altstadt umgibt. Hinweise, dass der gewaltige Baum umkippen könnte, habe es aber nicht gegeben. "Das ist eine Tragödie", sagt Heilig. Mögliche Versäumnisse wollen nun Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln.
Zu heiß, zu trocken, zu viele Abgase - die Gartenämter der Kommunen wissen bald nicht mehr, was sie in Zeiten des Klimawandels pflanzen sollen. Vor allem in den Städten kommen Bäume wie Linde, Kastanie und Ahorn nach Erkenntnis von Wissenschaftlern der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) immer schlechter mit Dürre und Strahlungshitze zurecht.
Die Trocken- und Hitzejahre seit 2017 hätten das Baumsterben in den Kommunen beschleunigt. In Würzburg etwa gingen früher im Schnitt 160 Stadtbäume pro Jahr ein. "2019 waren es 1470 Straßen-, Park- und Friedhofsbäume", sagt Susanne Böll vom LWG-Arbeitsbereich Urbanes Grün. "Und in anderen Städten war das nicht viel anders. Das ist die neue Normalität, und es kann noch schlimmer werden." Manchmal ist es ein unscheinbarer Pilzbefall, der auf eine Baumerkrankung hinweist, manchmal ein versteckter Riss in der Rinde, der Fäulnis offenbart. Eine kritische Untersuchung des Wurzelansatzes kann zeigen, wie es um die Stabilität des Stammes steht.
Alle ein bis drei Jahre werden Deutschlands Stadtbäume im Schnitt angeschaut, die meisten per Sichtkontrolle, wie Baumpflegeexperte Rust erzählt. Gibt es Anzeichen für mangelnde Standfestigkeit, könne diese mit einem Zugversuch überprüft werden. "In 10 bis 15 Metern Höhe wird ein Seil befestigt", erklärt Rust. "Der Baum wird mit Messgeräten ausgestattet. Wir ziehen mit einer Handwinde an dem Baum und simulieren so eine Windlast." Aus der Bewegung des Baumes könne man dann abschätzen, welche Last er aushält, bevor er umkippen würde.
Baumkontrolleure suchen nach Zeichen für verringerte Standsicherheit
Baumkontrolleure untersuchen seiner Kenntnis nach täglich um die 100 Bäume. "Dies kostet irgendwas zwischen drei und neun Euro pro Baum", sagt Rust, und dauere nur wenige Minuten. Nur wenn der Kontrolleur Anzeichen für verringerte Stand- oder Bruchsicherheit sehe, gebe es eine eingehende Untersuchung. Möglich sei dann beispielsweise eine Schalltomographie für 300 bis 800 Euro, die den Querschnitt des Stammes abbilde und etwas über die Bruchsicherheit aussage. Zugversuche kosteten meist deutlich mehr als 1000 Euro. "Das macht man dann nur bei wirklich wertvollen Bäumen, weil die Kommunen in der Regel nicht so viel Geld für solche Untersuchungen haben", erklärt Rust.
Im Freiburger Stadtgarten krachte vor rund einem Jahr eine große Buche plötzlich um - pilzbedingte Holzfäule hatte dem Baum zugesetzt. Verletzte gab es keine. Auch bei dem Fall in Augsburg hatte ein Pilz den Baum geschwächt. Das Unglück mit dem getöteten Mädchen vom Juli 2021 wird an diesem Montag (25. September) vor dem Amtsgericht verhandelt. Die Staatsanwaltschaft wirft einem Baumkontrolleur fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vor.
Die Anklage geht aufgrund eines Gutachtens davon aus, dass der städtische Mitarbeiter bei der Kontrolle des Ahorns im Mai 2020 den Pilzbefall hätte bemerken und weitere Maßnahmen ergreifen müssen. Der Verteidiger erklärte hingegen, dass es ein Gegengutachten gebe, wonach der Mitarbeiter ausreichende Maßnahmen ergriffen habe. Sein Mandant habe den drohenden Baumsturz nicht erkennen können.
Experte für Baumdiagnose hält Kontrollintervalle für ausreichend
Im viel zu trockenen Würzburg gab es zuletzt wegen der gestressten Stadtbäume mehr Personal für die Baumpflege und -kontrolle, ausgerüstet etwa mit Sondierstab, Fernglas, Maßband und Zollstock. Fast eine Million Euro würden zudem jährlich für externe Experten und Pflegemaßnahmen der mehr als 44.000 Stadtbäume ausgegeben. "Auffällige Bäume werden zuggeprüft", versichert Stadtsprecher Christian Weiß. "Defekte im Stamminneren und im unterirdischen Wurzelbereich sind nicht ohne weiteres zu erkennen."
Baumexperte Rust hält die Kontrollintervalle für ausreichend. "Wir sind in Deutschland sehr akribisch." In anderen Ländern seien die Intervalle deutlich länger, "und es sterben auch nicht mehr Leute".
Update vom 20.09.2023: Radfahrerin erliegt nach Baumsturz ihren Verletzungen - Stadt verweist auf regelmäßige Kontrollen
Wenige Stunden nach dem Sturz eines Baumes auf eine Radfahrerin in Würzburg ist die Frau ihrer schweren Verletzungen erlegen. Das teilte die Polizei am Dienstag (19. September 2023) mit. Warum die rund 20 Meter hohe Buche am Vortag im sogenannten Ringpark umkippte, ist bislang unklar. Nach Auskunft eines Stadtsprechers werden die städtischen Bäume regelmäßig auf ihre Standfestigkeit kontrolliert.
Laut Angaben der Stadt Würzburg wurde der betreffende Baum im vergangenen Dezember routinemäßig untersucht. "Aufgrund der Trockenheit in den vergangenen Jahren haben wir auch unser Personal um zwei Baumkontrolleure aufgestockt und die Organisation darauf angepasst", wird Bürgermeister Martin Heilig in seiner Eigenschaft als Umweltreferent in einer aktuellen Pressemitteilung der Stadt zitiert. Der Ringpark sei zudem eine der am besten untersuchten und kontrollierten Parkanlagen in Würzburg.
"Wir sind erschüttert angesichts des tragischen Unfalls", erklärt Oberbürgermeister Christian Schuchardt. "Unsere Anteilnahme gilt in diesen schweren Stunden den Hinterbliebenen. Ich spreche ihnen persönlich und im Namen der Stadt mein Beileid und Mitgefühl aus."
Die Buche war am Montagnachmittag (18. September 2023) auf einen Rad- und Gehweg gefallen. Eine 25 Jahre alte Fußgängerin erlitt leichtere Verletzungen. Die 59 Jahre alte Radfahrerin kam mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus, wo sie in der Nacht starb. Zu dem Unfallgeschehen ermittelt die Würzburger Polizei in enger Absprache mit der Staatsanwaltschaft. Auf deren Anordnung wurde auch ein Baumsachverständiger hinzugezogen.
Im Juli 2021 war in Augsburg ein Ahornbaum auf einem Spielplatz umgestürzt und hatte ein Kleinkind sowie dessen Mutter getroffen. Beide wurden schwer verletzt, das 20 Monate alte Mädchen starb später im Krankenhaus. Der Baum war von einem Pilz befallen und deswegen plötzlich umgefallen. Die Staatsanwaltschaft Augsburg erwirkte daraufhin wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung einen Strafbefehl gegen einen städtischen Baumkontrolleur. Weil er diesen nicht akzeptierte, kommt es am kommenden Montag nun zum Prozess gegen den Mann vor dem Amtsgericht.
Ursprungsmeldung: 20 Meter hoher Baum stürzt auf Weg und erfasst zwei Frauen
Eine Radfahrerin und eine Fußgängerin sind in Würzburg von einem rund 20 Meter hohen Baum erfasst worden. "Wir sind bestürzt und schockiert von diesem Unfall", sagte Oberbürgermeister Christian Schuchardt. "Unsere Gedanken sind bei den beiden Verletzten! Wir wünschen ihnen gute Besserung und eine baldige Genesung."
Nach Angaben der zuständigen Polizeiinspektion fuhr die 59-Jährige am Montagnachmittag (18. September 2023) gegen 16.45 Uhr im Bereich des Sanderrings, als die Buche aus bislang noch unbekannter Ursache umstürzte. Dabei fiel der Baum auf einen Geh- und Radweg, auf dem sich außer der Radfahrerin auch eine 25 Jahre alte Fußgängerin befand. Die 59-Jährige war zeitweise unter der Buche eingeklemmt und musste durch die Feuerwehr befreit werden. Sie war schwer verletzt und musste, nach einer medizinischen Notversorgung, ebenso wie die leicht verletzte Fußgängerin, in ein Krankenhaus gebracht werden.
Zu dem Unfallgeschehen ermittelt nun die Würzburger Polizei in enger Absprache mit der Staatsanwaltschaft Würzburg, auf deren Anordnung auch ein Baumsachverständiger hinzugezogen wurde. Die städtischen Bäume werden regelmäßig auf ihre Standfestigkeit kontrolliert, heißt es von der Stadt Würzburg. "Letztendlich kann nur ein Gutachter sagen, was der Grund für diesen Unfall ist", so Bürgermeister Martin Heilig, der sich als Umweltreferent ein Bild von der Lage vor Ort machte.
Vorschaubild: © Heiko Becker (dpa)