Braucht Nürnberg "Schutzzonen"? Rechtsradikale Bürgerwehren wollen in Nürnberg auf den Straßen für Sicherheit sorgen. Polizei und Verfassungsschutz sind alarmiert und verweisen auf das Gewaltmonopol des Staates.
"Jede fünfte Körperverletzung in Nürnberg passiert im Bereich der Königstorpassage ", sagt ein Sprecher in dem Internet-Video mit dem Titel "Schutzstreife Nürnberg". Dann verteilt ein stadtbekannter NPD-Parteifunktionär rote Warnwesten mit der Aufschrift "Wir schaffen Schutzzonen" an vier junge Männer. Anschließend absolviert die Bürgerwehr am helllichten Tag einen kurzen Fußmarsch durch die Innenstadt. Ein paar Broschüren werden an Passanten verteilt. Zum Höhepunkt folgt der Aufruf zum Mitmachen, damit "so etwas wie in Chemnitz" nicht noch einmal passiere. Anschließend endet das Internet-Video genauso unspektakulär wie es begonnen hat.
Schutzzonen-Streife: "Die Polizei duldet keine rechtsfreien Räume"
Das politische Kalkül des Auftrittes der rechten Bürgerwehr liegt auf der Hand. Nach der tödlichen Messerattacke auf einen 35-jährigen Deutschen in Chemnitz wollen Rechtsradikale damit offensichtlich auch in Nürnberg ein Zeichen für eine restriktivere Zuwanderungspolitik setzen und politisches Kapital aus der kontroversen Debatte schlagen. Die Sicherheitsbehörden nehmen das einmalige Auftreten der Schutzzonen-Streife ernst. "Die mittelfränkische Polizei duldet keine rechtsfreien Räume und lehnt derartige Aktionen, die die Bevölkerung verunsichern sollen, strikt ab und wird alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, dies zu unterbinden", erklärt Polizeisprecherin Elke Schönwald auf Anfrage dieses Medienhauses.
Video der "Schutzzonen-Streife" wird auf strafrechtlich relevante Inhalte geprüft
Im Einvernehmen mit der Stadt Nürnberg werde die Polizei niederschwellig gegen derartiges Auftreten vorgehen, kündigt Schönwald an und verweist auf das staatliche Gewaltmonopol. Die Polizei bewertet das Internet-Video als "Propagandafilm". Den Sicherheitsbehörden in Nürnberg seien auch Fotos von der bislang einmaligen Aktion bekannt, auf denen mehrerer Personen unter Federführung der NPD als "Schutzzonen-Streife" dargestellt seien. Außerdem sei der Propagandaflyer aus dem Video in der Stadt aufgetaucht, erklärt Elke Schönwald weiter. Der Vorfall werde laut Polizei derzeit durch das zuständige Fachkommissariat Staatsschutz auf strafrechtlich relevante Inhalte geprüft. Die lokale Staatsanwaltschaft sei ebenfalls eingebunden.
Rechtsextreme Gruppierungen mit ähnlicher Strategie
Die Sicherheitsbehörden haben eine weitere Gruppe im Auge, die eine vergleichbare Strategie zu verfolgen scheint. Am 8. September sind laut Polizei zwölf Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung "Viking Security Germania" - hier findet sich das Thema Sicherheit bereits im Namen - ebenfalls im Stile einer Bürgerwehr in Nürnberg aufgetreten. Die Gruppe sei laut Verfassungsschutz eine Abspaltung von einer anderen bürgerwehrähnlichen Gruppierung mit rechtsextremistischer Ausrichtung, den "Soldiers of Odin Germany Division Bayern", und trete seit März unter der Bezeichnung "Vikings Security Germania Division Bayern" auf.
Nächtlichen Patrouillengang durch Nürnberg in sozialen Medien
In sozialen Medien wurden Fotos von dem nächtlichen Patrouillengang durch Nürnberg veröffentlicht. Auf Facebook stellt sich die Gruppe als Nachbarschaftshilfe vor. Man setze sich dafür ein, Schutzsuchenden zu helfen und durch Präsenz auf den Straßen, Sicherheit zu vermitteln. Über sich selbst sagen sie, "keine Ängste vor Migranten" schüren zu wollen. Man wolle für Sicherheit auf den Straßen sorgen. Lediglich potenzielle Straftäter wolle man einschüchtern. Wer das am Ende sei, dies liege nicht in ihrem Einflussbereich, schreibt die Gruppe auf ihrer Facebook-Seite.
Verfassungsschutz spricht von "rassistischer Motivation"
Der Verfassungsschutz sieht das deutlich anders. Die rechten Bürgerwehren würden mit "rassistisch motivierten Patrouille-Aktionen" suggerieren, dass der Staat und seine Sicherheitsorgane nicht mehr in der Lage seien, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. "Sie inszenieren sich dabei als Mahner, Kümmerer und vermeintliche Gewährleister von Schutz und Ordnung im öffentlichen Raum. Die Aktionen haben das Ziel, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung nachhaltig zu beeinflussen und den Rechtsstaat und das staatliche Gewaltmonopol generell in Frage zu stellen", sagt Markus Schäfert vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz.
Rechte wollen Präsenz im öffentlichen Raum zeigen
Mit "Streifengängen" wollen Rechtsextremisten zudem Präsenz im öffentlichen Raum zeigen. Außerdem sollen Personen mit Migrationshintergrund und politische Gegner mit derartigen Aktionen eingeschüchtert werden, erklärt Schäfert und berichtet, dass "Viking Security Germania" wie ein Rockerclubs auftrete. Der Leiter der bayerischen Security-Wikinger habe in diesem Jahr in Serbien einen Personenschützerlehrgang besucht. Danach habe sich dieser auf seinem Facebook-Profilfoto mit Axt und Kalaschnikow präsentiert.