Die Frankenhalle war am Donnerstagabend zwar temperiert - aber den Premierebesuchern der Neuauflage des Musicals zu "Dirty Dancing" wurde aufgrund der Rhythmen und Tanzdarbietungen trotzdem heiß.
"Ich habe eine Melone getragen!?" Ein Satz wie in Papyrus gehämmert! Francis Houseman, genannt "Baby" wegen ihres kindlich-zarten Antlitzes, hat damit bei "Dirty Dancing" regelmäßig die Lacher auf ihrer Seite. Die Premierenbesucher des Musicals zum Kino-Überflieger des Jahres 1987 durften den Satz am Donnerstagabend in der Frankenhalle erwartungsgemäß wortwörtlich mitsprechen. Und nicht nur den, denn die Macher der Tanzshow hielten sich eng an die Dialoge aus der Filmvorlage.
Schon bei den ersten Klängen des neunköpfigen Live-Orchesters (bühnentechnisch hübsch eingebettet als wie zufällig drapierte Zaungäste auf einer virtuellen Balustrade) bestieg das Publikum die Zeitkapsel und sauste mit ihr fast 30 Jahre zurück in jene Zeit, als Mambo und Merengue plötzlich keine Fremdwörter mehr waren, sondern Wirklichkeit in deutschen Hirnen und Hüften.
Schuld war eine Transformation nach 1963 und ins verbiedert-schwülstige Ferienresort "Kellerman's" in Catskill, New York. Es geht um Liebe und Eifersucht, um Spießigkeit und Doppelmoral. Die schüchterne "Baby" langweilt sich unter all den Erwachsenen im Urlaub mit ihren Eltern, bis sie den Tanzlehrer Johnny Castle trifft. Der Rest ist Schmonzetten-Geschichte.
Auf der Bühne schlüpfen Anna-Louise Weihrauch und Mate Gyenei in die Rollen von Baby und Johnny, mit denen Jennifer Grey und Patrick Swayze einst Weltruhm erlangten. Die exotische wie erotische Ausstrahlung der Protagonisten kommt bei der Live-Performance noch unmittelbarer rüber als auf der Leinwand. Der gebürtige Ungar Gyenei besticht vor allem durch seine körperliche Präsenz und ein Becken, das offenbar aus reinem Kautschuk geformt ist.
Partnerin Weihrauch wirkt glaubhaft als anfänglich verzuckertes Nesthäkchen mit den Revoluzzerträumen, das sich zur Mambo-Queen hochmalocht.
Ein Sonderlob verdienen sich vier Charaktere, deren Beitrag zum fantastischen Erlebnis nicht unterschätzt werden darf: Benjamin Merkl verkörpert den hinterhältigen Kellerman-Enkel Neil bestechend schmierig. Gloria Wind spielt hinreißend als Dösbaddel Lisa Houseman. Vor allem gesanglich überragen Jessica Mears und Dennis Dobrowolski (Billy).
Dauerbrenner seit 2004 Die ursprüngliche Bühnenfassung feierte 2004 Weltpremiere in Sydney, im März 2006 schwappte das Tanzfieber nach Deutschland und griff von Hamburg aus um sich. Für keine andere Show wurden jemals vor einer Premiere mehr Karten verkauft.
Im wahrhaft Musical-verwöhnten Londoner West End war das Stück monatelang jeden Abend ausverkauft.
Nürnberg kommt noch bis zum 2. August in den Genuss eines außergewöhnlichen Ensembles, dessen 28 Beteiligte mit jeder gestählten Körperfaser den "Dirty Dancing"-Kult reanimieren. Auf dass Filmgucker von einst und Zuspätgeborene von heute die "Time of my life" gemeinsam verbringen mögen.