Jugendliche Selbstmorde werden in Nürnberg erforscht

2 Min
Geldgeber Wilhelm Polster von der Manfred Roth Stiftung und Martin Wilhelm Vizedekan des Klinikums Foto: Nikolas Pelke
Geldgeber Wilhelm Polster von der Manfred Roth Stiftung und Martin Wilhelm Vizedekan des Klinikums Foto: Nikolas Pelke

Bei Jugendlichen gehören Selbstmorde mit zu den häufigsten Todesursachen. Eine Studie will nun in Nürnberg das Tabuthema besser erforschen.

Bei Jugendlichen bis zum Alter von 20 Jahren gehören Selbstmorde neben den tödlichen Unfällen bedauerlicherweise zu den häufigsten Todesursachen. Eine Studie will nun in Nürnberg das Tabuthema besser erforschen.


Bis zu 200 Jugendliche begehen Selbstmord in Deutschland pro Jahr.

"Nach Verkehrsunfällen sind Suizide die zweit häufigste Todesart bei Jugendlichen bis 20 Jahren", erklärte Patrick Nonell, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter im Klinikum Nürnberg (KJP).

Die Anzahl der Selbstmordversuche bei Jugendlichen sei freilich sehr viel höher. Täglich würden sich allein ein bis zwei Jugendliche aus Mittelfranken mit Selbstmordgedanken hilfesuchend an die Experten in der Frankenmetropole wenden. "Diese Patienten machen einen großen Anteil von unseren Patienten aus", sagte Nonell.
Das Tabuthema sei leider wenig erforscht. Deshalb will das Klinikum mit einer Studie dazu beitragen, dieses leidvolle Thema wissenschaftlich besser zu untersuchen. Besonders häufig versuchen sich Jugendliche mit Medikamenten das Leben zu nehmen.


Suizidprävention ist das Ziel

In der geplanten Studie soll die Zahl der Suizidversuche, die in Nürnberg innerhalb der nächsten zwölf Monate aufgenommen werden, erfasst und ausgewertet werden. "Die Suizidprävention ist unser Ziel. Wenn wir besser wissen, was die Jugendlichen genommen haben, können wir besser reagieren." Man wolle objektive Daten erhalten, welche Substanzen eingenommen worden sind. Ziel der Studie könnte sein, beispielsweise die Verpackungsgrößen von "beliebten" Medikamenten zu verkleinern und die freie Zugänglichkeit zu erschweren.

"Die Auslöser für die Selbstmordversuche sind ebenfalls nicht gut erforscht. Hier wollen wir auch mehr Wissen generieren", betonte Hellmuth Braun-Scharm, Oberarzt und Leiter der Studie. Die Verhinderung von Suiziden und Suizidversuchen sei eine wichtige gesellschafts- und gesundheitspolitische Herausforderung. Die Thematik sei aber noch weitgehend tabuisiert, sogar in der Forschung. Daher würden nur ganz wenige zuverlässige Studien zu diesem Thema vorliegen.

Die Gründe für Selbstmordversuche bei Jugendlichen können bedauerlicherweise sehr vielfältig sein. Laut Patrick Nonell können Liebeskummer und Streit in der Familie ein Auslöser dafür sein. Dagegen würden schulische oder berufliche Probleme weniger häufig zu den Ursachen zählen. Im Gegensatz zu den Gründen seien die tatsächlichen Auslöser weniger gut erforscht, betonte Nonell.

Doch welche Substanzen haben die jugendlichen Selbstmordkandidaten eingenommen? "Da sind wir auf die Angaben der Jugendlichen angewiesen", berichtet Braun-Scharm, Leitender Oberarzt und wissenschaftlicher Leiter der Studie. Ob deren Angaben allerdings immer stimmen, dürfe bezweifelt werden. Dem wollen die Forscher nun mit ihrer Studie auf die Spur kommen. Die Blutproben der suizidalen Jugendlichen sollen auf die gängigen Psychopharmaka, Schmerz- und Beruhigungsmittel untersucht werden. "Wir können so besonders oft eingesetzte Substanzen ermitteln", erklärt Braun-Scharm.

Denn darin sind sich die Experten einig: Je schwerer es ist, einen Suizidversuch zu unternehmen, desto seltener wird er tatsächlich in die Tat umgesetzt. Dies zeige sich allein an der Tatsache, dass die meisten Selbsttötungen in den USA durch Schusswaffen vollzogen werden. In Deutschland spielen Waffen bei Suiziden hingegen fast überhaupt keine Rolle.

Die aktuelle Studie wird mit 20.000 Euro von der Manfred-Roth-Stiftung gefördert. Das Forschungsvorhaben wäre ganz im Sinne des mittlerweile verstorbenen Begründers des fränkischen Supermarkt-Imperiums "Norma" gewesen, betonte der Vorstand der Stiftung, Wilhelm Polster. Das städtische Klinikum Nürnberg ist bei wissenschaftlichen Studien anders als die staatlichen Universitätskliniken zu 100 Prozent auf Drittmittel angewiesen. "Ich bin daher sehr dankbar für die Unterstützung durch die Manfred-Roth-Stiftung", sagte Martin Wilhelm, Vizedekan des Klinikums, und dankte der "Norma"-Stiftung für die Unterstützung. Es sei leider viel zu selten, dass Gelder für die bessere Erforschung dieses Tabuthemas bereit gestellt würden.