Der legendäre "Trichter" hat bessere Zeiten gesehen. Das Café der Universität in der Altstadt, ist ein Schatten seiner selbst - zum Ärger der Studenten.
Draußen weist die Universität stolz auf ihren wohl berühmtesten Studenten hin: "Hier studierte, forschte und lehrte Ludwig Erhard", steht auf der Tafel an dem Gebäude der ehemaligen Handelshochschule in der Findelgasse 7 im Herzen der Altstadt in großen Lettern geschrieben. Drinnen scheint von der stolzen Vergangenheit nur noch wenig übrig geblieben zu sein. Besonders im legendären Gewölbekeller zeigt sich das ganze Ausmaß der aktuellen Misere.
"Seit drei Jahren warten wir auf eine neue Feuerleiter", ärgert sich Christian hinter der Theke des Studencafés "Trichter" und schüttelt den Kopf. Seit Jahren würden die Studenten, die den "Trichter" in Eigenregie betreiben, immer wieder vertröstet. "Mittlerweile dürfen sich nur noch 15 Personen gleichzeitig hier aufhalten. Das studentische Leben leidet natürlich darunter", ärgert sich der engagierte Student.
Früher war alles Besser
Reinhard Wittenberg hat noch andere, bessere Zeiten erlebt. Als der Soziologe einen Ruf an den Lehrstuhl für Soziologie und Empirische Sozialforschung an die wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät in der Findelgasse erhielt, blühte im "Trichter" noch das Studentenleben. In der Mitte der 80er Jahre sei der "Trichter" ein kultureller Ort gewesen. Dort hätten Konzerte und Lesungen stattgefunden. In den kalten Wintersemestern seien die "Trichterfeste" die Höhepunkte gewesen. Nach den Vorlesungen hätten sich die Studenten abends gerne zu Diskussionsrunden und Fachschaft-Stammtischen im gemütlichen Gewölbekeller der altehrwürdigen "Erhard-Universität" getroffen. Alle hätten die zwanglose Atmosphäre genossen. Die gediegene Auswahl regionaler Brauereiprodukte sei der Stimmung nicht abträglich gewesen, fügt Wittenberg in der besten Tradition eines akademischen Humoristen hinzu. "All dies könnte heutzutage, wenn überhaupt, dann nur noch in kleiner Besetzung stattfinden", ärgert sich der Soziologe, der sich seit fünf Jahren im akademischen Unruhestand befindet und auch im Rentenalter beinahe täglich an seinen Schreibtisch in die Findelgasse pilgert.
Das bunte Treiben im "Trichter" ist heute Geschichte. Zum Bedauern von Studenten wie Christian und seinen engagierten Mitstreitern vom Studentencafé. "Früher gab es hier coole Partys. Heute dürfen wir uns noch nicht mal zu einem Stammtisch treffen." Das Resultat dieses Zustandes ist bedauernswert und überall deutlich zu sehen.
Immer weniger Gäste kommen
In den schiefen Regalen vergammeln alte Schinken. Die Stereoanlage spottet jeder Beschreibung. Diesen materiellen Verfall würden die Studenten sogar noch hinnehmen. Schließlich seien sie es gewohnt, aus wenig Geld das Beste zu machen. Gravierender sei, dass die Gäste durch die beschränkte Besucherkapazität und die begrenzten Öffnungszeiten (montags bis donnerstags von 9.30 bis 14 Uhr) immer weniger würden. Auf diese Weise werden Abwärtsspiralen erzeugt, die im totalen Zusammenbruch enden, würde der Student der Sozialökonomie sagen. Oder kurz: Die DDR lässt grüßen.
Christian und seine Freunde vom "Institut für Lebensfreude", wie der "Trichter" im Studentenjargon gerne genannt wird, würden sich wünschen, wenn die Universität endlich eine kleine durch eine große Feuerleiter für einen zeitgemäßen Notausstieg ersetzen würde. Das nötige Geld in Höhe von rund 50.000 Euro sei dafür bereits vorhanden, heißt es aus der Pressestelle der Friedrich-Alexander-Universität. Auf die Frage, warum sich dann dennoch nichts bewegt reagiert man mit achselzuckendem Fatalismus. Man habe so viele Baustellen, heißt es. Man müsse andernorts aufpassen, dass den Studenten die Decke nicht auf den Kopf falle. Sprich: Aufgrund der komplett maroden Unilandschaft in Erlangen-Nürnberg muss der "Trichter" warten und die Sanierung wird trotz des vorhandenen Geldes auf die sprichwörtlich lange Bank geschoben. Erhard hin, Kanzler her: Der Uni scheinen die zahlreichen Baustellen langsam aber sicher über den Kopf zu wachsen.
Trichter Ursprünglich diente das Kellergewölbe als Baderaum in der 1902 auf dem Areal der Findelgasse 7 gebauten Volksschule, die ab 1913 als Handelsschule für Knaben firmierte. Von 1919 an war das Gebäude dann die Heimat der städtischen "Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften". Viel später, nämlich ab 1940, dienten die entsprechenden Räumlichkeiten den Studierenden als Mensa, fein ausgemalt mit Geschichten wie die des "Raubritters Eppelein von Gailingen", die noch heute im "Trichter" zu bewundern sind, wenngleich eine "Auffrischung" nicht schlecht wäre, wie der "Trichter-Fachmann" Reinhard Wittenberg findet.
Fluchtweg Das Kellergewölbe ist nur über eine einzige Treppe und eine relativ schmale Tür erreichbar. Bei der
letzten turnusgemäßen Brandschutzbegehung wurde festgestellt, dass der Trichter damit keinesfalls den aktuell gültigen Brandschutzbestimmungen für öffentliche Einrichtungen entspricht; diese wurden in den letzten Jahren massiv verschärft. Die im 57 Quadratmeter großen Trichter vorhandene Fluchtalternative zum Treppenhaus ist ein Fensterausstieg, der über eine Feuerleiter zugänglich ist. Sie wurde von Brandschutzfachleuten als nicht
geeignet eingestuft. Räume, die wie der "Trichter" über keinen zweiten Fluchtweg verfügen, sind laut Brandschutzbestimmungen nur von 15 Personen gleichzeitig zu benutzen, erklärt die Pressestelle der Universität.
Erhard Ludwig Erhard hatte an der "Handelshochschule" im Oktober 1919 mit der Matrikelnummer 9 sein kaufmännisches Studium begonnen und es im März 1922 mit der Note "gut" beendet. Er hat den "Trichter" also nicht als Student, sondern ihn, wenn überhaupt, dann nur nach 1940 als lehrender und forschender Mitarbeiter der damaligen "Hindenburg-Hochschule Stadt der Reichsparteitage Nürnberg" besuchen und dort mit Kollegen und Studierenden bei sicherlich nicht "hochgeistigen" Getränken diskutieren können, erklärt "Trichter-Experte" Reinhard Wittenberg. Gesicherte Informationen liegen ihm darüber aber nicht vor.